GoldenProjectile hat geschrieben: 31. Januar 2025 00:02
Django (1966)
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Wertung: 7 / 10
Il Mercenario (1968)
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Wertung: 8 / 10
Ich habe beide Filme gestern ebenfalls gesehen, direkt am Stück.
"Django" ist ein extrem schmutziger Film. Das war wohl das erste, was mir wieder im Kopf blieb. Jeder in diesem Film fällt irgendwann mal so richtig in den Matsch und ist von oben bis unten besudelt mit Dreck. Es regnet auch auffallend oft, wenn man mal auf die ganzen Pfützen achtet, und dieser kleine Ort, in dem ein Großteil des Films spielt, ist keines der Western-Kaffs, an die man als Kind beim Cowboy-und-Indianer-Spielen gedacht hat. Alles sieht richtig ungemütlich aus, und es scheint ja auch niemand in diesem Ort zu leben. Der Bordell-Besitzer redet zwar mehrfach von seinen Kunden, aber bis auf die Rassisten von der Maskenbande taucht da nie irgendeiner auf, als sei der ganze Ort eine Geisterstadt.
Ich verstehe, was du meinst, wenn du beim Film sofort von zwei Hälften sprichst, denn "Django" hat tatsächlich einen Bruch in seiner Story, ziemlich genau nach der ersten großen Schießerei, also nachdem Django erstmals seinen Sarg geöffnet hat. Bis dahin ist Django selbst eine geheimnisvolle Figur, die etwas Mystisches umgibt. Danach tauchen dann die Mexikaner auf, und man wähnt sich fast in einem etwas anderen Film, in einer anderen Geschichte. Django ist ab dann auch nicht mehr in seinem Totengräber-Outfit zu sehen, auch das empfinde ich wie einen Bruch in der Darstellung der Figur. Es ist, als lege er sein Kostüm ab und damit auch ein Stückweit die Kunstfigur, als die er sich vorher noch inszeniert hatte. Aber vielleicht deute ich da auch zu viel rein.
Irgendwie passt diese Zweiteilung für das, was Corbucci über das Wesen der Rache erzählt. Alleine schon der eigene Sarg, den Django hinter sich herzieht, ist ein tolles Bild für den Preis der Rache, den man mit sich herumträgt, wenn man sich auf den Pfad bewegt, und während die erste Hälfte den Racheengel Django in eiskalter Präzision zeigt, gibt es danach ein paar Szenen, in denen es menschelnd, in denen wir sehen, dass Django vielleicht kaltblütig, aber nicht herzlos ist. Die Fassade seiner Hypermaskulinität bröckelt ein wenig. Dazu passt auch, wie Corbucci Spannung und Komik miteinander kombiniere. Sehr im Gedächtnis bleibt mir die Szene, als Django vorsichtig seinen Sarg über die Köpfe der Mexikaner bewegen muss, um ihr Gold zu stehlen.
Nicht alles ist ganz so stark inszeniert, wie ich es mir wünschen würde (um ein klares Beispiel zu nennen: die letzte Szene der Mexikaner fand ich auffallend schludrig hingestellt), und die Frauenfigur scheint mir ehrlich gesagt nach der Eröffnungsszene eigentlich gar nicht mehr nötig für den Plot, aber andere Szenen sind dafür brillant. Vor allem eben das großartige Schlussbild, zudem dann auch nochmal der größte Trumpf von "Django" zu hören ist, der verflucht coole Titelsong. Der ist immerhin so cool, dass Quentin Tarantino ihn zu Beginn seines Django-Films in voller Länge einfach nochmal abgespielt hat.
"Il Mercenario" ist dagegen ein anderes Biest. Während "Django" teilweise an Samurai-Filme oder Comic-Hefte erinnern lässt, mit seinem bewusst ikonographisch beladenen Helden, ist "Il Mercenario" ein großes Spiel mit den Konventionen der Italowestern-Gattung selbst. Das zeigt sich vor allem im Schlussteil, als der Film eigentlich mehrfach endet, bzw. das erwartbare Ende nicht da positioniert, wo man es erwarten würde, und danach einfach nochmal weiterläuft, nochmal neu anfängt, nur um dann wieder ein Ende zu präsentieren, das aber auch keines ist und aufgebrochen wird. Ich kann mich nicht erinnern, ob ich jemals einen Genre-Film gesehen habe, der das so macht. Hinsichtlich dieser Struktur muss "Il Mercenario" einer der außergewöhnlichsten Actionfilme überhaupt sein.
Der Film ist durch eine Rückblenden-Struktur aufgebaut, beginnt also am Ende, bzw. müssen wir davon ausgehen. Nach einem Großteil der Handlung ist der Film wieder an seinem Anfang angekommen und die drei Hauptfiguren treffen aufeinander und liefern sich ein Duell in der bärenstark inszenierten L'Arena-Szene. Der Böse wird getötet und der Film müsste somit vorbei sein. Dem ist aber nicht so. Stattdessen geht er einfach weiter und die beiden anderen Figuren reiten von dannen, werden verfolgt, gefangengenommen, eine weitere große Schießerei passiert usw. Danach gibt es das übliche IW-Ende: Beide Figuren verabschieden sich im Dialog voneinander und der Film verbleibt auf einer optimistischen Note ("Ich habe einen Traum"), und jetzt tut auch die Inszenierung so, als sei der Film vorbei, denn der eine Held reitet in einer lang gehaltenen Totalen davon.
Aber selbst das ist wieder nur ein falsches Ende, denn auf einmal enthüllt die langsame Kamerabewegung, dass die Gegenspieler oben auf dem Hügel hocken; sie wollen den Helden hinterrücks ermorden, und werden überraschend von Franco Nero daran gehindert. Da wird aus dem optimistischen Schluss vorher ein zynischerer, denn der Traum der Revolution wäre eigentlich sofort wieder gescheitert ("Träume, aber mit offenen Augen"). Ein unfassbares Ende, und es ist eigentlich kaum unkonventioneller als der berühmtere Schluss von "Il Grande Silenzio". So wie der Film mit seiner langen Kamerafahrt zuvor noch das Ende kommuniziert hatte (und es sieht wirklich aus wie dutzende dieser Filme zuvor geendet haben), müssen Teile des Publikums damals schon auf dem Weg zum Ausgang gewesen sein, als es plötzlich nochmal weiterging.
Keine Ahnung, ob sowas vorher schon jemand gemacht hatte.
Ansonsten ist "Il Mercenario" ein präziser Revolutionswestern, sehr actionlastig. Der Bärenteil des Plots ist eigentlich eine Aneinanderreihung von Städten und Stationen der Revoluzzer, an denen sie in Kampfhandlungen verwickelt werden, und die Titelfigur (Franco Nero) ist eine sehr böse Zyniker-Figur, weitaus zynischer als noch so einige andere Italowestern-Helden, denen man das gerne nachsagt. Er könnte sogar ein richtiger Soziopath sein, aber ich müsste den Film dafür nochmal gucken und genau darauf achten, wie er sich in allen Situationen verhält und ob das ein größeres Bild ergibt. Auf jeden Fall ist eine richtig finstere Gestalt, und trotzdem erzählt Corbucci seinen Film mit großer Leichtig- und Leichtfüßigkeit, sprenkelt sehr viel Humor ein. Etwa über das Gimmick, dass sich Nero ständig an alles und jedem sein Streichholz entfacht.
@GoldenProjectile: Da dir "Il Mercenario" gut gefiel, schau unbedingt auch den Revolutions-Italowestern "Quién sabe?" von Damiano Damiani, mit Gian Maria Volonté, Lou Castel, Klaus Kinski und Martine Beswick. Mich packt der emotional noch mehr als die Corbuccis, und der hat auch so ein absolut magisches Über-Ende, und eine ganze Menge fantastisch inszenierter Szenen. Muss man gesehen haben. Volonté war eigentlich selten besser als dort. Und die Parellelen zu "Il Mercenario" sind unübersehbar, obwohl es doch zwei recht verschiedene Filme sind.