Nico hat geschrieben: 26. November 2024 16:09
Leider hält der Film dieses tolle Versprechen zu Beginn niht wirklich ein. Ich hatte Spaß, ja. Mehr als sonst, ist YOLT bei mir doch meist ziemlich weit hinten in der internen Bond-Rangliste zu finden, aber so richtig zünden tut vieles nicht.
Finde ich super, dann kann ich gegen dich anreden.
YOLT ist über die Jahre immer mehr einer meiner Lieblinge in der Reihe geworden. Als Kind habe ich die ersten 90 Minuten immer "abgewartet", bis endlich der Vulkankrater kam! Mittlerweile kann ich mich aber auch an vielem, was der Film zuvor veranstaltet, kaum sattsehen.
Einige seiner Schwächen sind allerdings unübersehbar. Dazu zählt:
Nico hat geschrieben: 26. November 2024 16:09
Der Film (...) hält sich aber viel zu oft mit langatmigen Nebensächlichkeiten auf.
YOLT hat eindeutige erzählerische Tempo-Probleme. Die Hochzeit und die Japanerwerdung Bonds dauern gemessen an ihrer tatsächlichen Relevanz für den Plot entschieden zu lange, während andere Ploteinheiten zu schnell abgefrühstückt werden. Besonders eindeutig ist das bei der Affäre von "Mr. Fischer" und Fräulein Brandt. Die beiden haben sich grade erst geküsst, den Lippenstift konnte sich Connery noch nicht mal richtig von der Wange wischen, da begeht sie schon wieder ein Attentat auf ihn und ihr Techtelmechtel ist vorbei. Skriptseitig ist die Fischer-/Brandt-Liebelei klar eine Variation des direkten Vorgängerfilms mit Fiona-/Bond, nur eben im Schnellverfahren. Dafür haben Gilbert und Dahl so gut wie keine Zeit und hetzen durch die Ereignisse, aber die Hochzeit mit dem Pfannkuchengesicht dürfen wir in epischer Langsamkeit begleiten...
Nico hat geschrieben: 26. November 2024 16:09
Auch der Cast kann nicht so richtig überzeugen.
So hart würde ich es nicht ausdrücken, aber verglichen mit den drei letzten Vorgängern fehlen richtige Höhepunkt-Auftritte. Connery finde ich hier nach wie vor super cool und YOLT dürfte seine wohl lässigste Performance sein (GGH trumpft in der Synchro auch nochmal mehr auf als eh immer), aber vor allem einige Kernrollen sind unglücklich besetzt. Akiko Wakabayashi und Mie Hama sind beide leider keine geborenen Schauspielerinnen und das Skript differenziert ihre Charaktere nicht genug. Donald Pleasance ist die perfekte Besetzung für Blofeld, aber er bekommt dann eine doofe Narbe ins Gesicht gemalt und spielt den zuvor ominösen Hintergrundmann als bissigen Pudel, als hibbeligen Kampfzwerg. Man sieht leider sofort, warum die "Austin Powers"-Filme ihn für Dr. Evil zum Vorbild genommen haben. Tetsurō Tamba hat als Tiger Tanaka durchaus Charisma, ist aber kein Kerim Bey, dafür bekommt er vom Skript zu wenig Konturen verliehen. Richtig gut sind eigentlich nur Karin Dor und Teru Shimada als Helga Brandt und Mr. Osato. Leider rücken beide irgendwann in den Hintergrund oder werden in Karin Dors Fall direkt abserviert. Die Szene mit Connery, Shimada und Dor im Büro bei Osato ist vielleicht der tollste Moment des Films: stark geschrieben ("Spüren Sie einen leichten Druck auf der Brust?"), mit schönen kleinen Einfällen und die Interaktion dieser drei lebendigen Charaktere macht Freude.
Aber ...
Nico hat geschrieben: 26. November 2024 16:09
Glatzen mit Katzen, feuerspuckende Vulkane mit Lava-Strömen, "Verkleidungen" als Japaner, riesige Geheimbasen mit Massen von Menschen (sind die eigentlich alle sozialversichert? Kriegen die ein regelmäßiges Gehalt?), von deren Erbauung niemand etwas mitbekommen hat, genausowenig wie von den Raketen, die regelmäßig aus dem Vulkan fliegen, Fake-Ermordungen, Hubschrauber mit Riesen-Magnet und angeschlossener Live-Übertragung und und und prügeln auch dem letzten ein: Wir sind größenwahnsinnig geworden!
... in dem Absatz steckt dann alles drin, was mir an YOLT so viel Freude bereitet. Das ist der absolute Spektakel-Bond, und zwar nicht nur im Vulkankrater, sondern von Anfang bis Ende. Der Film beginnt im Weltall (!) damit, dass ein Raumschiff ein anderes auffrisst (!!). Geht es in einem Spionagefilm dieser Zeit noch größer? Ich denke nicht! Der Kalte Krieg wird beinahe heiß, der nukleare Weltkrieg steht kurz bevor, und Bond ist TOT, bevor Nancy Sinatra überhaupt mit dem Titelsong angefangen hat.
YOLT ist neben MR wohl der größenwahnsinnigste und gewaltigste Film aus über 62 Jahren Bond-Kino. Bond in die fremdartige, exotische Welt Japans eintauchen zu lassen, passte dafür perfekt, so wirkt der Film auf westliche Zuschauer ohnehin schon außerweltlich. Er trifft da einen Geheimdienst, der nochmal deutlich futuristischer ist als das, was er von Zuhause kennt (man denke an diesen herrlich absurden Magnet-Helikopter, der direkt aus einem Comicheft stammen könnte). Bond ist ein Fremder in einer fremden Welt, in der Menschen durch die Wand hindurch erstochen werden können, in der man auf die Gefahr eines drohenden Atomkriegs mit Ninja-Kriegern reagiert und in der du als Mann von Frauen sogar dann ganz selbstverständlich bedient wirst, wenn du eigentlich nichts dafür leisten musstest ... ok, letzteres ist für unseren James vielleicht gar keine so neue Erfahrung.
Mir macht das einen irren Spaß. Ich genieße es, wie selbstverständlich alles in diesem Film seiner eigenen Logik folgt. Natürlich klappt da in einer U-Bahn-Station einfach der Boden auf. Natürlich ist jeder Hafenmitarbeiter ein SPECTRE-Scherge ... oder will Bond verprügeln, weil er kein Japaner ist. Natürlich sitzt Blofeld mit seiner Raketenabschussbasis in einem Vulkan. Natürlich bedeutet die Sprengung dieses Hauptquartiers auch, dass der Vulkan ausbricht. Das ist alles riesiger Schwachsinn, aber YOLT inszeniert es nicht als Schwachsinn. Eine gewisse Selbstironie mag die Bond-Reihe immer in sich tragen, ihre im Kern irrsinnige Natur nimmt sie aber ernst. Das ist ein Unterschied zu vielen Superhelden- und anderen Actionfilmen heute. Wir müssen und brauchen Bond nicht ernst nehmen, aber die Filme selbst müssen ihren Unsinn glauben.
Für mich hat vieles davon mit dem sehr scharfen Skript von Roald Dahl zu tun. Damit meine ich gar nicht nur die bösen Oneliner, die es hier gibt, und die in kaum einem Bond so fies und bissig sind ("It can save your life, this cigarette." - "You sound like a commercial."/ "He wouldn't touch that horrible girl. You wouldn't, would you?" - "Oh, heaven forbid."), sondern auch, wie schön der Informationsfluss verläuft. In kaum einem anderen Film nach Dr. No ist Bond nochmal so sehr Detektiv wie hier, und ermittelt nach und nach jedes neue Schnipsel an Erkenntnisgewinn.
Nico hat geschrieben: 26. November 2024 16:09
Der Film bietet zwar einige Actionszenen, die durchaus unterhalten und teilweise toll gefilmt sich
Da bin ich enthusiastischer als du. Der tolle Zweikampf in Osatos Büro mit dem sehr abrupten und schmerzhaft aussehenden Tod des Gegners, die lange Flucht am Hafengelände mit der "God's View"-Kamera, die Autojagd quer durch die manchmal recht engen Straßen Tokyos, der super getrickste Flug mit Little Nelly und das bombastische Finale im Vulkankrater sind für mich allesamt Highlights des Films und richtig tolle Actionszenen. Ich finde sie alle durchaus stark in die Handlung eingebettet und aus Perspektive der Stuntabteilung bärenstark umgesetzt. Ich kann da auch nicht richtig verstehen, warum ihr die Little-Nelly-Szene inhaltlich für schwach begründet haltet. Es ergibt doch absolut Sinn für Bond, mit den Informationen, die er hat, das Gelände aus der Luft zu inspizieren. Hätte er das nicht gemacht, würden jetzt im Forum Leute meckern, warum er sich denn nicht wenigstens mal in einen Hubschrauber gesetzt und selbst die Gegend abgesucht hat.
Wir (anders als Bond selbst) erfahren dann ja auch kurz nach der Szene, wie genau SPECTRE vorgeht und wie sie ihre Raketenabschussbasis verstecken, und weshalb Bond da nichts finden konnte.
Ein bisschen panne ist actionseitig eigentlich nur der Zweikampf mit Hans, weil das immer exakt der Moment im Showdown ist, in dem ich merke, dass es mir langsam zu viel wird. Blofeld ist besiegt, Bond hat sich ins Büro gekämpft - ob da nun noch Red Grants hässlicher Bruder auf ihn wartet oder nicht, ist mir eigentlich Jacke wie Hose. Aber der Kampf ist für sich okay, also passt es schon alles in allem.
Nein, allen Unkenrufen in diesem Forum zum Trotz: Ich mag YOLT sehr. Es ist hinsichtlich der Schauwerte ein wahnsinnig opulenter Bond-Film, der zudem visuell wunderschön gefilmt ist (immerhin war Kameramann Freddie "Lawrence of Arabia" Young zuständig - und man sieht es), und dabei aber nie mit seinen Bildern protzt oder sie zu sehr überästhetisiert, sich mit seinen Bildentscheidungen also aufdrängt, wie es dann der Nachfolger OHMSS tut. Connery ist lässig wie sonst was, das Verweilen in der japanischen Kultur ist in dieser Ausführlichkeit ein Novum der Reihe und so viele Momente sind zurecht Teil des popkulturellen Gedächtnisses im Zusammenhang mit Bond geworden (das Piranha-Bad habe ich noch gar nicht erwähnt)! Außerdem ist Bond außer noch in FRWL nie wieder so sehr ein Fremder in einer anderen Geheimdienstwelt, was seinem Charakter glänzend zu Gesicht steht.
YOLT ist nicht perfekt, zieht sich in der zweiten Hälfte mitunter, vergeigt den finalen Bösewicht und lässt an ein paar Stellen mehr Routine erkennen als zuvor, und trotzdem ist es ein Bond-Film, den ich bedenkenlos jederzeit wesentlich lieber in den Player schmeiße als viele andere.