danielcc hat geschrieben: Heute 10:29
Allerdings hatte er explizit das Charisma des Hauptdarstellers gelobt.
Das dürfte eine Minderheitenmeinung sein.
Gladiator stand und fiel mit Russell Crowe, Gladiator 2 fällt leider mit Paul Mescal. Der Junge ist eine komplette Fehlbesetzung für diese Art von Kino und als Actionstar überhaupt nicht glaubwürdig. Ansonsten könnte man zu Gladiator 2 dasselbe schreiben wie zu Jurassic World, Terminator Dark Fate, Beverly Hills Cop 4, Halloween 2018, Matrix 4, Trainspotting 2 oder Bill & Ted 3 - wir haben es mit dem x-ten Legacy Sequel zu tun, welches das Wort Fortsetzung nicht verdient, da man in Wahrheit den ersten Film einfach nochmal erzählt.
In Gladiator 2 ist das noch dreister und frecher als zuvor. Der ganze Plot ist nicht ähnlich, sondern praktisch identisch. Viele der großen Storyelemente werden einfach 1:1 wiederholt und ein zweites Mal abgespult. Dazu kommen Twists (einen davon verraten schon die Trailer), die im Nachhinein den ersten Film auf eine eher fragwürdige Art umdeuten und fast ein Stück entwerten. Erst im dritten Akt emanzipiert man sich ein bisschen von Gladiator, aber da wird es dann wirklich so bekloppt und absurd, wie man es sich nur vorstellen kann.
Gleichzeitig fällt einiges davon nicht so schwer ins Gewicht wie bei den anderen oben genannten filmischen Luftpumpen - einfach deshalb, weil Ridley Scott noch immer ein talentierter Spektakel-Regisseur ist, der die größtmöglichen Bilder sucht und meist findet. Es gibt große Schlachtszenen in diesem Remake, die auf der großen Leinwand einen echten Reiz entfalten. Zumal vor allem die Nebendarsteller Denzel Washington und Pedro Pascal einiges an Gravitas und Verve mitbringen. Wann immer sie auftauchen oder gekämpft wird, funktioniert der Film.
Natürlich lässt sich nüchtern feststellen, dass insbesondere die großen Actionszenen im Original inspirierter und deutlich besser waren. Das sieht ein Blinder. Aber es sagt vielleicht auch einiges über das Kinojahr 2024 aus, wenn eine mittelmäßige Gladiator-Kopie eines Ü80-jährigen Regisseurs in Punkto Spektakel noch herausragt. Manche werden daher milder bewerten. Es gilt aber wie bei vielen dieser Nicht-Fortsetzungen: Wären sie kurz nach ihren Originalen erschienen, man hätte sie gnadenlos abgestraft.
Die Oscars, die Gladiator gewann, lassen einen gern vergessen, dass das eigentlich kein großes Charakterdrama ist, sondern ein Männerfilm, den man bei einem Grillabend guckt, während man ein paar Bierchen kippt. Ein großes Macho-Epos, in dem Russell Crowe auch Tigern auf die Fresse haut, um seine Rache zu kriegen. Wer diese Essenz schätzt, und sich keine großen Erwartungen macht, der wird in denselben Disziplinen von Teil 2 wieder gut unterhalten, weil es exakt wie im Vorgänger laut, brachial, episch und unsubtil zugeht.
Als Blockbuster-Experience, als Kino-Event, ist Gladiator 2 genau der audiovisuell wuchtige Nonsense, den in Hollywood mal eine Zeit lang viele konnten und für den man jetzt die ganz alten Säcke auf den Regiestuhlen heranziehen muss. Wem das reicht: ab ins Kino. Was Gladiator 2 aber nicht mehr hat, gerade im Vergleich zum Vorgänger, ist eine Seele, echte spürbare Leidenschaft vor und hinter der Kamera. Vielleicht ist das im Blockbuster-Kino 2024 aber auch schon zu viel erwartet. Wer weiß.