The Living Daylights (1987, John Glen)
"Comes the morning and the headlights fade away, hundred thousand people, I'm the one they blame. I've been waiting long for one of us to say, save the darkness, let it never fade away."
- a-ha
Nachdem sich Roger Moore nach ganzen sieben Auftritten in der Doppelnull-Rolle endlich dem wohlverdienten 007-Ruhestand zugewandt hatte wurde mit TLD nach langer Zeit wieder ein neuer James Bond vorgestellt. Timothy Dalton kam mehrheitlich vom Theater und war ein grosser Fan der Fleming-Originalromane, und so sollte sich die Reihe unter seiner Ägide wieder verstärkt den Ursprüngen und realitätsnäheren Szenarien zuwenden. Dass der Bruch mit den Vorgängerfilmen dennoch weniger drastisch ausfiel als anzunehmen ist, ist dem Umstand zu verdanken, dass die 1980er-Brigade um Glen, Maibaum und Wilson hinter der Kamera unverändert blieb, ihr Faible für komplexere Geschichten und ausgefeilte Spannungsbögen hatten die drei schon in den letzten drei Moore-Filmen geprobt, wenn auch noch unter dem "Deckmantel" der heiteren Attitüde Old Rogs. So fügt sich TLD trotz neuem Darstellertypus bemerkenswert gut in den Bond-Kanon ein und ist lediglich die logische Folge bzw. Weiterentwicklung seiner unmittelbaren Vorgänger.
Als solche fühlt sich TLD zum ersten Mal seit FRWL in Teilen wie ein frappierend realer Spionagethriller vor dem Hintergrund des Kalten Krieges an. Das Drehbuch von Maibaum und Wilson bietet eine Fülle an verschlungenen Handlungsbögen um Doppelagenten, Täuschung, Attentate, West-Ost-Konflikt und schmutzige politische Interessen im Sowjetblock, die im ersten Moment gar nicht so leicht in all ihren Zusammenhängen zu durchschauen sind. Der mittlerweile altgediente John Glen fängt diese Szenarien wunderbar atmosphärisch ein wenn er seine Akteure an Schützenfenstern oder in geparkten Autos vor den tristen Häuserzeilen Bratislavas spionieren lässt und dem eigentlichen Inhalt mehr denn je dieselbe Gewichtung zukommen lässt wie dem ausfüllenden Spektakel. Serientypische Extravaganzen hätten in der Theorie leicht zum Stilbruch werden können, aber Glen schafft es, auch vermeintliche Kontrastpunkte wie das pittoreske und schwelgerisch inszenierte Afghanistan, in dem der martialische Showdown steigt, oder die längst vertrauten Q-Gadgets stimmig in den Film einzubetten. Die Vermischung aus härteren, deutlich handlungsorientierten Elementen mit den nötigsten abenteuerlichen Eskapaden steht in bester Tradition von Glens Debüt FYEO und gibt dem Film seine eigene, stimmige Handschrift.
Timothy Dalton erweist sich als idealer Bonddarsteller, vor allem in der Weise, wie er die Gangart des Films quasi in seiner Darstellung widerspiegelt. Daltons Bond ist härter und wirkt deutlich mehr wie ein Agent und Vollprofi als noch seine Vorgänger. Seine charmante und gewitzte Seite sowie die erstaunlich romantische Komponente seines Umgangs mit Kara kommen dagegen eher simpel-verschmitzt daher, so ist Dalton einer der ganz wenigen Doppelnullagenten der in einzelnen Momenten sogar spitzbübisch lachen darf. Daltons gesamte Darstellung erscheint stärker aus dem Leben gegriffen und dabei weniger überlebensgross, ohne typische Eigenschaften der Figur wie die weltmännischen Kenntnisse zu verleugnen. Dass sein Bonddebüt in der Planungsphase noch teils für Roger Moore, teils für Pierce Brosnan angedacht war und daher weniger auf den Hauptdarsteller zugeschnitten ist als dessen zweiter und leider dann auch schon letzter Auftritt erweist sich als wenig gravierend, da Dalton einerseits übriggebliebene Schwankungen in Richtung dieser anderen Darsteller sehr gut mit seiner eigenen Note auszufüllen vermag und andererseits wie schon gesagt der Bondfigur im Grossen und Ganzen trotzdem schon seinen individuellen Stempel verleiht.
TLD wird gerne für seinen Bösewicht bzw. das Fehlen einer eindeutigen Nemesis kritisiert. Auch hier führt der Film insofern das Erbe von FYEO fort, dass der oder die Schurken zwar keine überlebensgrossen, schillernden Charaktere sein mögen aber sich passend in das Szenario und den Handlungsverlauf einfügen. Georgi Koskov ist genau der richtige manipulative, zwielichtige und hinterhältige KGB-Überläufer für den Film und die Darstellung des Niederländers Jeroen Krabbé wechselt treffend zwischen rücksichtslosem Opportunismus, unterwürfiger Anbiederung, vorgespielter Freundlichkeit und eiskalter Gier. Koskov mag kein gewaltiger Superschurke im Sinne von Goldfinger und Stromberg sein, in TLD hätte ein solcher aber sowieso nicht gepasst. Er ist eine falsche Schlange, ein mieser kleiner Verräter und als solcher lässt er in Bezug auf Drehbuch und Darsteller keine Wünsche offen. Die Figur des kriegslüsternen und militärfanatischen "Westentaschengenerals" Brad Whitaker ist eher eine Ergänzung zum Koskov-Charakter und gibt der Geschichte eine angemessen kleine Portion überzeichneten Irrsinn in Form von Whitakers Macke und seinem trickreichen Armeemuseum. Mit Necros hat TLD zum ersten Mal seit Jaws wieder einen bondtypischen, mit hohem Wiedererkennungswert ausgestatteten Handlanger an Bord, in Necros' Fall ist das seine chamäleonartige Verkleidungskunst in Kombination mit seinem ganz eigenen musikalischen Leitmotiv. Insgesamt funktioniert die schurkische Dreimannbrigade und erfüllt mehr als nur ihren Zweck, etwas, was ihnen im Vergleich zu auf diesem Gebiet zugegebenermassen oft glanzvolleren Serienkollegen selten zugestanden wird.
Auch das Bondgirl erhält in TLD nur selten eine Würdigung aus Fankreisen, und wenn, dann meistens eine negativ behaftete. Zunächst einmal ist auffällig, dass Maryam D'Abos slowakische Cellistin Kara - vom Kurzauftritt einer gelangweilten Jachttouristin in der Eröffnungsszene und den üblichen Moneypenny-Spielereien abgesehen - das einzige Bondgirl des Films darstellt, im 007-Kanon fast schon ein Novum und zumindest eine erfrischende Abwechslung zum teilweise sehr oberflächlichen Frauenverschleiss der Moore-Ära. Die Kara-Figur verhält sich im Kontext des Films und der Serie ausserdem ähnlich wie die Bösewichte, sie mag nicht wirklich besonders erotisch oder intelligent wirken, ist aber durch ihre Alleinstellung die gesamte Geschichte über sehr präsent und essentiell für das Geschehen, zwar weniger aus aktiver Eigeninitiative - was zum Charakter der unschuldigen und über lange Strecken unwissenden Cellistin auch nicht gepasst hätte - aber als Spielball zwischen Bond und Koskov, der für den Fortgang der Handlung oft unerlässlich ist und die nötige Leinwandzeit erhält, um diese Funktion auch auszufüllen. Dass Bonds Beziehung zu Kara wie weiter oben angedeutet besonders durch die Wien-Szenen ungewohnt real wirkt und der Wechsel ihrer Loyalität ein Kernelement des Handlungsverlaufs bildet ist dem Film absolut angemessen.
Grandios gelungen ist die Figur des sowjetischen Geheimdienstchefs Leonid Pushkin, der den bewährten General Gogol ablöst. Obwohl ursprünglich eine Notlösung, aufgrund des schlechten gesundheitlichen Zustandes von Walter Gotell, erweist sich die neue Rolle als Glücksgriff. Obwohl bzw. gerade weil man als Zuschauer keinerlei Vorkenntnisse über ihn hat wie über Gogol kann John Rhys-Davies als Pushkin die Rolle von Grund auf formen und gibt ihr eine Mischung aus kühler Härte und starker Integrität, die beim väterlichen Gogol in dieser Form nicht möglich gewesen wäre. Das erste Aufeinandertreffen von Bond und Pushkin ist sogleich auch eine der besten Szenen des Films, in dem das verwinkelte Spionageflair seinen Höhepunkt erreichen kann. Dass Gogol in einem Cameo am Ende doch noch einmal auftreten kann, sowie der letzte Auftritt von Geoffrey Keen als britischer Verteidigungsminister, führt die personelle Konstante der 1970er- und 1980er-Bondfilme zu einem würdigen Ende und schlägt wiederum den Bogen zu den Moore-Filmen. Verschenkt ist der Auftritt von Felix Leiter, der zweimal kurz reinschaut und nichts zu tun hat. Vor allem seine erste Szene mit der wieder einmal sehr umständlichen "Entführung" Bonds hält den Film an dieser Stelle nur auf und man hätte besser daran getan, Leiter noch einmal zwei Jahre bis zu seinem gelungenen Auftritt in LTK ruhen zu lassen.
Die Actionszenen bewegen sich in TLD mal wieder auf höchstem Niveau. Zwar fehlt dem Film ein wirklich grosser Knall in Form eines einmaligen Stunts oder einer nie dagewesenen Idee, vielmehr fügen sich die Actionszenen allesamt vergleichsweise diskret in den Handlungsbogen ein, abgesehen vielleicht von der Verfolgungsjagd mit dem Aston Martin durch die winterlichen Grenzgebiete mit den üblichen "Tricks". Die PTS ist für mich die beste der gesamten Reihe. Von der gelungenen Wahl des Schauplatzes Gibraltar, über die Idee eines von einem Attentäter unterwanderten Übungsmanövers, die effektvolle und schrittweise Einführung des neuen Bonddarstellers an der Seite zwei seiner Kollegen (die Lazenby und Moore nicht unähnlich sehen), die handgemachte und wilde Autoszene entlang des "Affenfelsen" bis hin zu der abschliessenden Landung auf einer Mittelmeerjacht hat die Szene alles, was die Bondreihe ausmacht, ohne veraltet zu wirken und stimmt gleichzeitig passend in den darauf folgenden Hauptfilm ein. Viele kleinere Actioneinlagen begeistern durch ihre Gradlinigkeit, sei es der makellose Überfall des Chamäleons Necros auf den ländlichen MI6-Stützpunkt inklusive handfester Prügelei gegen Agent Green 4 in der Küche, oder Bonds Revolte gegen einen sadistischen Gefängniswärter, in der ein gefangener Mudschahed stellvertretend für das Publikum herzhaft über die Bestrafung des feisten Tyrannen lachen darf. Höhepunkt sind natürlich die agonalen Kämpfe auf und hoch über dem sowjetischen Luftwaffenstützpunkt mit allerhand Explosionen, nervenzerfetzenden Kletterstunts auf dem überhängenden Frachtnetz und tickender Zeitbombe. Hier wird TLD als bondtypischer Actionknaller von der Leine gelassen, ohne die handfestere Grundauslegung des vorherigen Films ad absurdum zu führen. Dass die letzte Konfrontation mit den Schurken fast schon intim klein ausfällt und Koskov sogar lediglich von seinen eigenen Leuten verhaftet wird ist wiederum nicht nur eine stimmige Abwechslung, sondern auch dem Tenor des Films absolut angemessen.
TLD stellt auch die Abschiedsvorstellung von Stammkomponist John Barry dar. In nicht weniger als elf Filmen der Serie hatte der Brite den Bond-Sound geprägt und in TLD verabschiedet er sich - ganz gleich ob er Bescheid wusste, dass dies sein letzter Bondfilm sein wird, oder nicht - mit einem Riesenknall. Barrys Score ist kalt, treibend, angespannt, romantisch, kurzum gelingt es ihm zu jeder Zeit, den Geist der Bilder zu unterstützen und auch zu verstärken. Besonders oft arbeitet Barry dieses Mal mit dynamisch treibenden Drumbeats, die von seinem für ihn typischen Orchester überlagert und akzentuiert werden. Der gesamte Score ist gleichermassen abwechslungsreich wie homogen-stimmig und hat eine Fülle an herausragenden Melodien auf Lager, sei es das wehmütig auf einer Flöte dahingehauchte Kara-Theme oder die Verwendung dreier Filmsongs - das klangvolle und triumphale Titellied von a-ha und die beiden Beiträge von The Pretenders, Necros' unheilvoll-lässiges Erkennungsmerkmal Where has everybody gone? und der beinahe elegische Abspannsong If there was a man, die alle immer wieder dezent in den Soundtrack mit einfliessen. Für mich gehört Barrys letzte Arbeit mit Abstand zu seinen besten und zu den stärksten Bondscores überhaupt.
TLD ist der Bondfilm, der fast ausnahmslos wunschlos glücklich macht. Der womöglich stärkste und interessanteste Bonddarsteller von allen liefert einen grandiosen Einstand, der gleichermassen typische Eigenschaften der Reihe erfüllt wie auch immer wieder in der Ausprägung eigene Wege geht, was auf den Film als Ganzes genauso zutrifft wie auf Daltons Verkörperung des Doppelnull-Agenten. Mit ihrem fünfzehnten Streich ist den Machern die herrliche und funktionierende Gratwanderung zwischen zeitgenössischem Spionagefilm auf der einen und symptomatischem Bond-Abenteuer auf der anderen Seite gelungen. Die Charaktere fügen sich trotz vergleichsweise wenigen oberflächlichen Alleinstellungsmerkmalen sehr gut in den Filmfluss ein und John Barry setzt dem Ganzen mit seinem möglicherweise besten Soundtrack die Krone auf. Viel mehr kann man doch fast nicht verlangen, oder?
Wertung: 9 / 10
Re: Bondfilm-Rezensionen - user: GoldenProjectile
16We'll always have Marburg
Let the sheep out, kid.
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