Re: Zuletzt gesehener Film

8431
Samedi hat geschrieben:
Casino Hille hat geschrieben:Oldman macht das so super, ich brauche da keinen Synchronsprecher.
Eben weil Oldman das "so super" macht, ist es doch gut, dass es auch eine deutsche Fassung des Films gibt.
Das widerspricht sich etwas finde ich.
Wenn Oldman hervoragend ist, wieso sollte es die deutsche Synchro auch sein?
"Lasst mich mit Eurer Meinung in Ruhe. Ich diskutiere nur Fakten, die ich selber als solche definiere."

Re: The noblest art is that of making others happy

8432
Casino Hille hat geschrieben:Greatest Showman

Es ist ein herrliches Bild, mit dem „Greatest Showman“ eröffnet: Ein johlendes und stampfendes Publikum starrt auf die leere Zirkusmanege, während hinter ihnen für sie unsichtbar ein silhouettenhafter Mann in tänzerischen Bewegungen ihre Begeisterungskurve wie ein Puppenspieler zu lenken scheint. Leise, fast hypnotisierend säuselt er: „Ladies and gents, this is the moment you’ve waited for.“ Danach bricht in dem Zirkuszelt ein Inferno los. Akrobaten, wilde Tiere, Schausteller in allen Größen und Formen wirbeln durch die Gegend und präsentieren eine gigantomanische Bühnenshow. Und die Zuschauer? Sie jubeln im Chor: „This is the greatest show!“ – Jedem anderen Film würde man gar Hybris vorwerfen, sich selbst so anzukündigen. Doch Regiedebütant Michael Gracey verspricht nicht zu viel. Er hält das Niveau des brillanten Einstiegs konstant 105 Minuten lang und präsentiert den besten Musicalfilm seiner Generation.

Selten hat sich die große Leinwand so bezahlt gemacht wie hier: „Greatest Showman“ ist weniger Film als ein Erlebnis, ein perfekt inszenierter audiovisueller Rausch, der jeden Freund opulenter Bildgestaltung tief in den Sessel drücken wird. Die Handlung rund um die Erfindung des Zirkus-Geschäfts orientiert sich sehr lose an der wahren Biografie des Entertainers P.T. Barnum, doch Gracey erhebt für sich nie den Anspruch, eine wahre Geschichte zu erzählen. Der Vorwurf, die Historie zu schönen, wäre jedoch fehl am Platz: Auf höchst ansprechende Weise zieht die Regie die gesamte Erzählung selbst als „Show“ auf und entlarvt sich gekonnt immer wieder selbst ob ihrer Künstlichkeit. Als in einer Sequenz Barnum und seine Frau über die Dächer von New York tanzen, ist der Hintergrund der New Yorker Skyline inklusive überdimensional großem Mond so überdeutlich ein Gemälde, dass der Zuschauer hier bewusst einen Bruch der Vierten Wand erfahren soll. Barnum, der Zeit seines Lebens immer als „Trickster“ kritsiert wurde, der das Publikum nur täusche, erfährt hier sein filmisches Äquivalent: „Greatest Showman“ schreit immer wieder nach Bühnenkulissen und sucht die offensichtliche Illusion, und zementiert gerade darin seine Aussage ganz im Sinne seines großen Vorbilds: Nicht die Show muss echt sein, sondern die Gefühle, die ihre Macher darin verwirklichen und im Betrachter somit auslösen können. So erweist sich das bildgewaltige Musical als eine Liebeserklärung an die Kunst und das Showbusiness, in dem Wahrhaftigkeit der Zweck und Illusion das Mittel ist.

Abartig gut ist, wie dieser Stoff als moderner Musicalfilm funktioniert. Nicht umsonst avancierte der phänomenale Soundtrack bereits vor Veröffentlichung des Films zum Charteroberer: Jeder der neun Songs erweist sich als musikalische Granate! Die Genrevielfalt, mit der die Kompositionen aufwarten, ist famos: Moderner Pop wird nonchalant mit Rock kombiniert, wo an anderer Stelle operettenhafte Balladen geschmettert werden. Alles wichtige wird vorbildlich über die Melodien, die Texte und die Choreographien transportiert. „Come Alive“ ist eine Ode an den Eskapismus, „A Million Dreams“ beschwört die Macht der Fantasie, während „The Other Side“ das Für- und Wider des Showgeschäfts äußerst stimmig abwägt. Doch was wären die Ohrwurm-starken Songs ohne entsprechende Interpreten? Hier muss man seiner Euphorie freien Lauf lassen und ein großes Lob verpacken: Ohne Hauptdarsteller Hugh Jackman würde der Film wohl rund 60 Prozent seiner Magie einbüßen. Jackman, der seinerseits über ein halbes Jahrzehnt hinweg versuchte, den Stoff ins Kino zu bringen, steckt so viel Herzblut in seine facettenreiche Darstellung, dass nicht nur jeder Filmaward gerechtfertigt wäre, sondern man diese Performance schon nach dem „Greatest Show“-Opener als die beste Leistung seiner Karriere ausweisen muss. Gesanglich agiert er durchgehend auf Broadway-Niveau und jede Sekunde seiner Leinwandzeit wird zum puren Genuss für Auge und Ohr. Eine der großen Leistungen ihrer Zeit! In weiteren Rollen überraschen besonders die ehemaligen Disney-Stars Zendaya und Zac Efron, die mimisch (besonders erstere) überaus ausdrucksstark den obligatorischen Romantik-Part spielen, und den visuellen Höhepunkt des Films porträtieren, als sie ihren Song „Rewrite the Stars“ performant an einem Trapez bei surrealer Bedeutung an- und miteinander durch die Lüfte schwingen.

Abgerundet wird der Cast durch drei Damen: Rebecca Ferguson, die sich als Opernsängerin Jenny Lind für die komplexe Ballade „Never Enough“ von Pop-Star Loren Allred stimmlich doublen lässt, ist ebenso hinreißend anzusehen wie Michelle Williams, die mit „Tightropes“ die klassischste Musical-Nummer meistert und als Barnums Ehefrau den wohl emotional komplexesten Part verkörpert. Eine wahre Entdeckung ist Keala Settle: Sie spielt eine der Schaustellerinnen des Zirkus‘ und leistet stimmlich in ihrem Song „This is me“ eine Meisterleistung. Der Song ist kompositorisch wie gesanglich ein unangefochtenes Meisterwerk. Neben seiner Hommage an Bühnenshows hat es nämlich noch eine zweite Message: Steht zwar Barnum im Zentrum, vergisst der Film nie, auf wessen Leistungen sein Erfolg beruht. Es sind die „Freaks“, die Außenseiter der Gesellschaft, denen sich Gracey verpflichtet fühlt. Kleinwüchsige, beharrte Primadonnen und dunkelhäutige Artisten sind die, die das Interesse des Zirkus-Publikums wecken. Hier finden jene Anerkennung und Bestimmung, denen dies im Privatleben nie vergönnt war. Eine Botschaft, deren Aktualität außer Frage steht. Trotz zeitgenössischer Musik und Message ist der überzeugenden Kostümarbeit sei Dank das Zeitkolorit schön eingefangen. Angemessen funkelnd, aber nicht zu unangebracht protzig glänzend können hier Kleider, Fracks und Zirkusgarderoben bestaunen. Das alles ist – auch narrativ – leichtfüßig, aber gerne im richtigen Rahmen dramatisch ausschraffiert. Große Kunst, das sagt „Greatest Showman“, ist alles, was die Augen zum Leuchten bringt. Und wessen Augen hier nicht leuchten, der muss sie für das Gesamtbild wohl verschlossen haben.

Fazit: Spätestens, wenn Hugh Jackman in „From now on“ auch das letzte trockene Auge zum erweichen bringt, weiß man, dass „Greatest Showman“ der Film sein wird, an dem sich andere Genrevertreter die nächsten Jahre messen müssen. Michael Gracey vollbringt ein Meisterwerk, eine einmalige Renaissance der Showkultur. Er geht back to the roots: Nicht das große Geld, sondern Familie, Freundschaft, Liebe und Spaß stehen im Vordergrund. Diesen Trip will man sofort ein zweites Mal erleben. Um dann mit dem Zirkus-Publikum im Chor zu jubeln: „This IS the greatest show!“

10/10

http://derkinoblog.de/greatest-showman-kritik/
Genau so habe ich das auch erlebt. Als ich gestern im Kino war, gab es eine Frau, die bitterlich geweint hat. Es ergreift einen u.a. durch die Songs, aber auch durch die schauspielerische Leistung von Hugh Jackman. Damit hat er sich sein Lebenswerk geschaffen!
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Re: Zuletzt gesehener Film

8433
Starlight hat geschrieben:
Samedi hat geschrieben:
Casino Hille hat geschrieben:Oldman macht das so super, ich brauche da keinen Synchronsprecher.
Eben weil Oldman das "so super" macht, ist es doch gut, dass es auch eine deutsche Fassung des Films gibt.
Das widerspricht sich etwas finde ich.
Wenn Oldman hervoragend ist, wieso sollte es die deutsche Synchro auch sein?
Hab ich doch gar nicht geschrieben. Ich habe nur angemerkt, dass es gut ist, wenn es für gute Filme (bzw. Filme mit starken Darstellerleistungen) auch eine deutsche Fassung gibt. Hille sieht das ja offenbar anders.

Jeder kann natürlich für sich entscheiden, wie er bestimmte Filme oder Serien konsumiert. In der OV oder mit Synchro.

Aber nur weil ein Darsteller mal gut spielt, auch nur den Versuch einer Synchro abzulehnen (Hille hat den Film in der deutschen Fassung ja noch gar nicht gesehen und wird das vermutlich auch nicht) finde ich schon recht kurios. Dass dann auch noch die Rede ist, dass Schenk den Film sowieso kaputtmachen wird, setzt dem ganzen noch die Krone auf. :roll:
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Re: The noblest art is that of making others happy

8434
Starlight hat geschrieben:Als ich gestern im Kino war, gab es eine Frau, die bitterlich geweint hat.
Ja, das sind die Emotionen, die der Film wecken kann. Und die, um die es im Kino oder überhaupt in der Unterhaltungsindustrie hauptsächlich geht (was Teil seiner Aussage ist). "When the world becomes a fantasy | And you're more than you could ever be | 'Cause you're dreaming with your eyes wide open" heißt es im Refrain von "Come Alive" und das fasst die ganze (überaus sympathische) Intention des Musicals perfekt zusammen. D'accord auch zu Hugh Jackman, der schon lange der "Greatest Showman" in Hollywood ist, es aber noch nie so offenkundig bewies wie hier und sich nun folgerichtig selbst verewigen konnte. Das er dabei (genau wie der Film) komplett an der historischen Wirklichkeit vorbei geht: Geschenkt! Es ist sogar Teil des Systems, des Konzepts. Der Film will keine Nacherzählung sein, sondern ein Traum. Mit offenen Augen.
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.

Re: Zuletzt gesehener Film

8435
Samedi hat geschrieben:Hab ich doch gar nicht geschrieben. Ich habe nur angemerkt, dass es gut ist, wenn es für gute Filme (bzw. Filme mit starken Darstellerleistungen) auch eine deutsche Fassung gibt. Hille sieht das ja offenbar anders.

Jeder kann natürlich für sich entscheiden, wie er bestimmte Filme oder Serien konsumiert. In der OV oder mit Synchro.

Aber nur weil ein Darsteller mal gut spielt, auch nur den Versuch einer Synchro abzulehnen (Hille hat den Film in der deutschen Fassung ja noch gar nicht gesehen und wird das vermutlich auch nicht) finde ich schon recht kurios. Dass dann auch noch die Rede ist, dass Schenk den Film sowieso kaputtmachen wird, setzt dem ganzen noch die Krone auf. :roll:
Ich würde mal sagen, jedem sei seine eigene Meinung gegönnt. :wink:
Casino Hille hat geschrieben:Ja, das sind die Emotionen, die der Film wecken kann. Und die, um die es im Kino oder überhaupt in der Unterhaltungsindustrie hauptsächlich geht (was Teil seiner Aussage ist). "When the world becomes a fantasy | And you're more than you could ever be | 'Cause you're dreaming with your eyes wide open" heißt es im Refrain von "Come Alive" und das fasst die ganze (überaus sympathische) Intention des Musicals perfekt zusammen. D'accord auch zu Hugh Jackman, der schon lange der "Greatest Showman" in Hollywood ist, es aber noch nie so offenkundig bewies wie hier und sich nun folgerichtig selbst verewigen konnte. Das er dabei (genau wie der Film) komplett an der historischen Wirklichkeit vorbei geht: Geschenkt! Es ist sogar Teil des Systems, des Konzepts. Der Film will keine Nacherzählung sein, sondern ein Traum. Mit offenen Augen.
Sehr schön formuliert. :)
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Re: Zuletzt gesehener Film

8437
Samedi hat geschrieben:
Starlight hat geschrieben:Ich würde mal sagen, jedem sei seine eigene Meinung gegönnt. :wink:
Und vor allem sei jedem die Sprachfassung gegönnt, die man sehen möchte. :wink:
Logisch, das natürlich auch. :)
"Lasst mich mit Eurer Meinung in Ruhe. Ich diskutiere nur Fakten, die ich selber als solche definiere."

Re: Zuletzt gesehener Film

8438
Nach langer Zeit wieder mal im Kino: Downsizing

Grundsätzlich interessante/witzige Idee und genauso hat der Film eigentlich auch ganz kurzweilig begonnen, leider wirds aber ab ca. der Hälfte überaus abstrus und der Film nimmt dann plötzlich eine ziemlich eigenartige Wendung, mit fast schon nervigen Figuren (der asiatischen Freiheitskämpferin) und sektenähnlichen Handlungssträngen. Da helfen auch Waltz und Damon nicht mehr...

5/10
Bond... JamesBond.de

Liebling, ich habe den Kapitalismus geschrumpft!

8439
Downsizing

„Wachstum ist gut“, sagte der Luftballon und platzte. In diesem Sinne: Willkommen im Turbokapitalismus des 21. Jahrhunderts! Größer ist besser, Wachstum ist Wohlstand. Was aber, wenn alle Ressourcen irgendwann aufgebraucht sind, die Natur vollends ausgebeutet? Dann steht der Untergang der Menschheit schneller als gedacht bevor. In Norwegen, dem Land des Fortschritts, findet ein Wissenschaftler eine Lösung: Ein Prozess, bei dem Menschen auf eine Größe von 12 cm geschrumpft werden. Schnell wird daraus ein populäres Konzept – Wer winzig klein ist, lebt im Überfluss, hat unendlich Geld zur Verfügung, kann extrem platzsparend in riesigen Häusern wohnen und verbraucht kaum Strom, Nahrung etc. Die Utopie als Miniaturausgabe. Diese verrückte Idee dient Regisseur Alexander Payne für seine Sci-Fi-Parabel „Downsizing“ als Aufhänger, in der er das Verhältnis zwischen technischem Fortschritt und Gerechtigkeitsempfinden buchstäblich unter die Lupe nimmt.

Wie die meisten Filme, die das Thema des Schrumpfens in den Mittelpunkt stellen, so zieht auch „Downsizing“ seine visuelle Faszination aus dem Effekt der Disproportion, soll heißen: Durch die Gegenüberstellung der Schrumpfwelt mit der der Normalgroßen entstehen asymmetrische Größenverhältnisse. Von dieser Vorstellung lässt sich auch der Protagonist Paul anstecken. Matt Damon spielt diesen Paul als den alltäglichen US-„Everyman“. Sein piefiger Biedermeier-Charme, den Damons Kritiker ihm gerne attestieren, kommt ihm hierbei zu Gute. So wird er zur beinahe gesichtslosen Projektionsfläche des Zuschauers, der mit ihm in das luxuriöse Leben der Miniaturwelt Leisureland einsteigt. Dieser Einstieg, für den Payne sich viel Zeit lässt, zeugt von einem hohen Detailgrad an aufwändigem World Building. Das ganze erste Drittel seines 135 Minuten langen Films verwendet der Regisseur dafür, den Schrumpfprozess in aller Ausführlichkeit zu beleuchten. So müssen Paul sämtliche Körperbehaarungen und Zahnprothesen entfernt werden (da diese nicht mitschrumpfen), später wird er dann zusammen mit den anderen Geschrumpften auf viel zu großen Betten liegend von den Angestellten mit einem Pfannenwender weiter transportiert. Payne setzt in diese langen Sequenzen immer wieder auf Aufnahmen aus der Vogelperspektive, wahrt Distanz zum Geschehen und spielt – als Wink mit dem Zaunpfahl – ausgerechnet die „Badinerie“ von Johann Sebastian Bach im Hintergrund. Die Message ist klar: „Downsizing“ ist ein Gedankenspiel, eine filmische alternative Weltenrettungsmethode. Payne weiß das und nimmt gekonnt selbstironisch möglichen Glaubwürdigkeitsdefiziten jeden Wind aus den Segeln. Beeindruckend inszeniert!

Dennoch weiß er der Materie dramatisches Potential abzugewinnen: Als Paul erfährt, dass Ehefrau Audrey spontan einen Rückzieher gemacht hat, fällt er in ein tiefes Loch. Leider in eines, aus das auch der Film sich nicht mehr erholen mag. Statt in Folge dessen Pauls langsame Akklimatisierung in der künstlichen Umwelt in den Vordergrund zu rücken, macht Payne einen Zeitsprung. Nach über einem Jahr stellt Paul nun fest, dass auch Leisureland keine schöne neue Welt ist. Auch hier gibt es Elendsviertel, in denen Zwangsgeschrumpfte ein trostloses Dasein fristen oder als Haushaltssklaven für den oberen Mittelstand der Wohlfühlgemeinschaft dienen. „Downsizing“ spricht in Folge dessen wichtige Themen an: Überbevölkerung, Urbanisierung, Klassenantagonismen. Doch keines von ihnen wirkt je wirklich zu Ende gedacht, schlimmer noch verschwendet er dafür seine eigens erdachte Prämisse. Alle Probleme, denen Paul in Leisureland begegnet, hätten genauso auch in der normalen Welt stattfinden können. Während Payne glaubt, diese Erkenntnis als wirksame Desillusionierung einsetzen zu können, kommt eher der Eindruck auf, das eigentliche Potenzial der geschrumpften Welt würde nicht genutzt werden. Zu Konflikten zwischen den „Großen“ und den „Kleinen“ kommt es nicht, die als Ehefrau Pauls lange etablierte Kristen Wiig verschwindet mit einem Mal völlig aus dem Film. Die neu eingeführten Charaktere, insbesondere die Menschenrechtskämpferin Ngoc Lan, bleiben blass und teils inkonsequent gezeichnet. Besonders schwer trifft das den als Pauls serbischen Nachbar auftretenden Christoph Waltz: So sehr es auch Spaß macht, den toll aufspielenden Waltz als regelmäßigen Gastgeber wilder Partys zu erleben, so wenig führt seine Figur irgendwo hin. Anfangs scheint er eine Symbolfigur für globalisierten Hedonismus zu sein, später taugt er nur noch für plumpe Lacher und steht tatenlos im Bildhintergrund herum.

Das eigentliche Problem aber ist nicht, dass „Downsizing“ – ist Paul erstmal geschrumpft – keinen Fokus auf ein übergeordnetes Thema oder eine stringente Story entwickelt. Schwerwiegender fällt auf, dass daraus auch ein Genre-Durcheinander resultiert, der zwar durch seine willkürliche Dramaturgie interessant anzusehen ist und erst recht überrascht, wenn das letzte Drittel gar apokalyptische Züge annimmt, aber an sich selbst vorbei läuft. Suggerieren frühe Gastauftritte von Komikern wie Neil Patrick Harris und Jason Sudeikis einen Komödien-Anstrich, wird der Film mit zunehmender Laufzeit merklich schwerfälliger, ohne konkret etwas dabei auszusagen. Vielleicht ist es auch ein Problem, dass Paul (mit so viel gekonntem Understatement Damon ihn auch zu spielen weiß) schlicht zu langweilig bleibt. Da hilft es auch nicht, dass er im Laufe der Handlung den nächstenliebenden Altruismus für sich entdeckt. Der Kerngedanke des Plots wirkt so zwar: Wer im echten Leben keine große Nummer war, der ist es auch in der geschrumpften Welt nicht. Allerdings dauert es deutlich zu lange, diese Botschaft zu entwickeln. Die wirklich interessanten Themen der Welt reißt Payne nur beiläufig in fiktiven TV-Reportagen an: Analog zu überfüllten Flüchtlingsbooten reisen geschrumpfte Flüchtlinge nun in kaputten Flatscreens durch die Welt, während Zentimeter große Terroristen unbemerkt jedwede Grenzen überqueren können. Tolle Ideen, die ganze Filme füllen könnten, hier aber leider nur Ideen bleiben.

Fazit: Der Anfang verspricht großes, doch sobald Alexander Payne und Co-Autor Jim Taylor ihren Protagonisten schrumpfen, verkommt „Downsizing“ ironischerweise zum leicht übersehbaren Moralstück, welches ohne den Sci-Fi-Aufhänger niemanden hinter dem Ofen hervorgelockt hätte. Die erzählerische Unentschlossenheit sorgt zwar für manche Überraschungen, sodass der Film trotz langer Laufzeit kurzweilig ausfällt, darüber hinaus aber keinen echten Nährwert bietet.

5/10

http://derkinoblog.de/downsizing-kritik/
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Re: Liebling, ich habe den Kapitalismus geschrumpft!

8440
Casino Hille hat geschrieben:Statt in Folge dessen Pauls langsame Akklimatisierung in der künstlichen Umwelt in den Vordergrund zu rücken, macht Payne einen Zeitsprung. Nach über einem Jahr stellt Paul nun fest, dass auch Leisureland keine schöne neue Welt ist.
Ich fand die Idee eigentlich interessant: Die Menschen werden kleiner, und so sollen Probleme ebenfalls kleiner werden; stattdessen werden die Probleme bald aber die gleichen sein, wie in der normalen Welt. Aber offenbar hat Downsizing genau darin versagt, was der Reiz des Films hätte werden sollen: Statt zu entwickeln, wie erst Hoffnungen in das Projekt gesetzt und die dann nach und nach enttäuscht werden, wie die Utopie der gewohnten Alltagsrealität weicht. nimmt sich der 135-min. Film offenbar schlicht für die falschen Sachen Zeit.

Und eine vernünftig besetzte Hauptrolle hätte ihm wohl auch gut getan, mit Damon (pun intendet) als Lead schau ich mir den wohl gar nicht erst an.

Eine Frage: Wie groß ist der SciFi-Anteil an Downsizing? Offenbar doch relativ groß, dafür dass er quasi unwichtig ist?
It's the BIGGEST... It's the BEST
It's BOND

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Re: Zuletzt gesehener Film

8441
Ich fand die Idee eigentlich interessant: Die Menschen werden kleiner, und so sollen Probleme ebenfalls kleiner werden; stattdessen werden die Probleme bald aber die gleichen sein, wie in der normalen Welt.
ja, ich fand diese Idee auch sehr interessant und genau deswegen,habe ich ihn mir auch angesehen. Leider nimmt der Film dann aber eine ganz, ganz eigenartige Wendung, und es geht dann eigentlich gar nicht mehr um's Downsizen. Der Film will dann irgendwie mehr sein, ist aber einfach viel zu schlecht geschrieben und gemacht, als würde das so funktionieren. Schade, die Grundidee hätte Potential gehabt, da hätte man mehr daraus machen können.
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Re: Liebling, ich habe den Kapitalismus geschrumpft!

8442
Thunderball1965 hat geschrieben:Die Menschen werden kleiner, und so sollen Probleme ebenfalls kleiner werden; stattdessen werden die Probleme bald aber die gleichen sein, wie in der normalen Welt.
Ja, etwa das will Downsizing erzählen. Das Problem ist aber in meinen Augen (und so habe ich es in meiner Rezension ja auch ausgeführt), dass Payne sich eher für die Probleme in der geschrumpften Welt interessiert, als zu untersuchen, warum der Mensch selbst mit der Chance auf einen Neuanfang wieder in alte Verhaltensmuster zurückfällt. Stattdessen präsentiert einen bunten Blumenstrauß an sicherlich interessanten Themen, die aber alle nur angerissen werden und vor allem gar keinen Kontext zum Schrumpf-Thema haben. Soll heißen: Streicht man aus "Downsizing" die erste Stunde, hat man einen gesellschaftskritischen 75 Minüter, bei dem niemand auf die Idee käme, ihn als Sci-Fi-Film zu bezeichnen. Wohlüberlegt sieht einfach anders aus. Es ist wie du sagst: Es wird eben nicht gezeigt, wie die Utopie in einer schrittweise Entwicklung nach und nach dem Alltag weicht, sondern gerade als Paul (alias Damon) in Leisureland angekommen ist, blendet die Regie "Ein Jahr später" ein. Wir sehen nicht, wie Paul in dieser Welt zurecht kommt und sich an sie gewöhnt und wir sehen auch nichts über die gesellschaftliche Entwicklung der Little People (auch deshab, weil zu Beginn des Plots, als Damon sich verkleinern lässt, Leisureland bereits eine lange laufende, gut geölte Maschine ist).
Thunderball1965 hat geschrieben:Eine Frage: Wie groß ist der SciFi-Anteil an Downsizing? Offenbar doch relativ groß, dafür dass er quasi unwichtig ist?
Nun ja, der expositionelle Teil nimmt etwa 40 Prozent des Films ein und zeigt das "Downsizing" sehr detailliert. Das ist auch der beste Teil des Films: Sein World Building. Wie aber bereits gesagt macht der Film aus seiner Sci-Fi-Zugehörigkeit nicht viel und nutzt das Gedankenspiel nicht, um sich daraus klar zu artikulieren oder zu positionieren. Spätestens wenn der Film zum Ende hin recht apokalyptisch-melancholisch ausfällt, atmet das zwar viel Genre-Luft, steht aber im krassen Kontrast zur vorherigen Stimmung und eigentlichen Geschichte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

8443
Irgendwie will ich es immer noch nicht so recht glauben, dass Payne tatsächlich auch mal daneben schlagen könnte. Aber eure Kritiken klingen wirklich nicht gut und irgendwie hatte ich angesichts des Themas auch schon im Vorfeld ein merkwürdiges Gefühl. Ich wollte ihn mir eigentlich im Kino anschauen, werde das jetzt aber wohl doch ins Pantoffelkino verschieben.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Zuletzt gesehener Film

8444
Nun, wenn du den Film unbedingt anschauen wolltest, geh doch trotzdem rein. Lass dir nicht von uns Griesgramen ( :wink: ) einen möglicherweise schönen Kinobesuch verderben.

Ich persönlich schätze Payne als ambitionierten Regisseur durchaus, imo hat er sich mit Downsizing (dem man die Ambitionen dennoch anmerkt) aber übernommen oder vergaloppiert.
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