Henrik hat geschrieben: 29. Juli 2019 21:23
Kürzlich habe ich mal wieder DAD gesehen.
Ich habe es dir gleich getan und mich mal wieder darüber gewundert, wie oft Purvis & Wade in ihren Drehbüchern Plotbausteine einführen, ohne diese später wirklich zu nutzen (oder bezahlt zu machen). Im Englischen spricht man bei einem narrativen Element, dass nur dazu eingeführt wird, später noch ein zweites Mal Verwendung zu finden von Foreshadowing, da etwas bereits vor dem eigentlichen Ereignis seinen erzählerischen Schatten wirft (ein Beispiel: In Quentin Tarantinos "Reservoir Dogs" sitzen zu Beginn des Films alle wichtigen Figuren in einem Lokal am Tisch und einer von ihnen weigert sich am Trinkgeld zu beteiligen. Daraufhin wird er von einem der anderen verpetzt - genau dieser Charakter entpuppt sich später im eigentlichen Filmverlauf als der Polizeispitzel innerhalb der Truppe. Sein erster Verrat ist also Foreshadowing für seine spätere Rolle im Film). Und der berühmte russische Autor Anton Chekhov wird zitiert mit: "Wenn du im ersten Kapitel erwähnst, dass ein Gewehr an der Wand hängt, dann sollte es im zweiten oder dritten Kapitel abgefeuert werden. Wenn es nicht benutzt wird in der Geschichte, sollte es da auch nicht hängen."
Purvis & Wade aber hängen in DAD mehrfach Gewehre an die Wand, die überhaupt keine spätere Verwendung finden - oder deren letztliche Verwendung gemessen an den Möglichkeiten schlicht enttäuschend sind. Das Bondsche Äquivalent zu Chekhovs Gewehr wären u.a. die Q-Gadgets, die stets eingeführt werden, um später in einem ganz spezifischen Fall zum Einsatz zu kommen. Und hier komme ich nicht umhin festzustellen, dass kaum ein Q-Gadget so enttäuschend ausfällt wie der unsichtbare Aston Martin. Dabei hat mich an dem Auto noch nie gestört, dass es sich den Blicken der umstehenden Personen entziehen kann. Weiter hergeholt als genügend andere Bond-Vehikel ist das sicher auch nicht. Aber der Einsatz des "Vanish" in DAD bleibt sträflich hinter seinen Möglichkeiten zurück. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Superspion 007 bekommt einen fahrbaren Untersatz, der sich wortwörtlich unsichtbar machen kann - und trotzdem wird das Auto nie für echte Spionageaktionen genutzt. Einmal fährt er zwei Typen im Schritttempo hinterher (wozu braucht es da das Auto?) und einmal nutzt er es, um Zao im Eispalast auszuweichen. That's it. Die restliche Zeit des Films ist der Wagen so sichtbar wie jedes andere Bond-Car. Wieso? Ein unsichtbares Auto bietet so viele Möglichkeiten, Bond als High-tech-Agenten auftreten zu lassen, doch dieses Q-Gimmick scheint seine Tarnkappenfunktion überhaupt nur für den "Vanish"-Gag von John Cleese alias R zu haben.
Selbiges gilt für die prinzipiell sehr spannende VR-Simulation, in der Bond im MI6-Hauptquartier eine tote Moneypenny vorfindet und in M's Büro in eine Pattsituation gerät, in der er seine als Geisel genommene Chefin anschießen muss, um ihr Leben zu retten. R kritisiert seine Entscheidung und stellt in Frage, ob es nicht einen besseren Weg gegeben hätte, diese Situation zu lösen. Ein spannendes Szenario, denn von nun an lässt sich erahnen, dass Bond im Verlauf des Films nochmal in eine ähnliche Situation kommen wird, und dort womöglich einen anderen "besseren" Weg findet, um dieses Problem zu lösen (ähnlich wie der Protagonist in Alfred Hitchcocks düsterem Meisterwerk "Vertigo", der zweimal im Film denselben Kirchturm zu erklimmen versucht: beim ersten Mal hindert ihn seine Höhenangst, beim zweiten Mal überwindet er sie). Doch: Nichts da. Die gesamte VR-Sequenz spielt im Verlauf des Films keine Rolle mehr und entpuppt sich im Nachhinein als nur zu dem Zweck eingeführt, zum 40. Jährigen Jubiläum endlich Bond und Moneypenny sexuell zu vereinen, ohne es die Figuren direkt "tun" zu lassen, da sich die Szene als wenig plausible VR-Vorstellung Moneypennys entpuppt (hat Q ihr das programmiert? Kann sie die Simulation selbst steuern???).
Solche dramaturgisch ins Leere laufenden Plotbausteine finden sich erstaunlich oft in Purvis & Wade Scripten (CR: Warum erfährt Le Chiffre nie, dass Bond der war, der den Anschlag auf das Flugzeug verhinderte? Es ist gerade Bond, der Chiffre überhaupt in seine missliche Lage gebracht hat, doch der Film hat das ab Beginn der Romanhandlung von Fleming völlig vergessen!; SF: Wir sehen 007 konstant mit Fitnessproblemen behaftet (die anstrengenden Klimmzüge, das Hängen am Fahrstuhl in Shanghai), doch in der zweiten Hälfte ist das vollkommen irrelevant und Bond's Handicap wird nie wieder herausgefordert und überwunden), aber bei keinem Bond ist es so verheerend wie in DAD. Und das ist imo einer der Hauptgründe wieso das unter Fans so verhasste unsichtbare Auto wirklich nicht funktioniert. Weniger an der Übertreibung ins vollends fantastische, welche die Errungenschaften der CGI-Technik eben hergaben, sondern wegen des Versprechen, dass DAD gibt aber nie vorhat einzulösen.