Re: Zuletzt gesehener Film

10876
Maibaum hat geschrieben: 29. März 2025 17:03 Hmmm, welches ist denn der Mittelmäßige? Die Grisham Verfilmung?
Ja, genau. Eine merkwürdige Wahl, eigentlich genau die Art Film, die Altman sonst nie gemacht hat. Vielleicht hat er sich ja auch gerade deshalb dran versucht. Hab Gingerbread Man erst vor kurzem nochmal ne Chance gegeben, aber es bleibt dabei: der Film ist einfach schrecklich konventionell und schrecklich vorhersehbar. Hat außerdem praktisch nichts von dem, was ich sonst an Altman schätze.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10877
Im Kino: "Creed jagd Vampire" wäre eine mehr als unfaire Verkürzung für dies unbedingte Empfehlung.

Blood and Sinners

Orgiastischer Mix aus Horror-, Gangster-, Action- und Historien-Film von Blockbuster-Regisseur Ryan Coogler, der die DNA afroamerikanischer (Musik-)Kultur in einem Mainstream-Rahmen verhandelt, den er permanent sprengt. Fulminant.

Wer heute das Ticket für einen Mainstream-Film löst, der kann sich darauf verlassen, dass er weder mit unliebsamen Überraschungen, noch mit dem Torpedieren der eigenen Erwartungen konfrontiert wird. Es wird geliefert wie bestellt, nicht immer in der gewünschten Qualität, aber garantiert ohne gewagte Experimente. Aus Sicht der primär monetär motivierten Studios ist diese Strategie zumindest verständlich, für den interessierten Zuschauer eher ein Armutszeugnis.
Vor diesem Hintergrund kommt es beinahe einer Sensation gleich, Ryan Coogler knapp 100 Millionen für seinen bis dato persönlichsten Film zu überlassen. Fairerweise muss zwar erwähnt werden, dass das Duo aus Regisseur Coogler und Hauptdarsteller Michael B. Jordan jeweils zwei Blockbuster aus dem Marvel- („Black Panther“, „Black Panther - Wakanda Forever“) sowie dem Rocky-Universum („Creed“, „Creed II“) vorweisen kann. Nur ist „Sinners“ weder Sequel, noch Franchise-Film und entzieht sich obendrein sogar jedweder Einordnung in klassische Genre-Schubladen. Ein Risiko-Projekt? Ganz sicher. Aber eines, dass vor strotzendem Selbstbewusstsein, Ideenreichtum und visueller Wucht kaum laufen kann. Eines, das man sich als Kinofreund nicht entgehen lassen sollte, denn außer Nolan und Tarantino darf sich niemand in dieser Liga austoben. Hier hat jemand eine Vision, die er mit einem Massenpublikum teilen will, eine Vision, die sich über Bilder und Musik entfaltet. Da darf es gern auch mal der große Pinsel sein ...

https://www.ofdb.de/film/389368,958922, ... rs/review/
http://www.vodkasreviews.de


https://www.ofdb.de/autor/reviews/45039/

Re: Zuletzt gesehener Film

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Blood & Sinners ist einer der eindrucksvollsten Filme des Jahres und hinterlässt einen bleibenden Eindruck – nicht nur visuell, sondern vor allem audiovisuell. Was Ryan Coogler hier geschaffen hat, ist ein ästhetischer Rausch, ein filmisches Erlebnis, das sich mit fast tranceartiger Intensität ins Gedächtnis brennt. Die Bildsprache, gepaart mit einem exzellent kuratierten Soundtrack und einem ebenso kraftvollen Score, erzeugt eine Atmosphäre, die sowohl hypnotisch als auch emotional aufwühlend ist. Der Film steigert sich dramaturgisch und emotional bis zu einem ekstatischen Finale – ohne dabei seine Figuren oder Themen aus den Augen zu verlieren.

Die Handlung ist in den 1930er Jahren im US-Bundesstaat Mississippi angesiedelt, zur Zeit der Großen Depression und inmitten der systematischen Rassentrennung der Jim-Crow-Ära. Der Film spielt in Clarksdale – einem Ort, durchdrungen von sozialer Ungleichheit und afroamerikanischer Geschichte. Der Blues – musikalisch wie kulturell – ist tief in diese Welt eingelassen: Ausdruck von Schmerz, Resilienz und Identität, Echo einer Gemeinschaft im Überlebenskampf.

Der Cast könnte besser nicht sein. Michael B. Jordan übertrifft sich selbst in einer herausragenden Doppelrolle, in der er Zwillinge zwischen Licht und Dunkel mit großer emotionaler Tiefe verkörpert – so gut wie nie zuvor. Besonders in seinen leisen Momenten offenbart er eine verletzliche Menschlichkeit, die unter die Haut geht. Er weiß beiden Figuren diverse Facetten zu geben, sie unterschiedlich, doch ähnlich zu machen und brilliert in den Rollen. Hailee Steinfeld überzeugt mit guter Leistung in einer fast schon Doppelrolle während Wunmi Mosaku der heimlicher Star des Films ist. Ihre Chemie mit Jordan ist großartig und trägt zur emotionalen Tiefe der Beziehung der beiden bei. Sie ist ein wichtiger, emotionaler Ankerpunkt für den Film.

Auch der Newcomer Miles Caton überzeugt auf ganzer Linie. Seine Figur durchläuft eine glaubwürdige, emotional greifbare Entwicklung, die ihn zum unerwarteten Herzstück des Films macht. Vor allem bei den letzten Szenen des Films wird dies nochmal klar. Generell zeigt sich der gesamte Cast homogen stark – es gibt keine Schwächen in der Besetzung, keine Fehltritte in der Figurenzeichnung. Jede Rolle trägt zum größeren Geflecht dieser düsteren Welt bei.

Regisseur Ryan Coogler nutzt die Mythologie des Vampirismus nicht nur zur atmosphärischen Ausschmückung, sondern als vielschichtige Metapher. Die Idee des Vampirs als Wesen, das sich andere Kulturen, Körper und Leben einverleibt, wird zur Allegorie auf die reale Vereinnahmung afroamerikanischer Identität. Blood & Sinners erzählt letztlich von der Gefahr der Assimilation – davon, wie eine unterdrückte Kultur nicht nur bekämpft, sondern auch vereinnahmt, aufgesogen, ausgelöscht werden kann. Coogler setzt dem die Musik als transzendente Gegenkraft entgegen: Sie verbindet, wo Sprache trennt, sie heilt, wo Gewalt zerstört – und sie erinnert, wo Geschichte vergessen werden soll.

Blood & Sinners ist ein filmisches Ereignis: kunstvoll, politisch, sinnlich und kraftvoll gespielt. Ein Film, der sich tief in die Sinne gräbt – und bleibt.

10/10

Re: Zuletzt gesehener Film

10880
Ja, ein Film dessen größte Stärke es ist in den Bann zu ziehen. Man wird torpediert mit Themen, Einflüssen etc. ohne davon erschlagen zu sein und wird in diesen audiovisuellen Rausch regelrecht hinein gesogen.

Ich muss zugeben, dass ich aufgrund des Trailers zunächst uninteressiert war. Ein weiter Horrorfilm im Vampirmilieu, nö, bitte nicht. Erst diverse US-Kritiken haben mich sehr neugierige gemacht und zum Glück habe ich mich aufgerafft.
http://www.vodkasreviews.de


https://www.ofdb.de/autor/reviews/45039/

Re: Zuletzt gesehener Film

10881
Kennt jemand den Film "Boss Level"? Der ist in 2020 völlig an mir vorbeigegangen (und am Rest der Welt offensichtlich auch).
Gestern mit Freunden geschaut.

Ich war positiv überrascht. Wer Deadpool mag und vielleicht auch Edge of Tomorrow hat hier die Möglichkeit beide Filme praktisch in einem zu sehen, denn Boss Level ist praktisch ein Amalgam aus beiden Filmen. Von Deadpool übernimmt man die Off Kommentare des Protagonisten und viel des zynischen Untertons sowie die Gewalt. Aus Edge of Tomorrow hat man die Idee um den sich ständig wiederholenden Tag der jedes Mal mit dem Tod endet, und bei dem der Protagonist mit jedem "Versuch" ein Stück weiter kommt. Auch in unzähligen weiteren Detail der Erzählung scheinen Ideen von Edge of Tomorrow (und damit auch Groundhog Day) durch.

Was mich auch bei diesem schon 5 Jahre alten Film fasziniert hat: Wie sehr Filme einfach VÖLLIG an der Öffentlichkeit vorbeigehen, selbst wenn (ex) Stars wie Mel Gibson oder (noch) Stars wie Naomi Watts mitspielen. Ach ja, Michelle Yeoh ist auch noch dabei.
Hauptdarsteller Frank Grillo macht seine Sache übrigens auch sehr ordentlich (ich kannte ihn nur aus der Nebenrolle bei den Avengers). Kann kaum glauben, dass der jetzt 60 Jahre alt ist
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Zuletzt gesehener Film

10882
Ja, ich hab den gesehen. Fand die erste halbe Stunde oder so richtig gut, aber dann passiert das, was vielen dieser Zeitschleifen-Filme passiert: es nutzt sich ab. Die Energie bleibt nicht konstant hoch, und wenn einen dann die Handlung nicht so richtig interessiert, gibt es nur noch mittelmäßige Dauer-Action. Kein schlechter Film, aber irgendwie hat er mich einfach nicht gekriegt. 5/10.
https://filmduelle.de/
https://letterboxd.com/casinohille/

Let the sheep out, kid.

Re: Zuletzt gesehener Film

10883
Sehe das absolut genau so. Der Film folgt auch genau dem Muster solcher Filme. Ich sagte irgendwann zu meinen Freunden "ah, jetzt kommt der schnelle Zusammenschnitt von ganze vielen "fails""
Man hat auch am Ende irgendwie das Gefühl, dass seine Ex irgendwie was zu verheimlichen hat. Einer meiner Freunde meinte "jetzt kommt raus, dass sie der Bösewicht ist". War aber nicht so.

dennoch, ich mochten den Hauptdarsteller und Mel. War ganz OK
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Zuletzt gesehener Film

10884
Der Brutalist (Brady Corbet)
Der Brutalist ist sicherlich ein ungewöhnlicher Film, den man in dieser Art nicht allzu häufig zu sehen bekommt. Die Idee, exemplarisch einen Menschen bzw. dessen Leben zu sezieren, um so die Auswirkungen extremer Traumata zu verdeutlichen mag nicht komplett neu sein, die Radikalität, mit der Regisseur Corbet dies umsetzt ist es dann aber doch irgendwie. Aufgrund seiner kühlen, distanzierten Herangehensweise, die quasi das filmische Äquivalent zum Architekturstil der Hauptfigur darstellt, ist der Film weniger Charakterstudie als mehr Charakterbeobachtung. Dies macht es dem Zuschauer nicht immer leicht einen emotionalen Zugang zu finden. Hier hilft es, dass Hauptdarsteller Adrien Brody seinen Brutalisten sehr facettenreich und verletzlich spielt und sich letztlich als grösster Trumpf des Films erweist. Die Sperrigkeit und betonte Langsamkeit verhinderten zumindest bei mir aber ein noch grösseres und eindrucksvolleres Filmerlebnis, wie sich auch nicht wirklich ein „den will ich unbedingt mal wieder sehen“-Effekt einstellte. Dennoch: ein sehenswerter, ungewöhnlicher und gelungener Film.
7 / 10

P.S. Im Vorfeld hatte ich aufgrund der mir vorliegenden Infos etwas in der Art von Istvan Szabos "Ein Hauch von Sonnenschein" erwartet und so ganz daneben lag ich mit meiner Vorabprognose dann auch nicht, da beide Filme thematisch einige Berührungspunkte haben - stilistisch dagegen aber sehr wenige. Beim Schauen dachte ich daher die ganze Zeit: der Brutalist mutet ein wenig an, als ob Kubrick den Szabo-Film gedreht hätte. Sicherlich ein etwas wackliger Vergleich, aber im Kern vielleicht gar nicht so verkehrt. Jedenfalls wäre das auch die Erklärung, warum mich der Film bei aller wahrgenommenen und unzweifelhaft vorhandenen Qualität nicht wirklich gepackt hat, nämlich die oft fast schon klinische Distanziertheit und das Fehlen einer echten emotionalen Bindung. Und da hat Szabos Film dann auch bei mir ganz klar die Nase vorn, da ihm gerade die emotionale Bindung an Figuren und Drama deutlich besser gelingt, auch weil Ralph Fiennes in seiner Dreifach-Hauptrolle wie um sein Leben spielt und vielleicht sogar die beste schauspielerische Leistung seiner Karriere abliefert (was angesichts des eindrucksvollen Oeuvre von Mr. Fiennes aber sicherlich diskutabel ist). Die fehlende emotionale Bindung mag per se kein negativer Punkt sein - insbesondere wenn es Teil des filmischen Gesamtkonzepts ist - aber zumindest bei mir führt dies - wie auch bei manchen Kubrick-Filmen - zu einer merkwürdigen Distanz nicht nur zu den Figuren (was gewollt ist bzw. sein kann), sondern auch zum Film an sich (was vermutlich eher nicht beabsichtigt ist).

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Re: Zuletzt gesehener Film

10885
Warfare (2025)
Regie: Ray Mendoza & Alex Garland

Basierend auf wahren Ereignissen erzählt Warfare die Geschichte einer Gruppe US-Soldaten während eines erbarmungslosen Einsatzes im Nahen Osten. Der Film verzichtet auf heroische Überhöhung oder patriotisches Pathos – stattdessen erleben wir rohe, ungeschönte Kriegsrealität. Es geht ums Überleben, um Angst, Erschöpfung und das emotionale Gewicht, das jede Sekunde im Einsatz mit sich bringt.

Ein junger, hochkarätiger Cast bringt diese Geschichte mit großer Intensität zum Leben. Joseph Quinn, ohnehin schon auf dem besten Weg zum Star, überzeugt mit einer starken, glaubwürdigen Leistung. Will Poulter, Michael Gandolfini, Cosmo Jarvis und Charles Melton liefern ebenfalls eindrucksvolle Auftritte und geben den Charakteren ein Gesicht. Die Schauspieler wirken durchweg glaubhaft – kein Pathos, kein Heldentum, sondern echte Menschen in Extremsituationen. Keiner ist ein Held, ein Übermensch oder wird sonst irgendwie in den Vordergrund gehoben oder unglaubwürdig in Szene gesetzt. Alles ist sehr stimmig.

Ray Mendoza – selbst Veteran – und Alex Garland führen mit sicherer Hand durch das Geschehen. Sie arbeiten eng mit Überlebenden des tatsächlichen Einsatzes zusammen, was dem Film spürbare Authentizität verleiht. Das zeigt sich besonders in der Inszenierung der Gefechte: roh, chaotisch, intensiv. Es geht nicht um coole Actionmomente, sondern um die brutale Realität, wie sie sich wohl in echten Feuergefechten abspielt. Da sitzt jede Kameraeinstellung, jeder Moment.

Das Sounddesign ist ebenfalls herausragend. Jeder Schuss, jeder Atemzug, jede Explosion oder Bewegung wird spürbar. Der Ton macht die Spannung körperlich erfahrbar – man fühlt sich mittendrin, als wäre man selbst Teil der Einheit, würde den Staub mit einatmen. Kamera und Schnitt verstärken diesen Eindruck zusätzlich: nah dran, ungeschönt, niemals effekthascherisch.

Warfare ist ein eindringlicher, schonungsloser Film. Keine Kriegsglorifizierung, keine klassischen Spannungsbögen, sondern ein ehrlicher, bedrückender Blick auf das, was junge Männer in Kriegsgebieten durchmachen. Und genau darin liegt seine Stärke.

8/10