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von Agent 009
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Blood & Sinners ist einer der eindrucksvollsten Filme des Jahres und hinterlässt einen bleibenden Eindruck – nicht nur visuell, sondern vor allem audiovisuell. Was Ryan Coogler hier geschaffen hat, ist ein ästhetischer Rausch, ein filmisches Erlebnis, das sich mit fast tranceartiger Intensität ins Gedächtnis brennt. Die Bildsprache, gepaart mit einem exzellent kuratierten Soundtrack und einem ebenso kraftvollen Score, erzeugt eine Atmosphäre, die sowohl hypnotisch als auch emotional aufwühlend ist. Der Film steigert sich dramaturgisch und emotional bis zu einem ekstatischen Finale – ohne dabei seine Figuren oder Themen aus den Augen zu verlieren.
Die Handlung ist in den 1930er Jahren im US-Bundesstaat Mississippi angesiedelt, zur Zeit der Großen Depression und inmitten der systematischen Rassentrennung der Jim-Crow-Ära. Der Film spielt in Clarksdale – einem Ort, durchdrungen von sozialer Ungleichheit und afroamerikanischer Geschichte. Der Blues – musikalisch wie kulturell – ist tief in diese Welt eingelassen: Ausdruck von Schmerz, Resilienz und Identität, Echo einer Gemeinschaft im Überlebenskampf.
Der Cast könnte besser nicht sein. Michael B. Jordan übertrifft sich selbst in einer herausragenden Doppelrolle, in der er Zwillinge zwischen Licht und Dunkel mit großer emotionaler Tiefe verkörpert – so gut wie nie zuvor. Besonders in seinen leisen Momenten offenbart er eine verletzliche Menschlichkeit, die unter die Haut geht. Er weiß beiden Figuren diverse Facetten zu geben, sie unterschiedlich, doch ähnlich zu machen und brilliert in den Rollen. Hailee Steinfeld überzeugt mit guter Leistung in einer fast schon Doppelrolle während Wunmi Mosaku der heimlicher Star des Films ist. Ihre Chemie mit Jordan ist großartig und trägt zur emotionalen Tiefe der Beziehung der beiden bei. Sie ist ein wichtiger, emotionaler Ankerpunkt für den Film.
Auch der Newcomer Miles Caton überzeugt auf ganzer Linie. Seine Figur durchläuft eine glaubwürdige, emotional greifbare Entwicklung, die ihn zum unerwarteten Herzstück des Films macht. Vor allem bei den letzten Szenen des Films wird dies nochmal klar. Generell zeigt sich der gesamte Cast homogen stark – es gibt keine Schwächen in der Besetzung, keine Fehltritte in der Figurenzeichnung. Jede Rolle trägt zum größeren Geflecht dieser düsteren Welt bei.
Regisseur Ryan Coogler nutzt die Mythologie des Vampirismus nicht nur zur atmosphärischen Ausschmückung, sondern als vielschichtige Metapher. Die Idee des Vampirs als Wesen, das sich andere Kulturen, Körper und Leben einverleibt, wird zur Allegorie auf die reale Vereinnahmung afroamerikanischer Identität. Blood & Sinners erzählt letztlich von der Gefahr der Assimilation – davon, wie eine unterdrückte Kultur nicht nur bekämpft, sondern auch vereinnahmt, aufgesogen, ausgelöscht werden kann. Coogler setzt dem die Musik als transzendente Gegenkraft entgegen: Sie verbindet, wo Sprache trennt, sie heilt, wo Gewalt zerstört – und sie erinnert, wo Geschichte vergessen werden soll.
Blood & Sinners ist ein filmisches Ereignis: kunstvoll, politisch, sinnlich und kraftvoll gespielt. Ein Film, der sich tief in die Sinne gräbt – und bleibt.
10/10