Casino Hille hat geschrieben: 10. Januar 2024 17:06
Ich sag ja nicht, dass das kein Kritikpunkt war. Ich hab bei Bekanntgabe der Castingentscheidung auch mit den Augen gerollt (wenngleich die Darstellerin letztlich das einzig halbwegs vernünftige an dem Quatschfilm war). Wenn wir das alleine als "Woke" zählen = okay. Für mich hat das erstmal mit "woke" nichts zu tun.
Es geht ja nicht um die Castingentscheidung an sich, sondern um den Hintergedanken. Eine dunkelhäutige Darstellerin zu besetzen ist per se selbstverständlich nicht woke. Es alleine aus Gründen der Repräsentation zu tun schon. Zumindest verstehe ich den Begriff und die Debatte so. Ich würde sagen, da geht es nicht um das was, sondern um das warum.
Casino Hille hat geschrieben: 10. Januar 2024 17:06
Aber wenn wir das als Teil davon sehen, okay, dann war "Wokeness" zumindest ein Teilgrund für den schlechter laufenden "Arielle" – obwohl wir umgekehrt nicht wissen können, ob es nicht genauso auch größere Publikumsteile an eher "woken" Zuschauen gab, die alleine deswegen den Film im Kino gesehen und unterstützt haben. "Black Panther" wurde auch zum Hit, weil sehr viel mehr schwarze Zuschauer in die Kinos strömten als sonst bei Marvel der Fall. Und ja, der Vergleich hinkt, aber halt nur ein bisschen.
Auch wenn ich verstehe, worauf du hinaus willst: Der Vergleich hinkt mehr als nur ein bisschen. "Black Panther" wurde zum Hit, weil mehr Afroamerikaner ins Kino gegangen sind und der ganze Rest kein bisschen weniger ins Kino gegangen ist. Wäre der Film von einer nennenswerten gruppe boykottiert worden hätte das auch anders aussehen können.
Die beiden Filme sind aber nun mal grundverschieden, weshalb "Arielle" keinen positiven Effekt auf irgendjemanden hatte. Im Gegenteil: Es gibt auch von Afroamerikanern Kritik an der Castingentscheidung, weil diese Form der "Ihr seid jetzt auch mal dran-Repräsentation" völlig am Ziel vorbei geht und unterrepräsentierten Gruppen rein gar nichts bringt und die meisten daher auch nicht interessiert. Black Panther war das Gegenteil davon und gerade deshalb hat es bei allen so gut funktioniert.
Casino Hille hat geschrieben: 10. Januar 2024 17:06
Gerade Filme, die mit großem Hype im Kino starten, haben auch eine entsprechende Fallhöhe. Wenn das Produkt dann nicht einen überwiegenden Teil des Publikums zufriedenstellt, kann das sehr schnell ins Gegenteil kippen. Das ist bei "Barbie" nicht passiert, obwohl die anti-woke-Gruppierung sicher ihr Interesse daran gehabt hätte.
Das ist alles richtig. Aber bei einem Film der eine überwiegend weibliche Zuschauerschaft in der jüngeren Generation hat und eben eine eigene Idee entwickelt anstatt eine bestehende Figur/Geschichte für seine Message zu benutzen, liegt es nahe, dass ein großer Teil der Zuschauer zufrieden gestellt werden konnte. Zumal Feminismus und "Wokeness" sicherlich Überschneidungen haben aber nicht unbedingt dasselbe sind.
Casino Hille hat geschrieben: 10. Januar 2024 19:06
Das ist Kapitalismus, Leute. Wenn sich woke sein nicht rechnen würde, würden sie es nicht machen.
Langfristig hast du mit dieser Aussage zumindest auf die Filmindustrie gesehen sicherlich recht. Kurzfristig muss das nicht so sein. Auch im Filmgeschäft gibt es definitiv einige Menschen, die eine Agenda haben, die sie voran bringen wollen. Lang- oder sogar mittelfristig wird der Kapitalismus dafür sorgen, dass sie ihren Posten verlieren werden, wenn sich der Erfolg nicht einstellt, teilweise ist das ja auch bereits zu beobachten. Aber zu glauben, dass einzelne Menschen (vor allem wenn sie es sich aufgrund ihres persönlichen Vermögens leisten können), nicht ideologiegetriebene Entscheidungen treffen können, die einem Unternehmen eher schaden als nutzen, halte ich für absurd. Das gibt es in allen politischen und gesellschaftlichen Richtungen und genauso in künstlerischen Aspekten. Auch da gibt es Leute, die immer wieder mit den gleichen Dingen finanziell auf die Nase fallen und es beim nächsten Mal trotzdem wieder genauso versuchen.
vodkamartini hat geschrieben: 10. Januar 2024 19:11
Es könnte auch sein dass es eingebaut wird um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen "nicht woke" zu sein. Die Presse, und das ist in den USA nicht anders wie hierzulande, tickt mehrheitlich in eine bestimmte Richtung. Und negative Presse im Vorfeld will keiner. Dazu kommt sicherlich auch, dass in Künstlerkreisen - und dazu zählen auch viele in Hollywood trotz seines Mainstream Appeals - ebenfalls eher abseits von Konservatismus gedacht wird.
Das ist sicherlich auch ein Grund. Allerdings vermutlich eher einer für kleinere Alibientscheidungen. Und eher weniger für die zentralen.
vodkamartini hat geschrieben: 10. Januar 2024 19:11
Und schließlich ist es so wie Hille schon geschrieben hat, es scheint sich - zumindest bisher - nicht negativ auf die Zahlen auszuwirken.
Ich weiß echt nicht, welches Filmbuisness ihr beobachtet, mit meinen Beobachtungen deckt sich das nicht im geringsten. Gerade in Bezug auf Disney. Die leiden zwar auch unter den schon beschriebenen Aspekten der Superheldenmüdigkeit und der generellen übersättigung des Marktes, aber definitiv auch unter ihrer Firmenausrichtung der letzten Jahre. Und das gewaltig. Was davon jetzt den größten Anteil hat weiß ich natürlich nicht, aber unterschätzen sollte man da keinen Aspekt.
AnatolGogol hat geschrieben: 10. Januar 2024 20:08
Ernstgemeinte Frage: warum ging das dann früher? Warum konnten die großen Actionszenen in den Bondfilmen der 60er bis 80er mit oft geradezu lächerlich kleinen Teams gedreht werden? Warum waren generell die ganzen Produktionsabteilungen in diesen Jahrzehnten viel kleiner als heute (ein Blick in den Abspann eine aktuellen Films gibt ja eindrucksvoll Auskunft darüber, wieviel Manpower da involviert ist). Wie gesagt, die Frage ist ernst gemeint. Kann man wirklich nicht günstiger produzieren oder will man es nicht? Ist der qualitative Unterschied zwischen sagen wir der Ski-Verfolgung in OHMSS oder der Bootsverfolgung in LALD zu groß angelegten Actionszenen in aktuellen Filmen so groß, dass es diesen Mehraufwand an Manpower rechtfertigt? Das gleiche gilt für Ausstattung, Production Design etc.
Das frage ich mich auch. Bei manchen Filmen sehe ich da schon einen Unterschied, beispielweise bei den Mission Impossible oder John Wick Filmen, die Actionszenen ganz anders filmen als es damals gemacht wurde und die dementsprechend auch einen höheren Aufwand mit sich bringen. Es ist was die Kosten angeht schon ein gewaltiger Unterschied, ob man eine stationäre Kamera hat, die filmt, wie ein Stuntman über eine Rampe springt und man das dann später zwischen Nahaufnahmen der Darsteller schneidet, oder ob man einen 30 sekündigen Shot hat, in dem die Kamera dem Schauspieler über mehrere Dächer folgt und man dafür Kräne für Kamera, Sicherheitsseil, etc. aufbauen muss. Aber bei generischen Actionszenen, bei denen ohnehin viel hin und her geschnitten wird frag ich mich das tatsächlich ebenso.
Casino Hille hat geschrieben: 10. Januar 2024 20:10
4.) Enorme Konkurrenz durch Streaming
Grundsätzlich stimmt das auf jeden Fall, allerdings muss man dazu sagen, dass es den meisten Streamingdiensten aktuell ja auch nicht gut geht und sich der ein oder andere durchaus schon die Frage stellt, ob diese Fokusierung aufs Streaming der Branche einen Bärendienst erwiesen hat. Aber das ist ein anderes Thema...