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von AnatolGogol
Agent
Star Trek V – Am Rande des Universums (1989) – William Shatner
Mitte der 80er Jahre hatten sich die Star Trek-Filme zu einem für sein produzierendes Studio Paramount sehr ertragreichen Franchise entwickelt, welches mit dem 1986 entstandenen vierten Teil seinen vorläufigen kommerziellen Höhepunkt fand. Nachdem Spock-Darsteller Leonard Nimoy bereits zweimal erfolgreich als Regisseur agiert hatte, durfte nun auch sein Protagonisten-Kollege Bill Shatner seine bei diversen T.J. Hooker-Folgen geschulten inszenatorischen Fähigkeiten im Rahmen eines ST-Kinofilmes Anwendung finden lassen. Und Shatner war willens seine Spuren innerhalb der Serie zu hinterlassen und schlug daher einen deutlich anderen Kurs ein als Nimoy, jedoch gleichzeitig unter Berücksichtigung diverser Aspekte, die in den Vorgängerfilmen seines Kollegen bestens funktioniert und beim Publikum Anklang gefunden hatten. Dadurch wurde ST V von Beginn an zu einem Kompromiss, was sich im fertigen Film dann leider nicht unbedingt positiv bemerkbar macht.
Nach dem leichtherzigen und die ST-Standards oftmals bewusst etwas untergrabenden Zurück in die Gegenwart wollte Shatner mit seinem ST V wieder eine seriösere Geschichte erzählen und einiger der gerade innerhalb der TOS so beliebten philosophischen Fragen aufwerfen. Zu nichts geringerem als der Suche nach dem Ausgangsort der Schöpfung und damit einhergehend nach Gott selbst schickt Shatner seine altgediente Enterprise-Crew. Ein großes Thema, welches so ähnlich bereits einmal für den ersten Kinofilm angedacht gewesen war, dann aber fallengelassen wurde, da man es für zu kontrovers hielt. Shatner liess sich davon jedoch nicht abschrecken und bastelte um diese Grundprämisse einen Film, der sich einerseits mit der Frage nach dem „woher kommen wir“ befasst, gleichzeitig aber auch die nicht weniger bedeutsamen Fragen nach dem „wer sind wir“ und dem „was macht uns zu dem, was wir sind“ aufwirft. Getragen werden all diese philosophischen Überlegungen von der bewährten Troika Kirk, Spock und McCoy im Zusammenspiel mit ST-Neuling Sybok, einem abtrünnigen Vulkanier, auf der Suche nach Antworten. Daraus ergibt sich eine Vielzahl an Dialogen, in denen sich die Protagonisten ihren Ängsten und verdrängten Problemen stellen müssen, um dadurch ihr eigenes selbst zu erkennen und gleichzeitig auch um die Tiefe ihrer Freundschaft auszuloten. Dies ist zumeist recht gelungen und durchaus interessant zu verfolgen, spielt sich oft aber so undynamisch ab, dass durch diese hauptsächlich in der zweiten Filmhälfte verstärkt vorkommenden Szenen der Fluss stark ausgebremst wird.
In dieser Beziehung ähnelt ST V Nimoys erster Regiearbeit Auf der Suche nach Mr. Spock, der ebenfalls mit zunehmender Laufzeit die Dynamik aus den Augen verlor. Bei ST V macht sich dieses Problem aber noch deutlicher bemerkbar, da im Gegensatz zum erwähnten dritten Teil hier abwechselnde Handlungspassagen und vor allem auch auflockernde Actionelemente fast vollständig fehlen. Mit Ausnahme einiger kleinerer Momente, in denen die glorreichen Drei in ihrem eigenen Schiff auf der Flucht sind, bewegt sich der Film hier dramaturgisch kaum von der Stelle und dreht sich stattdessen nahezu ausschliesslich um die erwähnten philosophischen Fragen. So gut dieser Ansatz gemeint war, durch Shatners zunehmend monotoner werdende Inszenierung wie auch durch den fehlenden Esprit des Drehbuchs lahmt der Film hier bedenklich. Es wird auch nicht gerade besser dadurch, dass das abschliessende Finale den Zuschauer etwas enttäuscht zurücklässt, da das den ganzen Film über lang und breit vorbereitete Treffen mit „Gott“ sich sowohl inhaltlich als auch tricktechnisch eher als Nullnummer entpuppt.
Allerdings muss man dem Film zu Gute halten, dass er mit Ausnahme des erwähnten schwachen Finales trotz des zuweilen allzu behäbigen Tempos nie wirklich langweilig wird, was nichtzuletzt auch an den gut aufgelegten Darstellern der „Troika“ und ihrem launigen Zusammenspiel liegt. Zumal die erste Filmhälfte in einiger Hinsicht die bessere ist und dadurch der Gesamteindruck erwas besser ausfällt. Denn ST V beginnt sogar recht vielversprechend mit der ersten richtigen „Pre-Title-Sequence“ der Filmserie, in welchem Shatner sein Gespür für Stimmung und Nutzung der landschaftlichen Umgebung genau so beweist wie seinen Sinn für die effektive Einführung einer Schlüsselfigur. Die in fiebrigen Rottönen festgehalte Alptraumhafte Wüstensequenz mit dem in Zeitlupe anreitenden Sybok wie auch die abschliessende Enthüllung seiner vulkanischen Herkunft (mit dem überraschenden Bruch des vulkanieruntypischen Lachens) sind dann auch mit die besten Momente des ganzen Films. Ebenso gelungen sind die amüsanten Szenen rund um den Landurlaub der Enterprise-Crew, bei denen Shatner die Gelegenheit nutzt um die Charaktere und ihre Beziehungen ausgiebigst zu definieren. Dabei ist vor allem die Lagerfeuerszene ein weiterer Schritt auf dem Weg des „neuen“ Spocks zu seinem alten Ich und dies wird durch die wunderbare Chemie der drei Hauptdarsteller äusserst charmant transportiert.
Leider flacht der Film bereits danach erkennbar ab, sobald die Enterprise sich zu ihrer Rettungsaktion nach Nimbus III aufmacht verliert ST V einiges des anfänglichen Schwungs. Kompensiert wird dies allerdings durch eine sich in der ersten Filmhälfte noch verhältnismäßig abwechslungsreich entwickelnde Geschichte und einige Actionmomente, darunter mit dem Kampf um Paradise City die größte diesbezügliche Sequenz des ganzen Films.
Bei aller wiedergewonnenen Ernsthaftigkeit rund um persönlichen Schmerz und die Suche nach Gott macht ST V dann aber doch wieder Konzessionen hinsichtlich des Massengeschmacks in Form von zahlreichen humorvollen Einlagen. Es war vor allem die komödiantische Grundausrichtung, die den Vorgänger ST IV für ein breites Publikum so zugänglich und damit so erfolgreich werden liess, entsprechend nutzt auch das Drehbuch zu ST V viele Gelegenheiten die Enterprise-Crew in amüsante Situationen zu verfrachten. Dies funktioniert leider aber deutlich weniger gut als im Vorgänger, vor allem da man zu Gunsten einiger schwacher Lacher die beliebten Figuren sehr bewusst der Lächerlichkeit preisgibt.
Wenn sich etwa Scotty selbst K.O. schlägt oder Uhura einen Pseudo-Striptease hinlegt, dann geht der Film auf seiner Suche nach Humor gleich mehrere Schritte zu weit. Bei allem Augenzwinkern sollte die Kompetenz und damit die Ernsthaftigkeit der Protagonisten nicht angetastet werden und genau das passiert durch das wiederholte „durch-den-Kakao-ziehen“ der „zweiten Garde“. So löblich es ist, dass Figuren wie Uhura, Chekov und Sulu im fünften Teil recht viele Momente zugestanden bekommen, so schmerzlich ist es zu sehen, dass diese oft auf Kosten ihrer Glaubwürdigkeit gehen und sie zu einer Art Pausenaugust verkommen lassen.
Ebenso irritiert der permanente Wechsel zwischen philosophischer Ernsthaftigkeit (wenn beispielsweise über einen verlorenen Bruder oder den Tod des Vaters sinniert wird) und seichtem Klamauk. Hier stimmt die Mischung äusserst selten und die eine diesbezügliche „Hälfte“ konterkariert oftmals geradezu die andere. Von daher muss konstatiert werden, dass hinsichtlich des Humors in ST V weniger bzw. eine subtilere Anwendung fraglos mehr gewesen wäre.
Auch unter handwerklichen Gesichtspunkten bietet ST V ein wenig einheitliches Bild. Wie bereits erwähnt beweist Shatners Inszenierung oftmals ein sehr gutes Händchen für die Einbindung von spektakulären Locations, seien es die fiebrigen Wüstenaufnahmen auf Nimbus III, die atemberaubenden Panoramen in Yosemite oder auch die beunruhigend-aufregenden Hintergründe, die für Sha Ka Ree herhalten dürfen. Weniger gelungen sind hingegen viele der Setszenen, die dieses Mal ungewöhnlich künstlich und steril wirken. Das mag zum einen mit den niedrigeren Produktionswerten zusammenhängen, aber sicher auch mit der Art ihrer Einbindung. Allerdings ist dies auch nicht immer der Fall, so fallen diesbezüglich vor allem Szenen positiv aus dem Rahmen, die im Zwielicht spielen bzw. in denen bewusst mit Licht, Schatten und Farbtönen gepielt wird wie in der Szene, in denen Sybok die Troika „bekehren“ will. Hingegen schreien viele der „klassischen“ Enterprise-Szenen geradezu nach „Studio“, was den Film zuweilen etwas billig wirken lässt.
Der uneinheitliche Eindruck setzt sich auch bei den Spezialeffekten fort, die zwischen zweckdienlich und sehr schwach pendeln. Besonders negativ fällt hier Kirks Sturz beim Bergsteigen auf, was besonders schade ist, da ein Teil davon ja durch einen echten Stunt realisiert wurde. Der „stürzende“ Shatner vor völlig unglaubwürdigem Hintergrund ist dann auch fraglos der tricktechnische Tiefpunkt des Films. Dem gegenüber stehen die Kletterszenen, die mittels „forced perspective“ und künstlicher (aber sehr echt) wirkender Bergwand den Eindruck vermitteln, Shatner wäre tatsächlich in schwindelerregender Höhe. Leider wirken die obligatorischen Weltraumszenen durchgängig auf niedrigerem Niveau als bei den Vorgängern, was vor allem bei den Szenen mit den Shuttles, aber auch generell bei allen Bewegungen im Weltraum sehr deutlich wird. Ein derartiger technischer Rückschritt fällt nicht nur unangenehm auf, er ist eigentlich bei einer solch aufwändigen Produktion unentschuldbar.
Positiv macht sich dagegen wieder einmal der Soundtrack bemerkbar. Goldsmiths Arbeit zum fünften Teil mag nicht die epochalen Ausmaße seines TMP-Scores haben, aber sie trifft auch dieses mal wieder voll in Schwarze. Dabei sind ihm die ruhigen, besinnlichen musikalischen Momente besonders gut gelungen und sein Soundtrack trägt vor allem in den Szenen rund um Sha Ka Ree viel zur Atmosphäre bei. Darüberhinaus profitiert eh jeder Enterprise-Film, der durch Jerrys einmalige ST-Hymne geadelt wird.
Darstellerisch und rollentechnisch hinterlässt der Film ebenfalls einen unrunden Eindruck. Die Troika spielt zwar auch dieses Mal wieder ihre fabelhafte Chemie und ihr blindes Verständnis gekonnt aus, es fällt aber dennoch auf, dass in ST V die Figuren dann doch etwas weniger gut zur Geltung kommen als es in den drei direkten Vorgänger der Fall war. Dies fällt allerdings wieder einmal unter die Kategorie „Klagen auf hohem Niveau“. Härter trifft es wie bereits erwähnt die „zweite Reihe“ der Enterprise-Crew, die allesamt rollentechnisch die „A-Karte“ zieht. Eine „late-blooming-romance“ zwischen Uhura und Scotty? Chekov und Sulu als unreife kleine Buben? Scotty als tollpatschiger Clown? Uhura auf ihre „alten Tage“ als erotische Tänzerin? Uiuiui, da geht soviel daneben, dass es wirklich weh tut den beliebten Darstellern bei diesem Possenspiel zuschauen zu müssen.
Laurence Luckinbill als Sybok ist hingegen einer der darstellerischen Lichtblicke, der kraft seiner Ausstrahlung den Spagat zwischen messianischem Idealisten und bedrohlichem Rattenfänger bestens meistert. Problematisch ist eher die Rolle seiner Figur, die bereits sehr früh als eigentlich nur Gutes im Sinn habender Idealist enttarnt wird. Von da an fällt Syboks anfängliche Anatgonistenrolle praktisch weg, worauf das Drehbuch entsprechend durch die Etablierung der Klingonen reagiert. Leider können die von Todd Bryant und Spice Williams verkörperten Klingonen-Bösewichter diese Rolle nicht wirklich ausfüllen, vor allem Bryant bleibt blass und eindruckslos. Williams manipulative Klingonen-Kriegerin bietet dagegen einen deutlich interessanteren Ansatz und wird von ihr auch mit viel Gusto schön martialisch gespielt. Leider gibt der Film ihr nur selten Gelegenheit dies auszuspielen, wodurch die Klingonen in ST V dann eben doch nur die Funktion der Alibi-Antagonisten einnehmen. Erstaunt lässt es den interessierten Beobachter zudem zurück, dass mit David Warner ein vergleichsweise renommierter Darsteller in einer kleinen Nebenrolle geradezu sträflich unterfordert wird.
ST V muss unterm Strich leider als gescheiterter Versuch angesehen werden einen TOS-typischen ernsthaft-philosophischen Ansatz mit der humorvolleren Grundausrichtung des Vorgängers zu verknüpfen. Da zudem auf allen produktionstechnischen Gebieten die Güte der Arbeit sehr stark variiert ist Am Rande des Universums (wie der deutsche Verleihtitel so herrlich sinnfrei fabuliert) eine höchst zwiespältige Angelegenheit. Nie wirklich schlecht, aber leider genau so wenig auch nie richtig gut. So pendelt sich ST V in Summe hübsch im Mittelmaß ein und geht als Film mit praktisch genau so vielen guten Ansätzen wie missglückten Aspekten in die Franchise-Geschichte ein.
Wertung: 5,5 / 10
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"