Re: Die Filme des Brian De Palma

18
Maibaum hat geschrieben: (auch weil Pacino "at his worst")
Das ist aber halt dein persönliches Empfinden, was ja auch absolut ok ist. Pacinos expressionistisches Spiel mag oftmals hart an der Grenze zum Chargieren sein (aber halt auch nur hart dran und nie drüber), aber dafür funktioniert es in den allermeisten Fällen auch hervorragend bis herausragend. Ich kann aber nachvollziehen, dass dir das nuanciertere Spiel des frühen Pacinos mehr zusagt, aber das ist halt nur eine Seite des Ausnahmedarstellers Pacino. Ich mag die andere mindestens genau so - Huah! :D
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Die Filme des Brian De Palma

20
AnatolGogol hat geschrieben:
Das ist aber halt dein persönliches Empfinden, was ja auch absolut ok ist. Pacinos expressionistisches Spiel mag oftmals hart an der Grenze zum Chargieren sein (aber halt auch nur hart dran und nie drüber), aber dafür funktioniert es in den allermeisten Fällen auch hervorragend bis herausragend.
Für mich funktioniert es nur noch sehr, sehr selten. Pacino ist einer der wenigen Darsteller geworden die mich wirklich stören, wenn nicht gar nerven. Aber wenn mich ein Film interessiert würde mich auch Pacinos Mitwirken nicht abhalten.

Re: Die Filme des Brian De Palma

23
Ich bin zwar auch keiner, der Scarface für das große Meisterwerk hält, zu welchem man den Film oftmals macht, aber ein ziemlich guter Film ist es wie ich finde schon. Es wäre noch mehr drin gewesen, etwas staffer und etwas weniger Laufzeit wäre kein Fehler gewesen. Auch ist nur ein einziger sympathischer Charakter im ganzen Film (der von Steven Bauer), wodurch man seltsam teilnahmslos bleibt. Die extrem zeitgenössische Moroder-Musik ist auch sehr gewöhnungsbedürftig, wie auch die pastellfarbene Bonbonoptik. Die 8,5 die ich zu Beginn des Threads gegeben habe erscheinen mir im Nachhinein auch etwas zu hoch, mehr als 8 würde ich ihm glaub ich jetzt nicht mehr geben wollen. Andererseits: Pacino spielt schon sehr eindrucksvoll, die Inszenierung ist oftmals wirklich toll, zB die Kettensägenszene. Und mit Abraham und Loggia hat man zwei weitere wirklich gute Darsteller an Bord und wie schon erwähnt mit Bauer einen (bzw. den einzigen) echten Sympathieträger. Bei der Pfeiffer weiss ich ehrlich gesagt nicht,ob die mit ihrem blasierten, gelangweilten Auftritt hier goldrichtig für ihre Rolle ist (bzw. diese perfekt spielt) oder ob ich sie am liebsten aus dem Film feuern würde. Aber im Kontext ihrer Rolle passt sie eben wie A auf E.
Agent 009 hat geschrieben:Wobei ich ihn noch nie 'angefahrener' gesehen habe als bei Scarface. Geht das überhaupt? :lol:
Wenn du "abgefahrener" meinst: in Dick Tracy haut er auch ordentlich auf den Putz - ein echter Genuss wie ich finde. :lol:
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Die Filme des Brian De Palma

25
Femme Fatale (2002) – Brian De Palma

Hab mir gestern als ich den Film hier erwähnt habe selber den Mund wässrig geschrieben und mir eine weitere Sichtung des herrlich unorthodoxen Thrillers Femme Fatale gegönnt. De Palmas Film ist in vielerlei Hinsicht ein sehr bemerkenswerter Film, da er einerseits inhaltlich und dramaturgisch mit der Erwartungshaltung des Zuschauers spielt und diese bewusst regelmäßig ins Leere laufen lässt und andererseits formal immer wieder mit vielen visuellen Einfällen zu verblüffen weiss. Femme Fatale ist ein sehr visueller Film, der über weite Strecken komplett ohne Dialoge auskommt. Vor allem in der ersten Dreiviertel Stunde gibt De Palma seinem Publikum praktisch keine „gesprochene“ Information, sondern überlässt die Narration allein der Kamera. Eine gesteigerte Aufmerksamkeit von Seiten des Zuschauers schadet daher sicherlich nicht, denn ansonsten entgehen einem viele der subtil eingewobenen Hinweise auf die Hintergründe sowie die zukünftige Entwicklung von Handlung und Figuren.

De Palma war ja immer schon ein großer Stilist und dieser Leidenschaft frönt er auch in Femme Fatale hemmungslos. Die bereits erwähnte sehr visuelle Narration wird ergänzt durch diverse bis ins kleinste Detail durchkomponierte Szenen. Besonders die Anfangs- und die Endszene gleichen fast schon einem Kabinettstückchen, so elegant und komplex zugleich fügen sich hier die zahllosen Einzeleinstellungen zu einem perfekten Bild (in Analogie zum Langzeitprojekt von Banderas Figur, einem gigantischen Foto-Mosaik, welches eine Schlüsselrolle in der Handlung einnimmt). Hinzukommen – wie könnte es bei De Palma anders sein – zahlreiche Verweise auf Stil und Werk von Hitchcock, die hier im Gegensatz zum einen oder anderen früheren De Palma-Werk aber nie aufdringlich wirken, sondern eher eine Art Belohnung für den aufmerksamen Zuschauer darstellen.

Genau wie bei Hitchcock steht auch in De Palmas Thriller eine geheimnisvolle Blondine im Mittelpunkt, die hier aber noch ungleich gefährlicher ist und praktisch jeden Mann der mit ihr in Berührung kommt ins Unglück stürzt. Rebecca Romijn-Stamos titelgebende Femme Fatale steht ganz im Stile der Pendents in den großen Noir-Thriller der 40er Jahre und nicht von ungefähr unterstreicht De Palma dies (natürlich visuell), indem er gleich in der ersten Szene Bilder von Billy Wilders legendärem Double Indemnity auf Romijn-Stamos weitgehend unbekleidetem Körper reflektieren lässt. Die Besetzung passt und spielt gut, Banderas funktioniert wie immer bestens als Sympathieträger, der unvermittelt in ein Komplott hineingezogen wird.

Mit Femme Fatale ist Regisseur Brian De Palma noch einmal ein wirklich großer Wurf gelungen, der vor allem stilistisch sicherlich zu seinen besten Arbeiten gezählt werden muss. Nicht zuletzt durch die sehr visuelle Narration und die vielen mal mehr mal weniger versteckt eingebauten Details konnte der Film bei mir mit jeder Sichtung weiter gewinnen. Der Twist im letzten Drittel sowie die genial komponierte finale Auflösung haben mich gestern noch mehr gepackt wie bei Erstsichtung. Femme Fatale ist wahrlich in jeder Beziehung ein „Fest für die Augen“: spannend, elegant, überraschend, erotisch und zudem ein unglaublich clever zusammengesetztes, oftmals verblüffendes Kinomosaik mit herausragender Kameraarbeit. Das Werk eines Meisters auf der Höhe seines Schaffens!
Wertung: 10 / 10

"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Die Filme des Brian De Palma

29
photographer hat geschrieben:.
Brian de Palma Interview:
http://www.indiewire.com/2016/06/brian- ... 201683547/

.
Tolles Interview, das mich als Filmfan aber auch nachdenklich stimmt. Gerade sein Erfahrungsbericht über die Arbeit im aktuellen TV-Umfeld zeichnet ein sehr düsteres Bild in Bezug auf den Respekt der Executives gegenüber den Regisseuren. Schon erstaunlich, wie sich die Zeiten geändert haben seit De Palmas Beginn in den 70ern. Ist wie ich finde keine erfreuliche Entwicklung und sicherlich auch ein Grund dafür, dass viele Produktionen heutzutage allzu einheitlich und wenig originell anmuten. Da braucht man sich dann auch nicht wirklich wundern, dass Künstler vom Schlage eines De Palma heutzutage kaum mehr zu finden sind, wenn man ihnen praktisch alles vorgibt und keinen Freiraum lässt sich zu entfalten. Würde mich freuen, wenn er sein Projekt mit Pacino dennoch umgesetzt bekommt.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"