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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Man of Steel
Tja, bereits vorab wurde 2013 wohl kaum über eine andere Comicverfilmung so viel diskutiert, wie über den Versuch Hollywoods, den Vater aller Superhelden erfolgreich einem Reboot zu unterziehen. Mit David S. Goyer ("Batman Begins") als Drehbuchautoren und Christopher Nolan ("The Dark Knight"-Legacy, "Inception") als Produzenten hatte man zwei fähige Männer engagiert, auch wenn hin und wieder einen das Gefühl beschleicht, dass vielleicht doch lieber letzterer auch den Regieposten übernommen hätte. Auf diesem saß bei "Man of Steel" nämlich der ebenfalls Comic erprobte Zack Snyder ("300", "Watchmen") und da dessen Stil eigentlich genau gegensätzlich zu dem von Nolan angelegt ist, bestanden bei vielen von vornherein Zweifel an dieser Zusammenarbeit. Zu recht? Festzuhalten ist erst einmal, dass "Man of Steel" mit Sicherheit einer der eindrucksvollsten Blockbuster aller Zeiten geworden ist. Vom epischen Prolog bis hin zu einem der wohl längsten und explosivsten Showdowns der Filmgeschichte wird einem so ziemlich alles geboten, was im Bereich "Action" überhaupt möglich ist. Dramatische Fights in den Lüften, waghalsige Flugmanöver, knallharte Faustkämpfe, einstürzende Wolkenkratzer... diese Gigantomanie, die vor allem zum Ende hin an den Tag gelegt wird, erinnert unter anderem an Michael Bays Transformers-Trilogie. Nie wurde man von visuellen Effekten so erschlagen und geplättet in den Kinositz gedrückt wie hier. Doch im Zuge des Erfolges von Nolans Batman-Streifen (im Grunde folgt "Man of Steel" dem 2005 erschienen "Batman Begins" sklavisch im Aufbau) fühlte man sich offenbar auch dazu gezwungen, sämtliche Charaktere mit einem emotionalen Background auszustatten. Und genau hierbei scheitert Snyder. Während vor allem die Rückblenden mit Kevin Costner als Jonathan Kent noch relativ gelungen sind, fällt einem spätestens nach dem sechsten "Du musst dich entscheiden..." auf, wie wenig man hier eigentlich zu erzählen hat. Weder funktioniert das Aufkommen von Clarks Selbstzweifeln, noch der offenkundig als Höhepunkt gemeinte Tod seines Adoptivsvaters so richtig, zumal es nach all den schlimmen Ereignissen in seiner Kindheit diesen ohnehin als Motivation nicht mehr so richtig gebraucht hätte. Daher wünscht man sich gerade in den ersten 70 Minuten mehr Einflüsse von Produzent Nolan, der hier sicherlich mit mehr Gefühl inszeniert hätte. Auch muss man leider anmerken, dass, so beeindruckend der Cast auch zusammengestellt sein mag (Laurence Fishburne, Amy Adams, Kevin Costner, Russell Crowe...), so sehr leider auch auffällt, dass viele von ihnen anscheinend eher für eine Fortsetzung an Bord geholt wurden, während sie hier noch recht teilnahmslos in der Gegend herumstehen, im Falle von Crowes Auftritt als Wegweiser ist dies sogar mehr als wörtlich zu nehmen. Grade die gesamte Daily-Planet-Crew ist vollkommen überflüssig für die Handlung und wohl mehr dem Comic-Background geschuldet, als irgendeiner anderen dramaturgischen Relevanz. Nachdem die erste Hälfte also zwar durchaus von Nolan inspiriert ist, aber leider an der eher kalten und schemenhaften Darstellung krankt, kann dann endlich Snyder so richtig loslegen und hier kann man nur noch einmal betonen, dass noch niemand die Kraft und Zerstörungswut eines Mannes aus Stahl auch nur annähernd so mächtig und gehaltvoll dargestellt hat, wie er. Klar, inhaltlich hat man spätestens nach der Vernichtung von Smallville genau genommen nichts mehr zu melden, aber lieber kaschiert man es so, als wie in früheren Superman-Streifen durch ausufernde und unfreiwillig komische Dialoge, wobei einem hier mitunter der komplette Verzicht auf jegliche Form von Humor etwas auffallen mag. Bei allem gerechtfertigten Lob an die famosen Effekte und die zahlreichen gelungenen visuellen Effekte darf man aber eines eben nicht vergessen: Wie soll man das jemals übertreffen? Will man im Sequel jetzt zwei Metropolen zerstören? Fünfzig Hochhäuser mehr niederwalzen? Hundert-Millionen zivile Opfer mehr provozieren? Wenn Superman am Ende alleine zwischen all den Trümmern mit Lois Lane steht und sie sich vor dem Hintergrund von völlig zerstörten Büroklötzen zu Hans Zimmers epischer Musik küssen, stellt man sich als Zuschauer unweigerlich die Frage, wohin jetzt die Reise gehen soll.
Fazit: "Man of Steel" war nach der langweiligen Schlaftablette "Superman Returns" die einzig logische Konsequenz für alle Fans des Superman-Franchises: Ein lauter und dramatischer Neubeginn mit mehr Ernsthaftigkeit und deutlich mehr Action. Leider aber braucht man etwas mehr als ein paar Pauschal-Plattitüden à la "Du bist der Auserwählte" und verquaste Bibel-Anspielungen, um beim Zuschauer eine Identifikation mit den Protagonisten zu erzeugen und genau dieses Gespür für Emotionalität fehlt in der langen Exposition beinahe durchgehend. So bleiben einem zwar fantastische Blockbuster-Unterhaltung und spektakuläre (weitestgehend humorlose) Gefechte, wie man sie wohl noch nie in der Form zu sehen bekommen hat, doch sehnt man sich zu oft nach ein paar wirklich dramatischen Momenten, die richtigen Nervenkitzel garantieren. Man sieht viel, fühlt dabei aber leider wenig, zu schizophren ist der Eindruck, dass sowohl die erste als auch die zweite Hälfte des Filmes jeweils einen anderen Gegenüber verlangen. So kann man vom Entertainment-Faktor her zwar durchaus mit den direkten Konkurrenten von den Marvel Studios mithalten, schafft es jedoch trotz aller Ambitionen nicht, dass Genre neuzuerfinden.
8/10
https://filmduelle.de/
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Let the sheep out, kid.