70
von AnatolGogol
Agent
Hab gestern NSNA mal wieder gesichtet und jede Menge Spass daran gehabt, kratzte diesmal sogar fast an 8 Punkten, in Summe blieb es dann aber doch bei starken 7,5. Hier ein paar kunterbunte Sachen, die mir auffielen:
Was passiert eigentlich mit Kovacs? Er wird ja mehrmals über den ganzen Film hinweg als sowas wie die rechte Hand von Largo aufgebaut und ersetzt funktional in NSNA ja Kutze aus TB. Seine letzte Szene hat er bei der Aktivierung der Bomben („die ist jetzt scharf!“) im unterirdischen Brunnen. Als Largo mit dem Bombenschlitten durch die Grotte verschwindet steht Kovacs am Eingang. Dann gibt es ein bisschen Geballer und Geknatter im Vorraum der Höhle und Bond kommt in die Grotte – aber Kovacs ist weg. Raus konnte er ja nicht, sonst wäre er direkt in den Kugelhagel gelaufen. Wo also blieb er – weggebeamt?
Fiel mir vorher noch nie so auf, aber die Ermittlungen von Bond in Richtung Largo sind am Anfang ziemlich holprig. Bond findet in Shrublands den Streichholzbrief mit Largos Emblem, recherchiert das dann im MI6 und bekommt direkt in der nächsten Szene von M den Auftrag nach Nassau zu fahren um nach den verschwundenen Bomben zu suchen. Warum? M schenkt Bonds Vermutung, dass am Auge des verschwundenen Airforce-Soldaten (=Petacchi) manipuliert wurde ja überhaupt keinen Glauben, warum sollte er also seinem Vorschlag (den man zwar im Film nicht sieht, aber gehen wir mal davon aus Bond würde genau so handeln wie in TB und M seinen Verdacht mit Largo/Bahamas quasi aufdrängen) folgen und ihn nach Nassau schicken? Ist natürlich für den Ablauf des Films kein Problem, da das 99,5% der Zuschauer eh nie auffällt bzw. von ihnen hinterfragt wird – selbst ich brauchte fast 20 Durchläufe damit es mir auffiel. Mal wieder ein schönes, bondtypisches Logikloch – oder habe ich was übersehen?
Fox und McCowen sind fabelhaft in ihren Rollen als M und Q bzw. Algy. Wie im Review schon erwähnt bekommen ihre Rollen durch die absolut eigenwillige Interpretation enorm viel Konturen. Gerade bei McCowen fällt auf, dass obwohl seine Figur ja auch als Clown angelegt ist er in seiner Funktion als Quartermaster trotzdem deutlich kompetenter rüberkommt als Cleese, der völlig zur Witzfigur verkommt und entsprechend auch in seiner Eigentlichen Funktion nicht mehr ernst genommen wird. Fox ist brillant in seiner zunächst herrischen und dann später anbiedernden Art. Seine Mimik in der Eröffnungsszene, in der er Bond anpfeift ist herrlich. Für mich sind die beiden nach den Urbesetzungen die jeweils zweitbesten Besetzungen.
Connery ist der Spass an dem Film durchgängig anzusehen, es gibt kaum eine Szene, in der man ihm den Genuss am Zusammenspiel mit den anderen hochkarätigen Darstellern nicht ansieht. Sei es nun mit Fox, McCowen, Atkinson oder Carrera: immer hat er auch ein leichtes Schmunzeln um die Mundwinkel und wirkt völlig entspannt. Im Zusammenspiel mit Brandauer könnte man sogar meinen, dass Connery da fast wie ein Zuschauer die Schau des Österreichers bestaunt. Achtet mal auf die Szene in Palmyra, in der Connery angekettet ist und Brandauer ihm seinen Plan erzählt: sieht fast aus, als ob Connery staunend Brandauers Spiel verfolgt. In jedem Fall ist Connery in NSNA eine absolute Bank und gewinnt der Bondfigur zudem neue Aspekte ab ohne sie der Lächerlichkeit preiszugeben oder sie unglaubwürdig werden zu lassen. Der NSNA-Bond könnte wirklich der Bond der 60er sein, der eben schon etwas zu lange in dem Geschäft war. In jedem Falle eine perfekte Abschiedsgala.
NSNA ist für mich mit Abstand der Bondfilm mit den kultigsten Momenten. Egal ob das nun ein tangotanzender 007 ist oder die in Unterbuchsen Rad fahrenden bzw schattenboxenden Bond und Leiter, die völlig durchgeknallt vor sich hin singende und tanzende Fatima oder der
kleine Raumpfleger in Shrublands, der in die Keilerei zwischen Bond und Lippe gerät. Ich könnte noch endlos weitermachen, der Film meistert gerade durch diese urkomischen Szenen den Spagat zwischen Parodie und Thriller perfekt, da alles sehr spielerisch wirkt und zu keinem Zeitpunkt aufgesetzt oder gezwungen. Auch hier merkt man wieder deutlich: das Darstellerensemble hatte beim Dreh jede menge Spass.
Der Stereoton der jüngsten ARD-Ausstrahlung ist prima geworden, kräftig und sauber ohne unliebsame Nebengeräusche. Aus welcher Quelle die Audiospur auch stammen mag, man ging bei ihrer Erstellung genau so vor wie bei denen der UEs, d.h. es wurde möglichst viel von der englischen Originalspur in die deutsche Fassung integriert. Als Folge merkt man deutlich einige Anschluss-Aussetzer, in der die Tonqualität bzw. der Frequenzgang der deutschen Synchro nicht hundertprozentig zu der vorangegangenen und offenbar der Originalfassung entnommenen Szene passt. Außerdem gibt es auch hier wieder eine handvoll kleiner Sequenzen, bei denen man die Originalstimmen hört und nicht die der Synchronsprecher (wie noch in der Kino- und DVD-Fassung), so zB beim Pferdesprung von der Palmyra-Mauer, Domino unter der Dusche oder Small-Fawcetts unfreiwilligem Poolaufenthalt. Da es sich hierbei jeweils um keinen Dialog handelt wird es vielen wahrscheinlich nicht mal auffallen, kennt man die Kinofassung aber in und auswendig stört es schon. Zumal die Synchro bei NSNA eh eine der stärksten aller Bondfilme ist. Brandt hat hier als Regisseur wirklich super Arbeit geleistet und kommt nahezu komplett ohne die ansonsten für ihn typischen hinzugedichteten Kalauer aus. Die Sprecherbesetzung ist großartig, allen voran Ursula Heyer als Fatima und Thormann als M. Und GGH passt im reiferen Alter durch seine ironische und ruhige Art fast noch besser auf Connery als in jüngeren Jahren.
Die in der deutschen Kinofassung geschnittenen und in der DVD wieder eingefügten Szenen wirken auf mich fast durch die Bank wie Material zweiter Wahl, das qualitativ nicht zum Rest des Films passen will. Natürlich bin ich hier voreingenommen, da ich den Film sicher an die 15 mal in der Kinofassung gesehen habe bevor ich die „neuen“ Szenen erstmals zu sehen bekommen habe. Aber dennoch habe ich jedes Mal den Eindruck, dass diese Szenen den Film aufhalten und von der Güte einfach nicht an den Rest heranreichen. Als Beispiel sei die Szene direkt nach Blofelds Drohung genannt, in der die Regierungsvertreter über die Vorgehensweise diskutieren. Das ist nur lahm und bringt die Handlung null weiter. Außer M, der ja auch nur eine kleine Nebenrolle im Film hat, spielen nur Figuren in der Szene mit die man im Rest des Films nie wieder zu sehen bekommt. Der Film ist ohne die Szene besser. Oder der Dialog zwischen Bond und Domino unter der Dusche um ihren Bruder: passt erstens überhaupt nicht zum restlichen vergnügten Ton des Films und hält den Film auch wieder auf. Erstaunlich, dass der deutsche Verleih (Constantin) bei seinen Kürzungen so stilsicher zu Werke gegangen ist.
Legrands Musik ist ja regelmäßig Anlass zu größter Kritik, konnte ich ehrlich gesagt noch nie so ganz nach vollziehen. Natürlich ist das eine ganz andere Baustelle als Barry – aber gerade das schätze ich an dem Score, dass er genau wie vieles andere an dem Film auch überaus eigenständig ist. Der Soundtrack mag sicherlich nicht der größte aller Zeiten sein, ist aber wie ich finde absolut gelungen und gibt dem Film einen ganz eigenen Touch. Einen 08/15-Barry-Epigonenscore hätte ich jedenfalls gerade bei diesem Film nicht gewollt. Gleiches gilt für die anderen üblichen Kritikpunkte (Gunbarrel, 007-Logo, PTS, Titelsequenz): mal abgesehen von der Notwendigkeit der Änderungen aufgrund rechtlicher Restriktionen: die Variationen sind gelungen und verhelfen ihrerseits dem Film zu Eigenständigkeit. Ich kann zwar den Wunsch vieler Fans nach einer Art „Corporate Identity“ in Form von immer wiederkehrenden Elementen gut nachvollziehen, bevorzuge im Falle NSNA aber eindeutig die erfrischenden Abweichungen.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"