vodkamartini hat geschrieben: 5. Oktober 2021 22:50
Sehr schöner Text, der vieles anspricht, was mir auch seit dem ersten Kinobesuch durch den Kopf geht. Zumindest lässt einen der Film nicht kalt, aber es fühlt sich nicht wie ein Sieg oder Gewinn an, sondern wie eine Niederlage bzw. ein schmerzlicher Verlust. Und so will ich nicht aus einem Bondfilm gehen, Unterhaltungswert hin oder her.
Hallo zusammen!
Ich habe mich jetzt auch (endlich mal!) angemeldet - verfolge euer Forum schon seit CR recht regelmäßig mit; initial gefunden hatte ich euch mal, weil mir @vodkamartini auf OFDB des Öfteren aufgefallen ist (wir scheinen einen sehr ähnlichen Filmgeschmack zu haben

).
First of all, ich bin nicht hier um zu meckern und wieder zu verschwinden. Aber NTTD lässt für mich nicht viel anderes zu. Ich will mal versuchen zu erklären, warum dem so ist.
Als Bond Fan kam ich mit Craig eigentlich immer gut klar. Jeder der Filme hat Szenen, die das "moderne" Bond-Flair atmen und Spaß machen. Dem Charakter etwas mehr Tiefe zu geben kam nach Brosnan und generell so vielen Filmen sicher auch gut. Und NTTD für sich als eigenständigen Film betrachtet muss man auch sicherlich nicht zerreißen, wenn der Verriss als solcher nur Selbstzweck wäre.
Ich gehöre auch nicht zur Riege "nur die alten Bonds" oder wäre zu starker Traditionalist. Man muss nicht 25 Filme lang alles immer wiederholen, Q darf mal nen Film fehlen, er muss für mich nicht 100te Gadgets je Movie raushauen, Geschüttelt, nicht gerührt ist ein Klassiker, darf aber auch mal fehlen (oder a la CR nur angespielt werden). Aber manche Dinge gehören für mich einfach nicht in die 007 Welt.
Nun kann man natürlich so herangehen, dass man die Craig Filme als in sich geschlossene Geschichte versteht und da hat der Heldentod sicher eine gewisse Konsequenz. Aber mMn eben nicht bei einer Franchise Figur JB. Und das aus mehreren Gründen (und daher taugt mir NTTD auch so überhaupt nicht):
1) der (tragische) Heldentod als Schlussakt ist in meinen Augen sehr oft nicht viel mehr als das fehlen von Innovation und neuen Ideen. Wie viele Helden sind im Laufe der Jahre in Filmen und Serien abgetreten, wurden wiederbelebt, wurden als große Schocker genutzt? In meinen Augen die völlige Langeweile. Sicher, es gibt Filme, da macht es schlicht Sinn, das sind aber (oder sollten) stand-alone Filme sein. Aber was bekomme ich als Zuschauer da eigentlich erzählt? Die immer gleiche Story, mit viel Pathos und dem Ziel die Zuschauer durch den großen Schock zu locken. Und das steht für mich bei Figuren wie JB - sprich einem Franchise - eigentlich immer gleich bedeutend mit Ideenlosigkeit in Kombination mit handwerklicher Schwäche, denn in kaum einem Fall klappt das so wirklich, insbesondere dann, wenn die große Liebe das Opfer begründet und diese Geschichte so gar nicht zum bisherigen Helden passt.
2) Mein viel größeres Problem folgt aber erst - die Sackgasse für die Figur. Hat man keinen Filmkosmus, kein Multiversum a la MARVEL (und von mir aus DC, die bekommen es ja aber auch nicht hin), so hat man weder Nebenfiguren, die die entstandene Lücke so prominent schließen können, dass die Geschichte des Multiversums weiter gehen kann. Noch hat man Figuren, die im nächsten Film in irgend einer Form bzgl. Aftermath die Bedeutung des Heldentodes vertiefen können. Man ist erzählerisch am Ende, es ist alles gesagt. Und das hat FÜR MICH als Fan (oder seit NTTD jetzt deutlich weniger....) negative Konsequenzen. Denn sobald ich meinen Hauptcharakter opfere, 2 Min später jedoch verkünde "es geht weiter" (unabhängig ob via Amazon oder weiter nur Filme), so gehen die unangenehmen Konsequenzen los:
- besetzt man die Rolle einfach neu, so habe ich als Fan künftig immer den Fakt im Hinterkopf, dass der Charakter nun sterblich geworden ist, jede Spannung (wie kommt Jimmy diesmal aus der Nr raus zB) ist für mich deutlich reduziert, denn man weiß ja: ach notfalls murksen sie ihn wieder ab und im nächsten Teil hüpft ein anderer Schauspieler da rum -> Mythos adieu. Leider kommt da für mich hinzu, dass ich die Meinung / Ansicht vieler hier nicht vertreten kann: ich kann die Craig Bonds nicht stand alone betrachten. Dazu mag ich die Figur zu sehr. D.h. ich nehme die Geschichten der Filme (innerhalb des Bond Kosmus) ernst. Da hat SF schon vieles kaputt gemacht, in dem man einem nicht existenten und bisher nie erzählten Multiversum auf einmal Tür und Tor geöffnet hat. Darunter leidet NTTD nun entsprechend. Weder packt mich die Liebesgeschichte (wie auch, bei so wenig Knistern der 2 Charaktere in SF) noch ergeben die Erklärungen, die man nachträglich gebracht hatte irgend einen Sinn. Noch wird am Ende zum großen Finale der große Bösewicht hinter allem zur Strecke gebracht - nein, der stirbt einfach mal so on the way, dafür sehen wir auf einmal eine neue Figur ohne 100% nachvollziehbare Intention. Aber wenn schon, dann müssen doch Bond und Blofeld als (halb) Brüder zusammen die Biege machen und nicht nach 4,5 Filmen (in denen mir rückwirkend erklärt wird, es war alles EIN RIESEN PLAN den nur ein Genie wie Bruder Franz durchziehen kann!) plötzlich eine bisher nie in Erscheinung getretene Ersatzfigur ohne nachvollziehbare Motivation. Die dann nach 25 Filmen DEN BIG BANG erzeugt. Na danke.... bin ich der einzige, der hier dauernd an Star Wars 8 denkt?
Man stelle sich nur mal vor Darth Vader wäre in Return of the Jedi einfach so in der Mitte des Films von Luke zersäbelt worden, nur damit eben dieser Luke sich 45 Min später im großen Finale der Trilogie im Kampf gegen einen bis dahin nie bekannten Sith Junior aufopfert.....
Im übrigen, um kurz in der SW Analogie zu bleiben - NTTD ist für mich the last Jedi in Reinform. Eine Produktions- und Regiecrew, die einfach stur für sich einen Film mit Big Bang Effekt drehen wollte und dabei sämtliche angefangene und künftige Handlungsstränge vollständig ignoriert und ihnen schadet. Killoff des Bösewichts in der Hälfte des Films? Sicher, geile Szene, nur dumm für Teil 9 wenn der Antagonist nicht mehr ist und man sich einen aus dem Hut zaubern muss (Hallo Imperator-Klon). 0,0 Weiterentwicklung des verbliebenen Bösewichtes, sodass dieser zumindest im großen Finale von Teil 9 auch eine Bedrohung darstellt? Pustekuchen, da darf max. das Hologram von Luke herhalten.
- betrachtet man ab BOND 26 die Filme als zw. CR und NTTD angesiedelt, so muss man ständig aufpassen: was war da wann und wo mit SPECTRE? Wieso hat der neue alte Bond noch Bondgirls, wenn er doch so in Vesper verknallt war und später Papa wurde? Warum taucht Blofeld nicht auf? Taucht er auf? Und wo ist die Spannung, denn ich weiß ja schon, wie die Story endet...
- erzählt man die Geschichte nun AB NTTD weiter, so gehen viele offene Themen auf: warum heißt der Nachfolger auch James Bond? Was wurde aus seiner Tochter? Wie gehts eigentlich Q so? Was wurde aus der aktuellen 007? Und wie bekommt man das nun in einen Film gepackt, der parallel dazu eine Weiterführung leisten muss? Was wurde aus SPECTRE? Sind die jetzt endlich Geschichte? Wer nimmt den Platz ein?
- wählt man Alternative 3, die langweiligste von allen, den Reboot? Na herzlichen Dank. Jetzt durfte ich schon 3x Peter Parker dabei zusehen, wie er mit der immer gleichen Geschichte (und ein paar oberflächlichen Änderungen) zu Spiderman wird, möchte EON mir jetzt allen Ernstes erneut erklären, wie Bond zu 007 wird? Puh....
=> es sind diese Plotholes, die jetzt evtl nur zu 20% spürbar sind, die auftreten werden und genau deshalb mag ich NTTD überhaupt nicht. Da gibt es 0 Plan, wo das Ganze hinführen soll, die Aussagen widersprechen sich massiv (sind die Filme denn nun voneinander losgelöst oder nicht? Gibt es jetzt das Bond Universum in Serien und/oder Filmform oder nicht?) und zwar so massiv, dass einem Angst und Bange um die Figur werden kann. Wenn man ehrlich ist: man hat einfach den großen Schocker rausgehauen, weil Craig diesmal wirklich den letzten Bond gedreht hat und man völlig ideenlos war, was man erzählen soll. Und diese Lieb- und Ideenlosigkeit, die ist es, dir mir den Film so sehr kaputt macht.
Wenn mir EON eine in sich auf 5 Episoden zugeschnittene Handlung erzählen möchte, dann gerne, da wäre ich offen. Dann aber doch bitte mit nachvollziehbarer Charakterentwicklung und zwar aller wichtigen und nicht nur Bond. Wenn Universum (Multi...wie auch immer) dann bitte richtig a la MARVEL. Langfristig geplant. Schritt für Schritt.
Es gibt Plotholes, die sind in Filmen wie Bond und Co. nicht weiter wichtig (wie zB der Tatsache, dass Bond auf dem Weg zur Erledigung einer Mission gefühlt mehr Schaden anrichtet, als der Bösewicht selbst oder die Tatsache, dass der MI6 scheinbar seit 60 Jahren Uhren mit Bomben und Drahtseilen bauen kann, aber nicht in der Lage ist RIESIGE Einrichtungen zu entdecken, die allein schon durch den Stromverbrauch auffallen müssten - geschenkt!) weil sie nicht wirklich die Geschichte und Figurenmotivation beeinflussen. Aber NTTD macht in meinen Augen da grundlegende Fehler und die sind einfach pure Faulheit.
Und mir wird das leider auch in 5 Jahren (oder wie lange man denn warten will) den Spaß an Bond ziemlich vermasseln, weil ich jedes mal aktiv gezwungen werde, NTTD zu ignorieren.
Ein paar Worte noch zur grassierenden PC im Film:
Erlebnis Nr 1 war, dass DIREKT vor Vorstellung eine engagierte junge Dame an mir vorbei rennt und brüllt "James Bond ist jetzt endlich eine FRAU!" (übrigens Danke für den Spoiler.....). Yeah, supi. Darauf haben Action und Agenten-Fans sicherlich gewartet, dass man mit dem Holzhammer anfängt PC zu heucheln. Mir ist ja die Problematik durchaus bewusst, aber warum man dann an etablierten Figuren herumpfuschen muss ist mir unerklärlich. Und v.a. dann auch WIE - was sollte das nun denn für ein Gag sein? Entweder man meint es auch ernst, dann frage ich mich, was das bitte für eine neue 007 sein soll, die statt die Welt zu retten lieber die Flucht ergreift. Oder man wollte nur etwas provozieren und sich anbiedern, dann finde ich es eben so albern.
Wenn etwas mehr PC, dann bitte richtig. TENET hat es doch gezeigt - da war für mich der nächste Bond in der Hauptrolle, sowieso war der Film für mich der beste "Bond" seit langem - ein Agent rettet die Welt, es bleibt spannend und verzwickt durch die Handlung und nicht die Holzhammermethode (Opfer für die Liebe...) und der Film hat sogar funktioniert, ohne dem Protagonist einen Namen oder Backstory zu geben....