Maibaum hat geschrieben:Auch Battys Nagelschmerzszene ist großer Unsinn, denn davor darf er noch ausgiebig seine Schmerzunempfindlichkeit demonstrieren.
Im Gegenteil. Ich glaube, du hast die Szene da missverstanden. Roy handelt hier wenn du so willst psychologisch gesprochen aus Adaption heraus (was seine Menschwerdung im dramentheoretischen Ansatz bereits vorweg nimmt), er imitiert menschliches Verhalten (hier könnte man Scott wenn überhaupt vorwerfen, dass eine Szene fehlt, in der Roy dies von Unverständnis geprägt beobachtet). Tatsächlichen Schmerz empfindet er dabei allerdings nicht, auch wenn sein gequälter Gesichtsausdruck das aussagen könnte, in Wahrheit aber wieder nur der Imitation entspricht. Später erwähnt er sogar während Deckards Kletterpartie, dass sein Verhalten irrational war, woraus deutlich (genug) wird, dass sein Versuch, sich hier dem Menschen anzunähern gescheitert ist. Dies gelingt ihm erst in dem Moment, in dem er sich entscheidet, Deckard das Leben zu retten und damit nicht nur die menschlichste aller Handlungen vollführt, sondern sogar über den Menschen hinauswächst. Menschlicher als der Mensch, wie Tyrell sagt.
AnatolGogol hat geschrieben:Ich würde es eher so formulieren, dass er in seinem Film etwas anderes gesehen hat als das, was die Kinofassung rüberbringt, beabsichtigt oder auch nicht.
Nun ja, aber das widerspricht ja meiner Auffassung nicht zwingend. Sicher mag Scott ursprünglich andere Intentionen gehabt haben und möglicherweise hat er vieles seiner Ursprungsvisionen noch in Blade Runner zu finden geglaubt, mit den geringfügigen Änderungen, die er im Directors und oder Final Cut allerdings gemacht hat, entsteht ein Mischling aus der tatsächlichen Kinofassung und Scotts möglicherweise ursprünglich vorhandenen Überzeugungen. Der Final Cut ist in sich nicht sonderlich schlüssig alleine durch die Umkehrung der Deckard-Figur, wie Maibaum sehr stimmig aufgezeigt hat. Wenn, dann hätte Scott eben noch gravierender in den Film eingreifen müssen, um dies wirklich sinnig darzustellen. Da Scott aber dennoch zufrieden mit dem Final Cut zu sein scheint, scheinen seine Visionen entweder so unausgegoren gewesen zu sein oder (auch wenn das natürlich arroganter klingt als gemeint) er versteht in der Tat nicht so recht, was er da eigentlich ändert und was das mit dem Film macht.
Agent 009 hat geschrieben:Das der Final Cut hier so schlecht wegkommt, das schockiert mich aber.
Wie gesagt: Aus der Sicht der Kinofassung ist der Final Cut an sich in seiner gravierendsten inhaltlichen Änderung völlig unsinnig und auch losgelöst davon würde mir dieser Handlungsaspekt nicht schmecken, weil er kein bisschen in die Thematiken passt, die der Film ansonsten immer wieder anspricht. Der Final Cut (natürlich auch der fast identische Directors Cut) ist eben um ein Vielfaches unlogischer und vor allem banaler. Für mich verliert Blade Runner in dieser Version (durch Einhorn und fehlende Shining-Fahrt) einen bedeutenden Teil seiner inhaltlich/philosophischen Komplexität (wenn man ihn aber, wie etwa Maibaum oder Goldi, eh nur als visuellen Genuss empfindet, mag einen das sicherlich deutlich weniger tangieren). Über die Off-Kommentare mag man geteilter Meinung sein: ich finde sie in ihrem Noir-Touch großartig und würde Maibaums Kommentar keinesfalls teilen, dass es sich bei diesen um "Erklärungen" des Filmes handelt, aber man kann das natürlich auch nicht mögen und eher die Stille präferieren.
Maibaum hat geschrieben:Und der Augentyp war da ja anders als J.F., der ihm und Pris geholfen hat, der sympathisch war, und dessen Tod keine Sinn hat.
Genau, sein Tod hat eben keinen Sinn, es ist der Beginn der Irrationalität in der Adaption menschlicher Verhaltensmuster seitens Roy. Da sehe ich nun wirklich überhaupt keine Probleme, ganz im Gegenteil, der Roy-Charakter ist in seinem ganzen Verhalten für mich vollkommen logisch und sehr befriedigend. Ein angenehm komplexer Charakter, so wie ich ihn in klassischer Sci-Fi gerne habe. Wenn etwas in Blade Runner für mich emotional nicht so aufgeht, wie es vermutlich sollte, dann ist das die Liebesgeschichte/Romanze zwischen Ford und Rachael. Hier bin ich mir jedoch umschlüssig, ob das nicht zumindest teilweise so gewollt sein könnte.