NSNA markierte das Comeback von Ur-Bond Sean Connery nach 12jähriger Rollenabstinenz. In dieser Zeit hatte sich innerhalb des Bond-Universums unter der „Ägide“ seines Nachfolgers Roger Moore eine ganze Menge verändert und NSNA kann mit Fug und Recht als deutliche Reaktion auf diese Veränderung angesehen werden. Obwohl der Film ja ein Remake des Klassikers TB ist hat er dennoch auf vielen Gebieten wesentlich mehr Ähnlichkeiten mit den Filmen der Moore-Ära als mit seinem Vorbild oder den ersten fünf Filmen mit Connery.
Im Jahr 1983 kam es dann also zu dem großangekündigten „Duell der Bonds“, des langjährigen Platzhirsches (oder je nach Standpunkt Lückenbüssers) Moore gegen den rückkehrenden Urbond Connery. Die Erwartungen wurden von nahezu allen Seiten geschürt, die Moorefans die jahrelang unter der Missbilligung der Conneryenthusiasten zu leiden hatten hofften auf einen deutlichen Direktvergleich zu Gunsten von Moore während die Conneryfans durch die Bank sicher waren, dass der Bond der 60er Jahre den weichgespülten Clown Moore ein für alle mal auf die Plätze verweisen würde. Was allerdings viele damals übersahen: Connery war 1983 nicht mehr der Schauspieler, der er in den 60ern gewesen war (was sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Rolle Bond haben sollte). Vor allen Dingen war es aber auch gar nicht Connerys Absicht gewesen „seinen alten Bond“ aufzuwärmen. Ein nicht kleiner Teil seiner Begeisterung für das Projekt NSNA war ja auch der Tatsache geschuldet, dass er hier Gelegenheit dazu hatte zum einen seine alte Rolle, die ihn über so viele Jahre verfolgt und schauspielerisch in gewisser Weise auch eingeengt hatte zu parodieren. Darüberhinaus bot sich ihm aber auch die Chance weit mehr Einfluss auf die Rolle zu nehmen, als ihm das in den 60ern als reiner Schauspielangestellter von Broccoli und Saltzman je möglich gewesen wäre. Die Erwartungshaltung vieler Fans nun endlich wieder den „alten Bond“ zu sehen konnten also von Beginn an nur enttäuscht werden. Denn Connery legte seine Rolle weit gelassener an als in den 60ern, sein Spiel wirkt den ganzen Film über sehr entspannt und hat so gar nichts mehr mit dem zynischen Testosteronbolzen der frühen 60er gemein. Dies ist aber alles andere als ein Nachteil, denn gerade dieses für Connery in den 80ern sehr typische entspannte Spiel verleiht seinem Bond in NSNA einen absolut souveränen, fast schon altersweisen Touch. Darüberhinaus orientierte er sich beim Humor seiner Figur deutlich mehr an der Rollenauslegung Moores als an seinem eigenen sarkastischen Humor der 60er. Das alles passt aber wunderbar zur insgesamt sehr entspannten Stimmung von NSNA und lässt den Film wie einen sommerlich-leichten Nachtisch wirken (TB hingegen war eher ein über-üppiges 5 Gängemenü).
Da aufgrund rechtlicher Restriktionen die TB-Story weitestgehend unverändert übernommen werden musste blieb auf diesem Gebiet wenig Raum für echte Neuerungen. Dennoch empfinde ich die Änderungen gegenüber dem Original nahezu durch die Bank als gelungen. So wurden etliche Szenen im Vergleich zu TB deutlich verkürzt und auf das wesentliche beschränkt. Das tut dem Tempo des Films gut und lässt ihn insgesamt deutlich weniger behäbig wirken als das Original. Besonders auffällig ist dies natürlich beim Unterwassershowdown, aber genauso lässt sich dieser Effekt auch bei der Entführung der Bomben oder bei den Zusammentreffen von Bond und Largo bemerken. NSNA wirkt als Film auf mich dadurch auch deutlich weniger überladen als TB ohne dabei aber in Punkto Glamour und Exotik schlechter abzuschneiden.
Auch dass man im Gegensatz zu TB die Handlung auf mehrere Locations verteilt hat tut dem Film sehr gut, man hat so nie das Gefühl sich doch etwas zu lange an einem Ort aufzuhalten wie es für mich in TB aufgrund der sehr langen Konzentration auf die Bahamas der Fall ist (oder in noch größerem Maße in OP mit Indien). Die Locations sind klug gewählt, die Cote d´Azur passt wunderbar zu den Bahamas. Auch Nordafrika kann durchaus überzeugen, das NSNA-Palmyra mag zwar nicht so mondän sein wie sein Luxus-Namensvetter in TB, dafür hat es aber genau den rauen und verwegenen Abenteuerfaktor, der TB in all seiner Opulenz doch etwas abgeht.
Groß auftrumpfen kann NSNA durch seine sehr gute Besetzung. Mit dem auf ausdrücklichen Wunsch von Connery als Schurke besetzten Klaus-Maria Brandauer tat man einen echten Glücksgriff. Brandauers Mischung aus Charisma, Professionalität und blankem Irrsinn ist absolut furios, man sieht ihm den Spass an der Darstellung dieses Larger-than-Life-Schurken in jeder Minute an. Die Mixtur aus ernsthaftem, hochklassigem Schauspiel und übertriebener, sich hart am Rande der Parodie befindlicher Darstellung macht Brandauers Schurken so einzigartig und sichert ihm einen Platz unter den allergrößten Bondgegenspielern. Genauso gut ist der Rest der Spectre-Führungscrew besetzt, Barbara Carrera als mannstolle, exaltierte Killerin ist eine Wucht und steht ihrer ebenfalls herausragenden Quasi-Vorgängerin Luciana Paluzzi in nichts nach. Ebenfalls eine sehr gute Figur macht Max Von Sydow als kriminelles Mastermind Blofeld. Seine Darstellung erinnert stark an den stilisierten, unsichtbaren Blofeld aus FRWL und TB, da sie dieselbe ruhige geschäftsmäßige Skrupellosigkeit aufweist wie in besagten Filmen. Schön zu sehen, das man Blofeld auch mal seiner Bedeutung entsprechend inszeniert und nicht nur als Dr Evil-Clown. Kim Basinger als Domino ist ein hübscher Blickfang, wirklich Tiefe kann sie ihrer Rolle aber zu keinem Zeitpunkt verleihen. Die Betroffenheit über das Schicksal ihres Bruders und die Wahrheit über ihre Beziehung zu Largo nimmt man ihr nicht so wirklich ab, in dieser Beziehung gleicht sie Claudine Auger.
Das man sich getraut hat typische Bondrelikte wie M, Q oder auch Felix Leiter auf eigene, ganz unterschiedliche Art zu interpretieren halte ich für sehr gelungen. Edward Fox als völlig überzeichneter Juniorboss ist einfach herrlich, die Art wie er naserümpfend Bond zu Beginn des Films zurechtweist nur um im Schlussdrittel dann sich wieder schleimerisch einzuschmeicheln ist toll gespielt und passt wunderbar in den Gesamtkontext der Quasi-Parodie NSNA. Gleiches gilt auch für McCowans Q bzw Algy. Es mutet zwar zunächst etwas befremdlich an einen ohne Punkt und Komma vor sich hin quasselnden Q zu sehen, aber genau diese eigene Interpretation verleiht der Rolle eine eigene Identität. Dies lässt sich auch über Bernie Casseys Darstellung von Felix Leiter sagen, nie waren der alter Felix und Bond so enge und gute Buddys wie in NSNA. Was passiert wenn man etablierte Figuren einfach nur kopiert sieht man an Pamela Salems Miss Moneypenny sehr deutlich: ihre Figur entwickelt zu keinem Zeitpunkt eine eigene Identität und ist nur Staffage (ähnlich wie später bei Caroline Bliss in TLD/LTK).
Leider hat NSNA auch einige nicht zu übersehende Schwachpunkte. Trotz der Straffung der TB-Story und vieler gelungener kleinerer Änderungen leidet auch NSNA eigentlich über die komplette Laufzeit etwas unter seiner völligen Spannungslosigkeit. Nun ist dies bei Bondfilmen nun wirklich kein neues Phänomen, aber dennoch gelang es in vielen Filmen immer wieder zumindest in einzelnen Szenen eine nicht unbeträchtliche Spannung aufzubauen (zum Bleistift die Bombenentschärfung in TSWLM). Dies fehlt NSNA aber gänzlich. Der Film plätschert vergnügt vor sich hin ohne wirkliche Höhepunkte. Auch hat man natürlich gerade in NSNA mehr noch als in allen anderen Bondfilmen ein Deja-Vu-Gefühl (Kunststück, schliesslich hat man in TB ja auch schon alles gesehen). Die Actionszenen halte ich für durch die Bank gelungen, allerdings lässt sich nicht übersehen dass man im Gegensatz zu den EON-Produktionen dieser Zeit keine absolute Topnummer im Angebot hat wie es zB der Sprung vom Asgard, der Spiralsprung oder die PTS von MR waren. Michel Legrands Musik ist sicherlich kein Totalausfall, aber es gelingt ihr auch zu keinem Zeitpunkt dem Film eine Identität zu geben wie es bei so vielen der Barry-Scores der Fall war.
Aber nichtsdestotrotz halte ich NSNA unterm Strich für einen gelungenen und vergnüglichen Bondfilm, der für mich im übrigen genau so zur Reihe dazu gehört wie jeder der EON-Filme. Ich finde es spannend zu sehen, wie in NSNA viele der in den 70er und 80er Jahren unter Moore eingeführten Sachen (harmloserer Humor, wesentlich mehr und verspieltere Gadgets)
aufgenommen und adaptiert wurden. Connerys Kokettieren mit seinem Alter zu Beginn des Films ist eine nettes und gelungenes Kontrastprogramm zum „alterslosen“ Moore (wenn gleich man auch sagen muss, dass spätestens ab seiner Ankunft in Shrublands das Thema Alter bzw Bonds Einschränkungen dadurch eigentlich keines mehr war). Der Film lebt eindeutig von seinen tollen Darstellern, die nahezu alle in großartiger Spiellaune sind. Die Tatsache dass sich der Film zu keinem Zeitpunkt ernst nimmt und immer eine herrlich entspannte Stimmung vermittelt spricht ebenso für ihn. Leider führt auch genau das zu einer nahezu spannungsfreien Inszenierung und einem „Vorsichhinplätschern“ mit zahlreichen Attraktionen, aber ohne richtige Höhepunkte. Dennoch ist für mich NSNA der bessere und stimmigere TB und erhält daher von mir folgerichtig unterhaltsame 7,5 Punkte.
Nachtrag: Wer hat denn nun den „Kampf der Bonds“ gewonnen? Lassen wir die Einspielergebnisse mal aussen vor, die wohl eh jedem bekannt sein dürften. Von meinem persönlichen Standpunkt aus betrachtet ist NSNA der deutlich bessere Film als OP. Zwar haben beide Filme gemein, dass man echte Spannung (und wenn man so will dadurch auch echte Höhepunkte) nahezu vergeblich sucht, aber NSNA trumpft dafür wenigstens mit einer viel unterhaltsameren und abwechslungsreicheren Story sowie insgesamt der besseren und passenderen Besetzung auf. Der hohe Klamaukfaktor von OP tut sein übriges, um gegen den auf diesem Gebiet deutlich zurückhaltenderen NSNA zu verlieren. Dennoch sind für mich weder NSNA noch OP wirklich besonders herausragende Bondfilme. Beide rangieren in meiner persönlichen Einschätzung deutlich unter ferner liefen, OP sogar ziemlich weit am Ende. Im Hinblick auf die Leistung von Connery und Moore würde ich persönlich sogar ein Remis sehen, vielleicht mit leichten Vorteilen für Connery gegenüber dem in OP so hüftsteif und alternd wie nie wirkenden Moore. Ich mag Connerys entspannte Darstellung und sein reifer Bond ist um so vieles besser als seine satte DAF-Interpretation, die in vielerlei Hinsicht wie ein nicht mehr richtig passen wollendes Kleidungsstück wirkte. Aber seine Darstellung in NSNA zeigt auch deutlich, wie sehr Connerys Bonddarstellung in den 60ern auch von seiner physischen Ausstrahlung lebte, vermutlich mehr als bei jedem anderen Bonddarsteller. So gesehen war seine Entscheidung nach YOLT, spätestens dann aber nach DAF (wo es eigentlich ja schon zu spät war) die Rolle sein zu lassen absolut richtig, da alles andere seinem Nimbus als „der Bond schlechthin“ wohl ziemlich geschadet hätte. NSNA hingegen ist in der Beziehung nur ein netter, gern gesehener Nachschlag.
