GoldenEye:
Wenn ich jemanden kennen würde der noch nie einen Bondfilm gesehen hat (und das tue ich nicht

), dann würde ich ihm mit großer Wahrscheinlichkeit GoldenEye zeigen (zuerst vielleicht doch Goldfinger). Ich erinnere mich noch sehr gut an den Tag als ich GoldenEye das erste mal sah. Das war bei einem Schulfreund zuhause, wir waren zu diesem Zeitpunkt wohl kaum älter als zehn. Ich denke GoldenEye bietet einen perfekten Einstieg in das Bonduniversum, weil dieser Streifen alle Ingredienzen beinhaltet die einen guten und spannenden James Bond-Film ausmachen. Ein anständig umgesetztes Script, mit anderen Worten ein übersichtlicher Plot (mit Twist!), spektakuläre Action, schöne Frauen, einen interessanten, Bond körperlich gleichgestellten Bösewicht, gleich zwei toll besetzte Henchmen, darunter das wohl beste Henchwoman der Reihe bis jetzt, tolle, exotische Schauplätze, und ein gesundes Maß an Humor und Ironie.
Tja wo soll man anfangen... Ich bin kein großer Pierce Brosnan-Fan, und dennoch respektiere und schätze ich seine Leistung als James Bond, ich bin eben mit diesem Bond aufgewachsen und es wird da wohl immer dieser nostalgische Wert für mich erhalten bleiben. In GoldenEye liefert er einen sehr gekonnten Einstieg, im Gegenzug zu anderen Kritiken die ich gelesen habe, finde ich seine Performance weder hölzern noch glatt. Er hat es wohl nicht sehr leicht gehabt, schließlich war nach LTK das Franchise am Ende, der Fall des eisernen Vorhangs war dann gewissermaßen der Gnadenstoß für Bond. Das dachte man zumindest. Es gab keine Garantie für einen Erfolg. Trotzdem versucht Brosnan einen traditionellen und dennoch an die 90er Jahre angepassten Bond zu verkörpern und schafft es sogar ihm einen persönlichen Stempel aufzudrücken. Das mag auch an seinem guten Aussehen liegen, ich finde er ist definitiv der attraktivste Schauspieler der Bond je verkörpert hat. Ich fand seine Performance in TND um einiges schwächer, kann aber auch an dessen wortkargem Drehbuch liegen.
GoldenEye ist sicher ein sehr zeitgebundener Film. Er thematisiert den Terrorismus nach dem kalten Krieg, die Gegner sind keine Nationen mehr, sondern Landesverräter und Individuen, die ursprünglich sogar aus den eigenen Reihen kommen. Man spürt dennoch Spannungen, der Kalte Krieg wird zwar an diversen Stellen entmystifiziert (Statuen in der TS, auf dem "Friedhof", Gespräch mit Xenia im Casino) dennoch wirft er einen herrlich dunklen Schleier über den gesamten Film. Die Atmosphäre ist die erste Hälfte des Filmes eher geladen und bedrohlich. Der Film spielt hauptsächlich in Russland, ebenfalls eine Premiere für Bond (war vor 89 wahrscheinlich undenkbar). Trotzdem bietet GoldenEye auch sehr heitere Schauplätze wie das wunderschöne Monte Carlo oder das exotische Kuba. Von London ist nur sehr wenig zu sehen, ich glaube sogar nur eine Totale auf das real existierende MI 5 Headquarter an der Themse (hier das erste Mal eingeführt). Es ist definitiv genug Abwechslung geboten, auch wenn ich nachvollziehen kann dass sich der eine oder andere von den vielen Studioaufnahmen irritieren lassen könnte, denn GoldenEye spielt offen gestanden sehr oft in geschlossenen Räumen, was mich persönlich aber nicht stört, weil die Sets immer stimmig und interessant sind. Meine persönlichen Highlights sind der Damm in der PTS, das Quartier in Severnaja, der Statuen-Friedhof und die Satelitenschüssel auf Kuba.
Neben Sean Bean, der einen Soliden Gegenspieler darstellt, Famke Janssen, die die grausame, psychotische Killerin Xenia Onatopp fantastisch verkörpert, möchte ich gerne auf den leider kürzlich verstorbenen Gottfried John hinweisen, der meiner Meinung nach viel zu selten erwähnt wird. Er verkörpert den korrupten russischen General Orrumov, diese Rolle ist ihm auf den Leib geschrieben. Izabella Scorupco liefert ein solides Bondgirl ab, sie gehört zu den eigenständigsten und intelligentesten Frauen die jemals an Bonds Seite gekämpft haben (man erinnere mich bloß nicht an die schusselige Kara aus TLD).
GoldenEye ist der erste Bond in dem Judi Dench als M zu sehen ist. Ihr Charakter wird zwar erst mit der Zeit an Bedeutung gewinnen, trotzdem stimmt die Chemie zwischen Brosnan und Dench. Sie vertraut 007, kann jedoch seine Arroganz und seine Eskapaden nicht leiden. Ich finde ihren Auftritt sehr stimmig und humorvoll.
Die Action ist ein großer Bestandteil von GoldenEye. Die Szenen variieren zwischen typischer Fun-Aktion (Verfolgungsjagd nach der PTS, Schleudersitz im Tigerhelikopter, Verfolgungsjagd durch St. Petersburg mit einem Panzer) und ernsteren Szenen (Gefängnisausbruch, Zug, Showdown). Obwohl der Film sehr viel an Action zu bieten hat, wirkt er nie überladen, ein Urteil das dem Nachfolger TND wiederum völlig zurecht anhaftet. Bond erschießt erstaunlich viele Gegner in GoldenEye, zwar immer nur zur Selbstverteidigung, dennoch hat der Film einen eher hohen Bodycount. Die Bösen erledigen dann den Rest. Überhaupt gehört GoldenEye zu den brutaleren Bondfilmen. Der Regisseur Martin Campbell setzt viel wert auf lange, realistische Fistfights (siehe auch CR), was ich in einem Bondfilm sehr wichtig finde, weil man erst daran den physischen Wert eines Bonddarstellers messen kann. Brosnans Kampfstil ist in GoldenEye sehr direkt und um einiges realistischer gehalten als alles was er in den nachfolgenden Filmen machen durfte. Der Showdown gegen Sean Bean auf der Antenne ist einer der besten der gesamten Reihe, auch wenn einer der gewalttätigsten. Mir gefällt eher die härtere Schiene, daher ist das eindeutig ein weiterer Pluspunkt.
Eine Sache die ich nie verstanden habe, ist dieses Herumhacken auf den Soundtrack. Eric Serra liefert einen sehr düsteren, Pauken-lastigen, atmosphärischen Soundtrack. Der dominierende elektronische, fast schon Darktechno-artige Beigeschmack mag bei Bond zwar ungewöhnlich erscheinen, passt jedoch hervorragend zu der Computerwelt die immer wieder im Film vorkommt (diese Hacker-Thematik etc.), gleichzeitig aber auch zu Russland und dem Untergang der Soviet-Union. Insgesamt finde ich den Score um einiges besser als die späten John Barry Sachen, die immer uninspirierter und weichgespülter wurden (geschweige denn der furchtbare Bill Conti Score zu FYEO, was zum Henker hat man sich da gedacht). Für GoldenEye funktioniert es, trotzdem sollte es eine einmalige Sache bleiben. So bleibt der Film an sich auch etwas ganz besonderes.
Ich könnte Stundenlang weiterschreiben, aber ich werde dann mal schlafen gehen. Martin Campbell ist es gelungen mit GoldenEye einen wirklich starken Ableger der Bondreihe auf die Leinwand zu zaubern. Das neue Produzententeam Michael G. Wilson und Barbara Broccoli trägt zwar bestimmt dazu bei, dennoch ist es Campbells Sinn für die richtige Atmosphäre, Rhythmus und Action der hier dominiert. Leider hatte Brosnan nie wieder Gelegenheit mit ihm zu drehen, denn Campbell versteht und beherrscht Bond von vorne bis hinten, was er elf Jahre später mit Casino Royale (2006) bewiesen hat. Auch wenn Charakterentwicklung keine zentrale Stärke von GoldenEye ist, so bekommen wir dennoch einen Klassiker, der hoffentlich noch viele Generationen bei Laune hält. Selten war die Balance zwischen Storytelling, Action und Fun in der Reihe so ausgeglichen wie es hier der Fall ist.
Ich gebe GoldenEye 9 von 10 Punkten, er wird wahrscheinlich immer unter meinen Top 5 bleiben. 10/10 hat von mir bis jetzt nur ein Bondfilm geschafft, und das ist natürlich Casino Royale.