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von danielcc
00-Agent
na dann fange ich mal an:
Bond marathon Nr. 21.
der 21ste bondfilm sollte endlich die verfilmung von flemings erstlingswerk casino royale werden. eigentlich hatte pierce brosnan ja schon eine rückkehr zum usprünglichen bond gewünscht und auch eine verfilmung von eben CR, doch es sollte anders kommen und so übernahm nach 4 filmen daniel craig von brosnan.
casino royale ist in vielerlei hinsicht eine revolution im eingefahrenen bond-universum. verantwortlich dafür ist die mutige entscheidung der produzenten, einen neuen weg einzuschlagen, ihre verpflichtung martin campbell zurückzuholen, daniel craig zu engagieren und dem drehbuch von purvis&wade eine generalüberholung durch paul haggis zu gönnen.
was dabei herausgekommen ist, hatte das potenzial einen großteil der bondfans zu verschrecken. doch es wurde ein triumpf auf ganzer linie - sprich bei fans, nicht-fans und kritikern (man höre und staune)
der reihe nach: CR ist nicht nur stilistisch und storymäßig neuland, nein man hat das franchise auch einem "re-boot" unterzogen. CR zeigt in einer PTS, die in ihrer kürze und konsequenz an GF erinnert, die anfänge von bonds karriere. mit zwei tötungen wird er zum 00-agent. wie bei GF dient diese PTS vor allem der charakterzeichnung - anders als damals wird es auch im restlichen film mehr um charaktere und deren entwicklung gehen, als um das übliche welt-bedrohungs szenario. doch die düstere, grob aufgelöste schwarz/weiße PTS bestimmt auch den ton des restlichen films: es geht dreckiger, düsterer und erdiger zur sache. bond ist hier kein vollkommener gentleman, kein superheld, kein weichei, das kleine asiatinnen für sich kämpfen lässt oder im schlägereien mit faltenfreiem smoking überlebt, nein, er ist ein eiskalter killer, ein ungeschliffener diamant für die "besonderen aufträge" in den händen des MI6.
nach der PTS und den innovativen retro-titles zum song von chris cornell erleben wir bond bei seiner (vermutlich) ersten mission mit lizenz zum töten - von der er auch hier schon gebrauch machen wird. die sich daraus entwickelnde verfolgung durch den dschungel. auf baukräne und über eine großbaustelle sucht ihres gleichen im actiongenre! großes kompliment an das team, welches es schafft, unglaublich echte, handgemachte aber dennoch spektakuläre actionsequenzen in vollkommen nachvollziehbaren bildern einzufangen.
CR ist ein nahezu vollkommener film, der auf mehreren ebenen funktioniert:
- die story ist spannend, nachvollziehbar und hat das richtige tempo
- die charakterzeichnung ist ohne jeden zweifel die beste aller filme der serie. bond ist ein mensch mit fehlern, und dadurch verletzlich. dies verleiht dem film eine neue spannung, eine neue dimension
- die beziehung der charaktere unter einander ist um so vieles besser geschrieben als bei den anderen filmen, dass diese schon fast traurig im vergleich wirken.
- es gibt ein übergreifendes thema, was dem ganzen eine wirkliche bedeutung verleiht. hier geht es um vertrauen und täuschung. so funktioniert das pokerspiel in doppelter hinsicht.
man könnte jetzt szene für szene durchgehen, wo CR besser funktioniert als die meisten bondfilme. aber ich glaube, dass es im wesentlichen die oben genannten punkte sind, die den unterschied machen. CR ist nicht ein guter bondfilm, es ist ein guter FILM, in dessen zentrum funktionierende, faszinierende charaktere und deren beziehungen stehen. hier vor allem die beziehung zwischen bond und vesper. nie zuvor gabs es so etwas in einem bondfilm und die bond-tracy "romanze" aus OHMSS kommt natürlich nicht annähernd ran. allein die szene, in der die beiden sich kennenlernen im zug, ist eine wucht und zweifellos die am besten geschriebene szene der bondgeschichte. wie die beiden sich auf augenhöhe begegnen, wie sie sich necken (denn was sich neckt das liebt sich), wie sie sich gegenseitig analysieren und dabei voll auf den punkt treffen, wie sie gleichzeitig die handlung vorantreiben in dem die mission erläutern und dabei auch das doppelbödige thema des trauens und misstrauens/des bluffens mit einflechten lassen, das ist schon genial und übertrifft sogar die original-szene in hitchcocks "der unsichtbare dritte".
auch der aufbau des films ist revolutionär für die bondserie. normalerweise wird sofort die bedrohung aufgezeigt. um so etwas banales geht es hier gar nicht. im ersten drittel ermittelt bond um überhaupt zu verstehen, um was es geht. der bösewicht heißt hier "terrorismus" und der ist überall und hat kein gesicht. nachdem bond die wesentlichen "player" ausgemacht hat, konzentriert sich das zweite drittel auf das pokerspiel - die konfrontation mit dem bösewicht. hier zeigt sich campbells große kunst. er schafft das unmögliche: eigentlich ist es langweilig ein pokerspiel zu beobachten, doch er schafft es durch die personalisierung (bond vs. lechiffre) und durch die ständige unterbrechung durch andere szenen, einen wirklich tolle spannung aufzubauen. im nachinein empfindet man wirklich, dass man einem mehrtägigen spannenden pokerturnier beigewohnt hat, in wahrheit waren es nur ca. 5min poker.
im letzten drittel folgen die ruhigeren momente, eine romanze, es wird emotional, doch nur um am ende dann noch eimal richtig zuzuschlagen. wer den roman nicht kennt, wird vom ende überrascht sein und die szene in der bond in venedig erkennt, dass vesper ihn hintergangen hat, ist einfach umwerfend. so baut man einen film spannend auf, auch wenn sich jugendliche gerne mal über "langweilige am ende" beschweren werden. nein, SO ist es genau richtig.
kommen wir zu einigen herausstechenden einzelszenen:
- bond gewinnt beim poker seinen aston martin DB5 und gleichzeitig das wunderschöne bondgirl. was craig hier an charisma zeigt, würde connery zur ehre gereichen
- die anschließenden verfolgung bis hin zur actionszenen auf dem flughafen ist sicherlich nicht so dringend notwendig für die story aber verdammt gut inszeniert. echte stunts, echte action.
- die nächste actionszene ist die schlägerei im treppenhaus, kurz, dreckig, brutal. anschließend verschwindet bond im hotelzimmer und behandelt seine wunden. fleming pur
- bond tröstet vesper unter der dusche. mehr gefühl gab es bei bond nie und dennoch ist die szene nicht peinlich weil brillant von beiden gespielt
- bond bestellt am pokertisch seinen vesper cocktail nach originalrezept.
- bond wird vergiftet und wird in letzter sekunde von vesper gerettet
- und zwischendurch kehrt er immer wieder zum pokertisch zurück und nimmt es im blickduell mit lechiffre auf
- schauspielerischer höhepunkt ist sicher die folterszene. klar, ähnliche szenen hat man häufiger gesehen aber craig spielt umwerfend gut. wieder geht es nicht um die folter oder die brutalität, es geht um die auseinandersersetzung der beiden männer
ach was solls, im grunde hat der film keine schlechte szene! jede szene erfüllt seinen zweck. die action kommt stets zum richtigen moment und ist jedes mal spektakulär. doch noch schöner sind die emotionalen momente, die CR wohl auch für einen vollwertigen film für frauen machen.
und als ob diese elemente nicht genug wäre, entwickelt sich craig zwischendurch auch noch vom "blunt instrument" zum "Bond. James Bond". sehr schön dabei, wie vesper diese entwicklung in jeder hinsicht vorantreibt: sie kleidet ihn ein, sie inspiriert seinen lieblings-drink, und ihr verrat und tod ist es letztlich, der ihn für immer beeinflussen wird. absolut genial.
vielleicht noch einen seitenhieb auf die, wie ich finde, teils ungerechtfertigte kritik, die es dann doch gibt: CR war der notwendige schritt zum richtigen zeitpunkt. man kann ewig das gleiche machen und irgendwann in der bedeutungslosigkeit versinken oder man kann sich selbst neu erfinden. das schöne bei CR ist doch, dass bei allem was oberflächlich so neu und andersartig ist, doch im grunde mehr typisch "bondiges" geboten wird als oft zu vor. erstmals gibt es rene mathis, als wunderbaren nebencharakter, der vodka martini in seiner ursprünglichen form, der harte bond der auch mal weich sein kann, die locations, die handgemachten stunts, die maßstäbe setzen und und und.
was ist schlecht am film? nun, man könnte jetzt alles aufzählen, was vielleicht im vergleich zu "früher" fehlt aber macht das den film schlecht? wenn er doch so funktioniert wie er ist... ich glaube aber doch schon jetzt erkennen zu können, dass mir der film vielleicht ein wenig zu lang ist. da ich auf der einen seite die kurzen, knackigen filme wie DN so liebe, könnte ich mir vorstellen, dass ich mich in 10 jahren durch CR ein wenig durchquälen muss. bis her bin ich (und alle denen ich den film zeige) aber immer wieder aufs neue begeistert
"It's been a long time - and finally, here we are"