AnatolGogol hat geschrieben: 11. Januar 2025 12:02
Ich bin da weitgehend bei Hille. Für mich hat OHMSS einiges an handwerklichen Defiziten, weswegen er sich bei mir eindeutig im unteren Drittel aller (zumindest klassischen) Bondfilme wiederfindet. An Hunts Regie stört mich doch so einiges wie ich auch den dramaturgischen Fluss nicht immer als stimmig ansehe (die Szenen auf dem Piz sind launig, bremsen den Film aber auch aus. Die Einbruchszene ist super spannend inszeniert, bremst den Film aber auch aus. etc.). Aber am Ende ist es tatsächlich Lazenby, der die schwerste Bürde des Films darstellt. Er fällt wie ich finde in jeder Szene negativ auf dadurch, dass er sich nicht natürlich vor der Kamera zu bewegen versteht. Die Tatsache, dass er mit Savalas, Rigg, Ferzetti oder Steppat richtig gute Schauspieler gegenüber hat macht das sogar noch schlimmer.
Endlich bilden wir mal wieder eine gemeinsame Front. Es hat mir schon gefehlt ...
Ich finde nach wie vor, dass neben Lazenby vor allem negativ ins Gewicht fällt, wie unrund OHMSS dramaturgisch konstruiert ist. Da passt im Detail relativ wenig für mich zusammen. Mein - hier irgendwann schon einmal aufgeführtes Lieblingsbeispiel - Bond ermittelt eine Dreiviertelstunde auf Piz Gloria, plauscht mit Blofeld, beglückt ein paar Allergikerinnen, kuriert seine Versteifung, und bekommt dabei absolut nix in Erfahrung, außer, dass irgendein Hypnose-LSD-Zeugs abgeht. Weil das so ist, erklärt Blofeld ihm danach in aller Seelenruhe ausführlich seinen albernen Plan (ansonsten wären wir ja gar keinen Schritt weiter) und sperrt ihn dann in eine Zelle ein, die ein großes Fenster hat.
Warum nicht Bond selbst herausfinden lassen, was Glatze mit Katze vorhat? "007 im Alpen-Harem" ist eine lustige Idee, sicher, aber erzählerisch fällt das doch etwas dünn aus, und dem Drehbuch ist das offensichtlich sogar klar, sonst müsste Blofeld nicht in dieser Ausführlichkeit genauestens vorbeten, was er jetzt eigentlich machen will.
Und dann gibt es so viele andere mal unwesentliche und mal sehr große Kleinigkeiten: Bonds und Tracys große Liebe füreinander wird vor allem im dritten Akt während der Actionszenen entwickelt. Da entsteht etwas, nicht nur in der Scheunenszene, auch in ihrem Umgang miteinander. Wozu also schon im ersten Akt so konkret werden? Warum da schon Satchmo nölen lassen? Weshalb da schon gemeinsam Ringe angucken? Und wieso spricht Bond da schon von "Liebenden"? Wo kommt das her?
AnatolGogol hat geschrieben: Heute 12:18
Die Einbruchszene zeigt ja eigentlich nur das, was uns der Film auch ohne sie mitteilt: Bond besorgt sich Infos über den vermeintlichen Blofeld über dessen Anwalt. Als ich die Szene erstmals gesehen hab dachte ich dann entsprechend auch: komisch, dass sie uns etwas zeigen, was wir ja eh schon wissen. Und sie ist bis heute für mich ein zweischneidiges Schwert: handwerklich hervorragend, aber inhaltlich redundant und daher bei einem ohnehin schon nicht besonders temporeichen und vergleichsweise langen Film schon in gewisser Weise "ausbremsend".
Mir geht es lustigerweise noch stärker so mit der Szene, in der Bond bei M im Büro kündigt und Moneypenny ihn mit dem Urlaubsantrag rettet. Das ist alles ganz nett und soll Bonds Verbissenheit in Punkto Blofeld zeigen, aber ... ist das in diesem Überlängen-Film nötig? Was gewinnt der Film durch diese Szene? Und wenn sie vor allem dazu da ist, um zu erklären, weshalb Bond auf den Deal mit Draco einlässt, ist es gleich noch blöder, direkt im Anschluss Bond von "Liebenden" säuseln und "We have all the time in the world" spielen zu lassen! Nein, funktioniert für mich nicht.
Selbes Spiel mit Campbell, eine Figur, deren Auftritte man ebenfalls ersatzlos streichen könnte, weil sie uns original nirgendwo hinbringen. Er will 2- oder 3-mal auf den Berg hoch, wird erwischt, umgebracht und ... fertig. Bond rächt sich nicht für den Tod an einem Kollegen. Bond reagiert nicht mal groß auf den toten Campbell. Wir erfahren über die Szenen mit Campbell nichts Neues über die Sicherheitsvorkehrungen auf Piz Gloria ... Fans stören sich (durchaus zurecht) in YOLT gerne an Bonds unnötiger Japanerwerdung, aber OHMSS schießt dann gleich mehrere solcher Böcke, ohne für mich ersichtlichen Grund oder Bezug zur Kernhandlung.
Nico hat geschrieben: Heute 12:53
Mit dem Argument könnte man allerdings auch so ziemlich jede Ermittlungsarbeit abkürzen, oder?
Ich sehe das Problem allerdings schon vor allem da, dass wir als Zuschauer in dieser Szene keine neuen Informationen erhalten. Was Bond in der Szene eigentlich erfährt, wird uns ohnehin erst
hinterher mitgeteilt. Vergleiche das mit der Safe-Szene in YOLT im direkten Vorgänger. Da begleiten wir Bond, wie er den Mörder von Henderson ausschaltet, sich als dieser ausgibt, sehen mit ihm gemeinsam, dass die Osato-Corp. in das Geschehen verwickelt ist usw. In OHMSS geht er in ein Büro, guckt ein paar Akten durch und sagt uns eine Szene später, was drin stand. Da kann ich Anatol schon verstehen, wenn er sagt: Der Film braucht diesen Zwischenschritt nicht in der Ausführlichkeit. Erst recht, wenn es ein Film ist, bei dem ihm (und mir auch) der Handlungsfluss hinsichtlich Tempo und Rhythmus ein Dorn im Auge ist.