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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Das Imperium schlägt zurück
1977 waren Fans weltweit begeistert, als Luke Skywalker, Protagonist von George Lucas' "Krieg der Sterne" den Todesstern, die mächtige Waffe des Imperiums, nach einer fesselnden Raumschlacht vernichten konnte. Drei Jahre später war es nun nicht mehr Lucas, sondern Irvin Kershner, der auf dem Regiestuhl Platz nahm, um den beängstigenden Darth Vader als Überlebenden dieses Anschlags reagieren zu lassen. Das Imperium schlug zurück... Zum Glück, denn das Resultat dieses Gegenangriffs entpuppte sich schnell als einer der brillantesten Filme aller Zeiten.
Viele Worte über "Das Imperium schlägt zurück" zu verlieren erscheint gar nicht nötig, ist es doch ein Film, der für sich selbst stehen kann/muss. Daher nur so viel: Auch noch Jahrzehnte nach seiner Entstehung beeindruckt Kershners Sequel, welches jegliche Naivität, Verspielt- und Verträumtheit des Vorgänger zu Gunsten eines dreckig-düsteren Epos ablegte. Bereits in der ersten halben Stunde, die den titelgebenden Schlag des Imperiums auf dem Eisplaneten Hoth gegen die Überbleibsel der Rebellion beinhaltet, zeigt Kershner die Straffheit und das Tempo seiner Inszenierung. Einzuführen braucht er die wesentlichen Charaktere nicht mehr und so startet er nach einem kurzen Prolog, der eine fanatsievolle Kreatur (ein Yeti-ähnliches "Wampa") auf Luke treffen lässt, aber bereits anders als "Krieg der Sterne" schon hier einen sehr bedrohlichen Unterton hat, eine Kriegsschlacht, wie man sie bildgewaltiger nicht inszenieren kann. Die verzweifelten Rebellen lehnen sich in einer bereits zu Beginn eindeutig entschiedenen Schlacht gegen die AT-ATs, die übermächtigen vierbeinigen Riesen-Panzer des Imperiums, auf. Die stilsicheren Bilder sind üppig, Kershner variiert Motive des Todesstern-Angriffs mit eigenen Ideen (wie einer Ego-Perspektive, bei der der Zuschauer selbst zum Piloten wird), John Williams zielsicherer Soundtrack kleistert eine Marschmusik unter das Geschehen, die den Zuschauer in ihren Sitz katapultiert und parallel dazu sehen wir unsere Sympathieträger Han Solo, Luke oder Prinzessin Leia bei ihrem unaufhaltsamen Scheitern zu. Zurecht ging diese Materialschlacht also als eine der besten Actionszenen in die Analen der Sci-Fi-Geschichte ein.
Doch für Kershner ist jenes filmisches Inferno nur der Auftakt für eine viel größere Geschichte. Und tatsächlich gelingt es ihm, die eingangs geweckten Erwartungen sogar noch zu übertreffen. Clever trennt er die Protagonisten, isoliert Luke von den anderen Charakteren, sodass diese im Original noch profillose Figur die Möglichkeit bekommt, sich zu entwickeln. Doch was wirklich auf Luke und den Zuschauer wartet, verschlägt einem den Atem. Die Episoden auf dem Sumpfplaneten Dagobah sind an Atmosphäre nicht zu überbieten. Hier stimmt wirklich jedes noch so kleine Detail, angefangen beim größten Triumpf des Filmes: Frank Oz als Yoda. Dieses kleine, grüne Wesen sieht nicht nur hervorragend lebensecht aus und sorgt für eine gewaltige Überraschung im Film, sondern transportiert sämtliche Botschaften des Filmes und es ist äußerst lobenswert, was Kershner aus Lucas' einfallslosen religiösen Metaphern gemacht hat. So finden sich in "Das Imperium schlägt zurück" zahllose Einflüsse buddhistischer und taoistischer Lehren, die mit einer ungemeinen Symbolgewalt angereichert werden und so charmant wie prägnant verpackt sind, dass man als Zuschauer praktisch an den Lippen Yodas hängt. Mark Hamil zeigt als Luke unterdessen in der Tat eine verblüffend sichere Performance und kann der Faszination seines kleinen Gegenübers jederzeit gerecht werden. Abgerundet wird der fantastische Mittelteil durch die Abenteuer von Harrison Ford und Carrie Fisher als Han und Leia, die auf der Flucht vorm Imperium von einer toll getricksten Hetzjagd in die Nächste (und unterwegs auch ein wenig aufeinander zu) stolpern und damit die nötige Abwechslung zum spirituellen Dagobah-Abschnitt erbringen.
Im letzten Akt schöpft die Erzählung dann aus den Vollen. Alle Faszination, alle Motive und Themenstränge vereinen sich in der Wolkenstadt Bespin (die wieder einmal das großartige Set-Design der Verantwortlichen exemplarisch verdeutlicht), wo es zur berühmtesten Konfrontation der Filmgeschichte kommt, kurz nach dem sich die getrennten Helden fast wieder vereint hätten. Luke stellt sich dem beängstigendsten Schurken, den sich ein Film nur wünschen kann und der stets wie ein Schatten über dem Geschehen liegt: Darth Vader. Das Lichtschwertduell der beiden ist eine Auseinandersetzung klassischer Natur: Gut und Böse treffen ungehemmt aufeinander, nicht nur zwischen den beiden Parteien selbst, auch in Lukes Innerem liegen schwarz und weiß im Konflikt. Die dann aus dem Nichts kommende legendäre Enthüllung ist wohl der größte Schock, den Kershner hätte umsetzen können und erwischt den Zuschauer so eiskalt, dass er nach dem unerwartet hoffnungslosen Cliffhanger Minuten lange mit geöffnetem Mund darsitzt und gar nicht erfassen kann, was ihm gerade wiederfahren ist. Wie nahe Humor und Tragik beieinander liegen zeigt ohnehin kaum ein Film besser als "Das Imperium schlägt zurück", der mit Kenny Baker und Anthony Daniels als tollpatschige Droiden R2-D2 und C-3PO und Peter Mayhew als Wookie Chewbacca die Komiker des Vorgängers im Sinne der Auflockerung zurückbringt, um einen von ihnen dann in einer erschreckend brutalen Szene plötzlich aus dem Spiel zu nehmen, wobei auch hier nichts so ist, wie es zunächst scheint...
Fazit: Wenn der schlimmste Augenblick eines Filmes das Einsetzen seines Abspannes ist, dann haben die Personen vor und hinter der Kamera einen ausgezeichneten Job gemacht. "Das Imperium schlägt zurück" ist solch ein ausgezeichneter Job, er ist ein erwachsenes und ernstes Epos, verhüllt unter dem Deckmantel einer Space Opera, wie auch alle Charaktere im Film sich mit ihrem Inneren auseinandersetzen müssen, was im Falle gesichtsloser Charaktere wie Yoda erst dank der bemerkenswerten Arbeit der Kostümdesigner und Voice Actor glaubhaft wirkt. Der einzige Charakter, dessen Innenleben wir nie kennen lernen, ist folgerichtig der Antagonist Darth Vader, der allerdings am Ende doch eine kleine Nebensächlichkeit von sich Preis gibt - eine, die nicht nur auf der Leinwand zu blankem Entsetzen führt. Kershners Regie nimmt sich selbst ernst und erschafft eine fast schon apokalyptische Stimmung, die sich schlussendlich in einem Albtraum entlädt, aus dem man final noch nicht erwachen darf (dies verschiebt er lieber auf die Fortsetzung). Kaum ein anderer Film macht die Mühe, die er die Beteiligten gekostet hat, so eindeutig sichtbar. Daher ist es wohl zu guter letzt Yoda, der das Motto der Produktion am besten zusammenfassen kann: "Try not. Do. Or do not. There is no try."
10/10
https://filmduelle.de/
https://letterboxd.com/casinohille/
Let the sheep out, kid.