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von Zoso
Agent
Da ich ja jetzt inzwischen stolzer Besitzer der Ultimate Edition bin, habe ich in den vergangen Tagen (mal wieder) angefangen, mir alle Filme in chronologischer Reihenfolge zu Gemüte zu führen. Gestern war nun OHMSS an der Reihe und mich trängt es nun, zu diesem vieldiskutierten Ausnahmefilm ein paar Worte zu verlieren.
Der Film ist in mehrerer Hinsicht ein zweischneidiges Schwert. Einerseits der Versuch, die bis dato erfolgreichste Filmfranchise würdig weiterzuführen, andererseits das Bemühen, dem Film etwas Außergewöhnliches zu geben, etwas, was dem Film von seinen Vorgängern abhebt. Der Versuch beides zu vereinen, soviel sei verraten, ist nur teilweise geglückt.
Warum, das werde ich im Folgendem erläutern.
Fangen wir bei der offensichtlichsten Veränderung bezüglich der fünf vorangegangenen Filme an. Dem Hauptdarsteller George Lazenby. Viel ist über ihn geschrieben wurden, meist eher Schlechtes und Herabwürdigendes. Tatsache ist, Lazenbys Kurzeinsatz als Geheimagent ihrer Majestät ist bei weitem nicht so schlecht, wie es viele wahrhaben wollen, allerdings auch nicht so gut, wie einige Fans es oftmals verklären. Von der Erscheinung passte Lazenby sicherlich äußerst gut in den berühmten Smoking. Groß, athletisch und sicherlich nicht unattraktiv, eigentlich perfekte Voraussetzungen für die Bondrolle. Auch ein gewisses Charisma kann man Lazenby nicht absprechen, entschädigt es doch für so manche Ungelenktheit bei seiner schauspielerischen Darstellung. Und diese ist, sei wir ehrlich, von all sechs Bondinterpreten die mit Abstand schwächste. Das allein wäre aber gar nicht so schlimm, denn die Bondrolle erfordert ja nicht zwangsweise oscarwürdige Schauspielleistungen (auch wenn man den Leuten neuerdings etwas Anderes zu suggerieren versucht). Fakt ist, viel wichtiger als ein herausragendes Minenspiel ist die Präsens, die der Darsteller seinem Bond zu vermitteln vermag - oder halt auch nicht. Zwar ist Lazenby kein Nullnummer, was im Übrigen bei der Figur des 007 nicht einer gewissen Ironie entbehrt, an die unheimlich starke Leinwandpräsenz Sean Connerys (und als Begründer der Filmrolle wird Lazenby immer an ihm gemessen werden) reicht er einfach nicht heran. Dessen Charisma und Dominanz gehen Lazenby schlichtweg ab. Man muss dem Australier natürlich zu gute halten, dass es sich bei OHMSS um seinen ersten Film überhaupt gehandelt hat und das er sich mit möglichen weiteren Bondfolgen sicherlich noch gesteigert hätte, es bleibt aber doch stark zu bezweifeln, ob er jemals an Connerys Klasse herangekommen wäre.
Aufgewogen werden diese Schwächen durch einen mehr als starken Nebencast.
Da wäre an erster Stelle natürlich die wunderbare Diana Rigg als Tracy zu nennen. Ihre Performance als zickige, verwöhnte Junggräfin ist sicherlich die beste jemals gelieferte Darstellung eines Bondgirls (Ausnahme Eva Green in CR). Überhaupt ist ihre Rolle wesentlich differenzierter gestaltet, als die der üblichen Bonddamen. Somit ist es für den Zuschauer wesentlich einfacher nachzuvollziehen, warum Bond sich unsterblich in sie verliebt und sie schlussendlich sogar ehelicht.
Leider ist ihre Rolle im film nicht so ganz schlüssig eingebaut. Nachdem ihr Part anfangs im Mittelpunkt der Handlung steht, verschwindet sie für gut eine Stunde, um dann plötzlich wieder aufzutauchen und Bond im letzten Moment zu retten. Dadurch wirkt die Einbeziehung ihrer Figur doch arg konstruiert, dass hätte man besser lösen können.
Telly Savalas, der Bonds Erzfeind Blofeld spielt, liefert zwar ebenfalls eine beeindruckende Darstellung ab, vielleicht die beste aller Blofeldleistungen, will aber nicht so recht in das in den vorigen Filmen entworfene Schema der Nr.1 passen. War uns Blofeld bis jetzt immer als rational denkender, alle Möglichkeiten kalkulierender Stratege, mit einer weltweit operierenden Geheimorginisation präsentiert wurden, so spielt er in OHMSS „nur“ einen Schurken, der von seinem kleinen Stützpunkt aus die Welt erpressen will.
Es mutet schon sehr merkwürdig, ja fast entwürdigend an, wenn Blofeld selbst an der Verfolgung und Ermordung Bonds Hand anlegen muss, wenn wir ihn in FRWL und TB noch als unnahbares Oberhaupt gesehen haben, der alle nur erdenklichen Aufgaben von seinen Untergebenen erledigen lässt. Auch das typische Streicheln der Katze dient hier lediglich als Wiedererkennungseffekt und wird nur kurz am Anfang benutzt, um den Zuschauer klar zu machen, dass es sich hier um Blofeld handelt, nicht aber als Charakterisierung wie in den anderen Bonds. Ganz davon zu schweigen, dass Blofeld Bond nicht mal kennt.
Nichtsdestotrotz ist Savalas Leistung für den Film allein gesehen, nicht hoch genug einzuschätzen, gibt er doch einen der besten Bondschurken überhaupt.
Der Rest des Stammcrew erledigt seine Aufgaben gewohnt überzeugend, auch wenn man sich auch bei ihnen nicht des Gefühls erwehren, kann, dass sie sich irgendwie alle im falschen Film befinden. Teilweise wirken sie fast wie Fremdkörper in ihren eigenen Rollen.
Auch die berühmt berüchtigten Actionsequenzen sind nicht frei von Makel.
Auf der einen Seite haben wir aufregende Ski- und Autoverfolgungsjagden, die in ihrer handgemachten Art auch heute noch Filmfans begeistern können, auf der anderen Seite stören die häufig eingesetzten Rückprojektionen doch gewaltig. Dabei muss man den Filmmachern weniger den übermäßigen Gebrauch als die schlechte Ausführung vorwerfen.
Derlei Szenen hat man in schon in FRWL und DR wesentlich besser realisiert gesehen.
Ebenfalls zu beanstanden ist der teilweise unübersichtliche bis falsche Schnitt. Zwar sind diese Abschnitte allesamt rasant und dynamisch in Szene gesetzt, verlieren durch diese Fehler aber doch merklich an Reiz. Hier wäre weniger vielleicht tatsächlich mehr gewesen.
Auch die Story, neben CR sicherlich die flemingtreueste, schwankt des Öfteren zwischen dem Anspruch das Buch originalgetreu auf die Leinwand zu bringen und gleichzeitig der Filmfranchise mit all ihren lieb gewonnenen Merkmalen treu zu bleiben.
Interessant auch das einzigartige Ende. Hier kann man die Produzenten nur zu ihrem Mut beglückwünschen, den Film mit Tracys Tod enden zu lassen. Nicht nur, dass dieser Schluss dem Film einen gewissen „Anspruch“ verleiht, er lässt die Figur des James Bond auch in einem anderem, realistischeren Licht erscheinen und verlangt Lazenby dann auch seine beste Schauspielleistung ab.
Die Szene ist bei genauerer Betrachtung allerdings ziemlich willkürlich, da Tracys Tod keinerlei Einfluss auf die Geschichte bzw. auf das Verhalten Bonds hat. Ob sie nun stirbt oder die beiden Turteltauben in die Flitterwochen fahren ist für die Story eigentlich unerheblich. Man vergleiche nur mal mit CR, wo Vespers Ableben nicht nur logisch in den Handlungsablauf eingebettet ist, sondern auch Bonds Wesen maßgeblich beeinflusst hat.
Bei OHMSS sah man sich vielleicht auch vor das Problem gestellt, dass Bonds Vielweiberei in den folgenden Filmen relativ unmoralisch und vor allem unglaubwürdig wirken würde, wenn zuhause eine Frau am Herd stehen würde.
Aber das soll natürlich nicht die Wirkung dieser Szene mildern, die unbestritten zu den besten der Bondhistorie zählt.
Fazit: OHMSS ist sicherlich kein perfekter Film. Dennoch haben wir hier einen ungewöhnlichen, ja außergewöhnlichen Bond vor uns – und das erfordert natürlich auch besondere Bewertungsmaßstäbe. Sieht man den Film in der Tradition der vorangegangenen bzw. folgenden Bondabenteuer gibt es sicherlich so einiges zu bemängeln und zu beklagen.
Ruft man sich aber die besondere Situation der Entstehung des Films in Erinnerung und sieht man den Film losgelöst von der Bondfilmtradition, erwartet einen ein tolles Spionageabenteuer mit guten bis sehr guten Darstellern, superber Action und einem Hauch Drama.
Ich tendiere trotz meiner oben aufgeführten Kritikpunkte zum Letzteren. Macht 9/10 Punkten auf der Werteskala.
"The mighty arms of Atlas hold the heavens from the earth"