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von Nico
Agent
Mit ziemlicher Verspätung hole ich hier nochmal meine Einschätzung zur letzten Sichtung von OHMSS nach. Den Weihnachtsbond gab es natürlich in der Weihnachtszeit, nur fehlte mir dann ein wenig die Zeit, meine Gedanken aufzuschreiben. (War viel los im Büro, hehe.)
Vor OHMSS stand die Bond-Reihe am Scheideweg. Sean Connery, auf den mehr und mehr alles zugeschnitten worden war und dessen letzter Film gerade erst mit dem Slogan "Sean Connery IS Bond" beworben worden war, war ausgestiegen. Was nun? Anstatt, wie es bei den noch folgenden Darstellerwechseln üblich werden sollte, eine neue Richtung einzuschlagen und den neuen Darsteller bewusst etwas anders auszulegen, entschied man sich damals noch für das Gegenteil. Man setzte auf den jungen und unerfahrenen George Lazenby (kaum zu glauben, dass er bei den Dreharbeiten erst 29 Jahre alt war) und versuchte, möglichst alles genau so zu lassen, wie es immer war. Der neue Bond ist ganz und gar der alte! Auf den ersten Blick zumindest. Den insgesamt gesehen unterscheidet sich Peter Hunts erste Regie-Arbeit doch deutlich von den bisherigen Bond-Streifen (die, wie in meinen letzten Rezensionen beschrieben, auch längst nicht alle gleich sind.)
Gerade im Gegensatz zum vorhergegangenen Spekatkel-Film YOLT nimmt sich OHMSS sehr zurück uns wirkt beinahe bodenständig. Es gibt bis auf einen Safe-Knacker (das ging im Vorgängerfilm auch noch leichter) keine Gadgets, Bond ist lange auf sich gestellt und muss sich auf seinen Verstand verlassen und sich selber helfen. Auch die Figur Blofeld, im Vorgängerfilm noch quasi als Karikatur angelegt, wirkt erstaunlich realistisch. Das ganze wird gepaart mit teilweise wirklich atemberaubend toll gefilmten Sequenzen wie der Ski-Verfolgung, ganz viel rund um die tolle Location Piz Gloria, die Lawine (sowieso alles in den Bergen eigentlich) und die auch durch John Barrys spannungsgeladene Musik schon beim Zuschauen nervös machende Szene bei Gumbold. Apropos Musik: Hatte Barry in den letzten Filmen schon durchweg bewiesen, dass er es meisterhaft drauf hat, Bond passend zu vertonen, legt er hier nochmal eine Schippe drauf. Der Score inklusive Louis' Armstrong WHATTITW und dem grandiosen Hauptthema des Films macht einfach enorm Spaß und passt zum erst sonnigen, dann verschneiten Bond wie die Faust aufs Auge.
Glänzen kann der Film auch mit seinem Cast. Ich gebe es zu: Ich fand George Lazenby nie so schlecht wie die Allgemeinheit. Klar ist er nicht der geborene Schauspieler, aber für seine kaum vorhandene Erfahrung macht er es doch ganz gut, hat die passende Optik und vor allem auch die überzeugende Physis. Ich hätte gerne noch mehr Filme mit ihm gesehen, zumindest DAF. Ganz besonder genannt werden müssen natürlich die tolle Diana Rigg, die Teresa di Vincenzo und ihr sich wandelndes Verhältnis zu Bond überzeugend darstellt, und Telly Savalas, der Donald Pleasence mit einem Fingerschnipsen vergessen macht. Sein Blofeld ist kein rumsitzender Sprücheklopfer. Er ist hart, überzeugend und mischt sich selbst in die Action ein. Ein absoluter Traum und für mich auf der Liste der Bond-Schurken-Darsteller weit oben anzusiedeln. Auch Ilste Steppat als Irma Bunt und Gabriele Ferzetti bereichern den Cast.
Die paar Wermutstropfen, die es gibt, wiegen nicht schwer. Blofelds Plan bleibt blass, die Bedrohung durch seine Todesengel merkwürdig ungreifbar und kaum bedrohlich. Und warum er überhaupt so viel Wert auf seinen Grafentitel liegt, erschließt sich mir absolut nicht. Auch Tracys plötzliche Verliebtheit in Bond kommt für mich nicht überzeugend rüber. Klar, es gibt die Kitsch-Montage mit Louis (ich mag sie) und dann lächeln sie sich im Auto an (wann spricht Drago denn eigentlich endlich mit Malone!?), aber so wirklich funktioniert das für mich nicht. Ist aber auch gar nicht schlimm, denn dann verschwindet Tracy erst einmal für eine Ewigkeit aus dem Film und taucht im genau richtigen Moment wieder auf. Finde ich ok, in die Piz Gloria-Szenen hätte sie nicht reingepasst und so wirklcih entwickeln sich ja auch erst auf der gemeinsamen Flucht die Gefühle füreinander. Womit wir bei DER Neuerung des Films wären: Die Liebe. zwar ist der Roman-Bond andauernd verliebt und erwägt mit jeder Frau, die mal in den Büchern vorkommt, ein gemeinsames Leben, im Film war das bisher unvorstellbar. Doch Hunt inszeniert diese Liebe so, dass sie zu Bond passt. Klar braucht es etwas aufgesetzte Romantik am Anfang, aber den Großteil des Films über ist Bond der knallharte Agent wie immer, dem es dann aber doch langsam dämmert, dass diese Tochter eines Verbrechers, die ihn anfangs spöttisch gegenübersteht, doch gar nicht mal so doof ist... Ohne lange Worte und schwülstige Liebesbekundungen, die kein Mensch ernst nehmen kann (Look at you, Sam Mendes & Cary Fukunaga), wird die beziehung der beiden doch glaubhaft dargestellt. Dass es dann dofort zur Hochzeit kommen muss, ist vielleicht etwas überzogen, aber sei es drum. Sie ist ja eh sofort tot...
OHMSS bietet alles, was ich mir von einem Bondfilm wünsche und catcht mich jedes mal wieder aufs neue. Natürlich hat der Film Schwächen, über die ich aber, da sowohl das Gesamtpaket so unglaublich stimmig ist als auch einzelne Details mir jedes mal wieder große Freude bereiten, getrost hinwegsehen kann. Ich lege mich ja in meinen Rezensionen selten auf etwas fest, aber hier bin und bleibe ich glasklar bei 10/10.
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