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von GoldenProjectile
'Q Branch' - MODERATOR
Noch mal ein paar ausschweifende Überlegungen zum Thema "Einstellung der Reihe":
Die "Reihe" im klassischen Sinn gibt es ja eigentlich gar nicht mehr. Das haben CR und QoS schon mal aufgegleist, in der 180°-Wende mit Retro-Nostalgie-Dauerfeuer von SF war es dann eine Weile nicht mehr so deutlich, mit NTTD ist es rückblickend klar: Man hat eine eigenständige Bond-Chronik gemacht, die mit seiner 00-Werdung anfängt, mit seinem Tod endet und dazwischen archetypische Nebenfiguren neu einführt, neu interpretiert und mit Hintergrund ausstaffiert. Ich halte die Umsetzung für missglückt, denke aber EON ist da mit sich sehr zufrieden. An der Kasse und überwiegend auch bei den Kritikern hat es sich gelohnt. Es ist halt einfach auf Kosten der langlebigen, zuverlässigen, grösstenteils sehr einsteigerfreundlichen Filmreihe gegangen.
Jetzt werde einige sagen: Ist doch egal, man kann trotzdem einfach ganz normal weitermachen! Ja, könnte man. Man kann. Können tut man es. Man kann auch jedes Jahr einen neuen Bondfilm rausbringen, wenn man will, da sehe ich keine Probleme. Aber weil etwas möglich ist, ist es nicht gleich realistisch. Ich würde die Craig-Zeit einfach ignorieren und Bondfilme machen, die mit gewissen Kontinuitäts-Aspekten rumspielen können, dabei aber auch immer mal wieder manche Dinge und Figuren austauschen und über Jahrzehnte hinweg laufen können, wie es ja auch von 1962-2002 der Fall war. Aber ich habe nicht das sagen, das hat Babsi. Und Babsi hat in meinen Augen grob drei Optionen.
Erste Option: Jede neue Darsteller-Ära wird ähnlich angepackt, wie die Craig-Ära. Und nein, damit meine ich nicht dass Bond jedes Mal ein Balg hat und ins Gras beisst, aber halt dass jede Bond-Darsteller-Ära auch im Prinzip eine neue Bond-Reihe ist. Da stellt sich mir die Frage, was EON überhaupt noch erzählen will und kann, jetzt wo sie Craig abgeschlossen haben. Und selbst wenn z.B. der Nolan-Stoffi eine ach-so-innovative Trilogie über Navy-Bond konzipiert und inszeniert, was macht man denn beim übernächsten Darsteller? Ausserdem wird damit jede Darsteller-Ära zu einer völlig eigenen Reihe innerhalb der IP. Das klappt z.B. bei Batman ja auch, nur sind bei dem trotz gleicher Rechteinhaber immer ganz andere kreative und ausführende Kräfte am Werk, und Bond war immer ein Hausprojekt von EON.
Zweite Option: Die Craig-Ära war eine völlige Ausnahme und es geht ganz normal weiter, mit einem Serienformat wie ich es oben beschrieben habe. Halte ich unter aktuellen Begebenheiten für völlig unrealistisch. Nicht mit Post-Craig-EON, nicht in der heutigen Filmlandschaft, nicht mit Babsis Prestige-Ansprüchen. Für das "künstlerisch erleuchtete" EON wäre das zurück zur Fliessbandarbeit. Glaubt jemand, dass Babsi nach ein paar Jahren Pause und ein paar anderen Projekten darauf brennt, Bond mit so etwas wie der Brosnan-Ära der 2030er-Jahre fortzuführen, ganz nach dem alten Endlos-Serienmodell? Wenn ja, dann leben wir in anderen Welten.
Dritte Option: Babsi räumt das Feld. Die Rechte, oder zumindest die Produktionsverantwortung mit grossen Freiheiten, gehen an völlig neue Leute, die vielleicht als Fans angefangen haben, und die voller Elan Bond machen wollen. Und tatsächlich halte ich das mittel- bis langfristig für das realistischste Szenario.
Die unbequeme Wahrheit zusammengefasst: Egal was man von den Filmen hält, die Craig-Ära hat die Bond-Reihe im früheren Sinne in eine Sackgasse gefahren. Beim einparken hat sie noch einen Hydranten gerammt und die Karre stehengelassen. Und ich glaube nicht, dass schon der Pannendienst gerufen wurde.
We'll always have Marburg
Let the sheep out, kid.