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von Nico
Agent
Nachdem es an der Film-Front ja leider auf absehbare Zeit nichts gibt, auf oder über das man sich freuen könnte, habe ich nun auch endlich mal angefangen, mir die Bücher vorzunehmen. (Und nachdem ich in Marburg großspurig verkündet habe, bis in einem Jahr mindestens alle Flemings gelesen zu haben, hab ich auch was zu tun...) Einige schön gestaltete Ausgaben aus dem Cross Cult-Verlag stehen schon in meiner Bibliothek und ich habe vor, sie (die machen ja auch optisch durchaus was her) noch zu erweitern. Und da wir hier in einem Forum unterwegs sind, ergibt es ja auch irgendwo Sinn, euch an meiner Lesereise teilhaben zu lassen. Erwartet bitte keine ausgefeilten Rezensionen, ich werde einfach ein paar meiner ungeordneten Gedanken zum Besten geben.
CR habe ich tatsächlich in den letzten Jahren schon mindestens 2, wenn nicht gar 3 mal angefangen, zu lesen, hab es aber nie über die ersten paar Seiten geschafft. Flemings Schreibstil sagte mir so überhaupt gar nicht zu. Aber nun gut, ich habe dem Buch eine 4. (?) Chance gegeben und siehe da, es funktioniert. Größtenteils zumindest. Kommt man mal über die ersten paar Seiten und das fürchterlich langweilige Dossier über "Die Ziffer" hinaus, dann wird es doch ganz packend. Anschläge werden verübt, Bond lernt Vesper kennen, schließlich wird Baccarat gespielt (ich hab's nun zumindest im Ansatz verstanden), Bond wird gefoltert und es folgt ein sehr merkwürdiges Ende...
Insgesamt ist es doch erstaunlich, was für ein Zwiespalt CR ist. Irgendwie ist sowohl fast alles als auch nichts im Film gelandet. Das ganze Rahmenkonstrukt, die Figuren in ihrer grundsätzlichen Funktion, die Anschläge, das Casino, die Folter, die Liebelei am Ende - es ist doch irgendwie alles da, wenn auch ganz anders. Als hätte man den Roman genommen, entkernt und auf den Rudimenten etwas neues aufgebaut.
Aber es soll hier ja gar nicht um den Film gehen. Doch auch als Roman lässt mich CR zwiegespalten zurück. Mochte ich ihn? Ich denke schon. Flemings Schreibstil variiert zwischen vollkommen ausgearteten Beschreibungen einzelner Figuren und viel zu schnell abgehandelten Handlungssträngen (Mal ehrlich, die ganze "Liebes"-Geschichte am Ende und Vespers plötzlicher Tod sind viel zu abrupt, nicht homogen und merkwürdig schwülstig, aber gleichzeitig trocken beschrieben). Zwischendurch kann er es aber doch auch spannend machen: Die Hauptszene des Baccarat-Spiels hat mich tatsächlich in seinen Bann gezogen, auch die Folter war eindrücklich. So habe ich Dreiviertel des Buches dann doch an einem tag fast hintereinander weg gelesen.
Doch noch einmal zurück zum Film-Bond: Es fällt schon auf, wie unterschiedlich doch der Roman-Bond und der Film-Bond sind. Ich könnte mir niemals den coolen Connery beim Lesen vorstellen, irgendwie ist die Hauptperson des Buches eine ganz andere, emotionalere, leidendere (!) und trotzdem glattere Figur. Viel wird auch der 2. WK erwähnt, der natürlich in den Filmen keine Rolle mehr spielt. Bond und alle anderen Figuren definieren sich quasi durch das, was sie in den Kriegsjahren gemacht haben, ein Aspekt, der mir regelmäßig vor Augen führte, aus welcher Zeit das Buch stammte.
Was soll ich als Abschluss meiner konfusen Gedanken also sagen? Doch, ich mochte den Roman. Vieles hätte besser ausgearbeitet sein können, Flemings Stil sagt mir nicht immer zu und an vielen Stellen wirkt das Buch erstaunlich altbacken. Und dennoch hat er mich, sehen wir mal von den ersten 30, 40 Seiten ab, gefesselt. Es ist dann doch durch die dichte Handlung selten Leerlauf, ich blieb dran... Und freute mich nach der Lektüre gleich auf LALD. (Und alles, was da noch so kommt...)
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