Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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"Irgendeiner wartet immer" - das muss man erstmal so hinstellen. Die Szene ist in dieser Form unbeschreiblich, und ich war ganz entsetzt, dass in der englischen Tonfassung diese Lagerfeuerromantik, diese stimmige Endgültigkeit - Ein Mann geht seinen Weg -, gar nicht enthalten ist, sondern Bronson da irgendwas von wegen "Eines Tages" säuselt. Geht gar nicht. Leones Filme muss ich in der deutschen Fassung genießen.
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Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Nun, auch der Satz selber in der finalen Rückblende "komm schon, Kleiner, spiel mir das Lied vom Tod" ist eigentlich genial, ist an sich auch sehr viel besser als "keep your loving brother happy", und ich könnte mir gut vorstellen, wenn das jemand Leone vorgeschlagen hätte, er wäre begeistert gewesen.
Aber es ist nun einmal nicht das Original, es ist ein letztendlich übler Eingriff in ein Kunstwerk.
Zuletzt geändert von Maibaum am 16. Mai 2024 15:52, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Maibaum hat geschrieben: 23. April 2024 12:53 Aber es ist nun einmal nicht das Original, es ist ein letztendlich übler Eingriff in ein Kunstwerk.
Fraglos ein Eingriff, aber eben auch einer der selbst in die Filmgeschichte eingegangen ist und mittlerweile für sich selbst bzw. als Variation des Originals ebenfalls ein eigenes Kunstwerk darstellt.
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Ja, "Spiel mir das Lied vom Tod" ist definitiv auch genial, und viel besser als der Bruder-Spruch. Btw: Lol, der Bruder? Der Typ auf den Schultern des Knaben sieht 30 Jahre alter aus. Könnte für mich eher der Papa als der Bruder sein. Aber was weiß ich schon ...

Und ja, es mag ein Eingriff sein, aber das ist per Definition jede Form der Synchronisation immer, in egal welcher Sprache, und dasselbe gilt auch für spätere Farbkorrekturen und Änderungen und was weiß ich noch was. In diesem konkreten Fall verbessert es mein Erlebnis eindeutig und - logisch - warum sollte ich etwas kritisieren, was mein Erlebnis bereichert.
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Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Casino Hille hat geschrieben: 23. April 2024 14:01 Ja, "Spiel mir das Lied vom Tod" ist definitiv auch genial, und viel besser als der Bruder-Spruch. Btw: Lol, der Bruder? Der Typ auf den Schultern des Knaben sieht 30 Jahre alter aus. Könnte für mich eher der Papa als der Bruder sein. Aber was weiß ich schon ...

Und ja, es mag ein Eingriff sein, aber das ist per Definition jede Form der Synchronisation immer, in egal welcher Sprache, und dasselbe gilt auch für spätere Farbkorrekturen und Änderungen und was weiß ich noch was. In diesem konkreten Fall verbessert es mein Erlebnis eindeutig und - logisch - warum sollte ich etwas kritisieren, was mein Erlebnis bereichert.
Weil es eine offensichtliche Verfälschung ist, keine die man diskutieren kann? Im Gegensatz zu Veränderungen über die Syncro bei denen man gezwungen ist etwas zu erfinden,z.b. weil eine direkte Übersetzung nicht möglich ist.
Auch Kürzungen gegen den Willen des Regisseurs können einen Film für mich besser machen, aber es bleiben Eingriffe in die Integrität eines Werkes.

Ja, das mit dem Bruder ist tatsächlich überraschend. Warum das nicht der Vater ist, wie jeder deutsche Zuschauer automatisch annehmen muß, das ist rätselhaft. Zumal das traumatische Erlebnis dann noch stärker ist.

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Maibaum hat geschrieben: 23. April 2024 14:34 Weil es eine offensichtliche Verfälschung ist, keine die man diskutieren kann?
Aber was ist dann die Konsequenz daraus? Dass man die Veränderung zwar inhaltlich gut finden kann, aber "filmmoralisch" abzulehnen hat? Finde ich schwierig, da sich dann ja die Frage aufdrängt, an welchem Original man sich eigentlich messen muss. So finde ich zB, dass die veränderte Bahnhofssequenz (in der Bronson jetzt nicht "tot" ist, sondern aufsteht) einen deutlich gravierenderen Eingriff in den Film darstellt als die paar sprachlichen Variationen der deutschen Fassung. Letztlich ist das doch alles subjektiv, auch wie weit man akzeptiert, dass deutsche Fassungen nun mal immer nur eine Variation des Originals sind. Und letztlich kann man sagen was man will, aber auch die Veränderungen innerhalb der deutschen Fassung sind ein kreativer künstlerischer Akt und noch dazu einer, der über Generationen von Millionen Zuschauern mit Begeisterung aufgenommen wurde. Ich habe da angesichts des Aufkommens von AI-Lösungen eher die Befürchtung, dass wir künftig bei deutschen Fassungen dann genau das Gegenteil davon bekommen: digitale Standardübersetzungen, die sich sklavisch am Original abarbeiten, gesprochen von "deutschen" AI-Pendants der Originalstimmen. Das ist dann zwar so nah am Original und "unverfälschend" wie es technisch möglich ist, aber ein kreativer künstlerischer Akt ist das dann ganz sicher nicht mehr.

Maibaum hat geschrieben: 23. April 2024 14:34 Auch Kürzungen gegen den Willen des Regisseurs können einen Film für mich besser machen, aber es bleiben Eingriffe in die Integrität eines Werkes.
Kann man so sehen. Aber dafür entsteht hier ja dann auch ein neues Werk, welches wieder eigenständig betrachtet werden kann und so seine eigene Integrität hat. Nur weil Scott das so nicht wollte hat die Kinofassung vom Blade Runner doch absolut ihre filmhistorische Bedeutung und Berechtigung (und unter uns Klosterschülerinnen: sie ist auch letztlich verantwortlich für den legendären Status, den sich der Film in den 80ern über die Zweitverwertung erarbeiten konnte - da war noch nix mit Einhörnern und sich öffnendem blauen Himmel). Was ich eigentlich sagen will: jeder Eingriff, jede Variation eines Films bekommt spätestens durch ihre Veröffentlichung ihre Daseinsberechtigung - egal was der Regisseur dazu sagt.
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Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Maibaum hat geschrieben: 23. April 2024 15:47 aber "kunstmoralisch'" ist das trotzdem an sich problematisch.
Ich sehe das etwas nüchterner. Film ist nun mal eine extrem teure Kunstform, vielleicht (?) sogar die mit Abstand teuerste. Die will finanziert werden und latürnich wollen die Geldgeber auch Sorge tragen, dass sie ihre Investition wiederbekommen. Das mag alles mit Kunst nichts zu tun haben und ja, auch ich schaue Filme ja nicht, weil ich einer guten Investition zuschauen will, sondern einem (künstlerisch) guten Film. Aber unter dem genannten Gesichtspunkt kann ich Eingriffe ins (Hand-)Werk eines Regisseurs durchaus nachvollziehen und sehe sie deshalb vermutlich auch nicht ganz so kritisch. In einer idealen Welt sollte trotzdem jedem Regisseur die Möglichkeit offen stehen, sein Werk wie ursprünglich gewollt fertigstellen und veröffentlichen zu können (was zB Peckinpah bei Pat Garrett ja nicht vergönnt war, Zack Schneider bei seiner Betonklotz-Liga dagegen schon) - auch wenn die Geldgeber bei Erstveröffentlichung interveniert haben. Vielleicht liegt meine etwas weniger strenge Sichtweise hier aber auch daran, dass ich einfach zu viele Fassungen gut finde, die von ihren Regisseuren so nie wirklich gewollt waren - siehe Blade Runner oder die frühen Camerons (auch wenn er hier zumindest handwerklich federführend blieb).

Übrigens finde ich den Bruder gar nicht mal wirklich zu alt. Wir sprechen hier ja immerhin vom Bruder von Charlie Bronson, der bekanntlich mit Mitte 20 auch schon aussah wie mit 50 (naja, zumindest fast). Ihr wisst ja: "a Clark Gable who had been left out in the sun too long" :D
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AnatolGogol hat geschrieben: 23. April 2024 12:11 das ist halt schon ein Knallersatz
Maibaum hat geschrieben: 23. April 2024 12:53 "komm schon, Kleiner, spiel mir das Lied vom Tod" ist eigentlich genial
Ne, sorry. Ich finde beides ziemlich doof und finde dass es da eigentlich gar nicht reingehört, bzw. frage mich wo diese Aussagen in dem Kontext eigentlich herkommen.
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Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Das Lied vom Tod ist in dem Fall ja der letzte Atemzug eines Sterbenden, und das ist finde ich schon so eine dieser tollen bizarren IW Ideen. Wie gesagt, ich bin mir sicher Leone hätte das geliebt.

Die deutsche Syncro ist an sich sehr sorgfältig, aber dann nimmt sie sich doch ein paar dieser Freiheiten, nur die passen alle wie die Faust aufs Auge. Tatsächlich ist man sehr überrascht wenn man enttäuscht feststellt daß das im Original anders ist.

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Maibaum hat geschrieben: 23. April 2024 19:37 Das Lied vom Tod ist in dem Fall ja der letzte Atemzug eines Sterbenden, und das ist finde ich schon so eine dieser tollen bizarren IW Ideen. Wie gesagt, ich bin mir sicher Leone hätte das geliebt.

Die deutsche Syncro ist an sich sehr sorgfältig, aber dann nimmt sie sich doch ein paar dieser Freiheiten, nur die passen alle wie die Faust aufs Auge. Tatsächlich ist man sehr überrascht wenn man enttäuscht feststellt daß das im Original anders ist.
Versteh ich nicht, was du mit dem letzten Atemzug eines Sterbenden meinst, in der Szene gibt es ja keinen Sterbenden, nur einen der stirbt (der Bruder) und der junge Bronson macht da auch keinen letzten Atemzug.

Und du sagst Leone "hätte" das geliebt, meinst du der hat zu Lebzeiten nie vom deutschen Titel gehört?

Vom "man" klammere ich mich jedenfalls aus... :wink:

Corbucci schaue ich mir nach dem Strandurlaub in Ruhe noch mal an, ich habe die Blus alle nicht gerade günstig gefunden bisher.
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Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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GoldenProjectile hat geschrieben: 23. April 2024 22:20 Versteh ich nicht, was du mit dem letzten Atemzug eines Sterbenden meinst, in der Szene gibt es ja keinen Sterbenden, nur einen der stirbt (der Bruder) und der junge Bronson macht da auch keinen letzten Atemzug.
Der Satz fällt im Deutschen zweimal. Einmal sagt es Frank in der Rückblende zu Harmonika und einmal sagt es Harmonika zu Frank, als der ihm das Musikinstrument in die Kauleiste schiebt.
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Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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GoldenProjectile hat geschrieben: 23. April 2024 22:20
Versteh ich nicht, was du mit dem letzten Atemzug eines Sterbenden meinst, in der Szene gibt es ja keinen Sterbenden, nur einen der stirbt (der Bruder) und der junge Bronson macht da auch keinen letzten Atemzug.

Ha ha, stimmt die letzten Atemzüge durch die Mundharmonika, das ist nur in der späteren Szene, in der Rückblende ist das nicht direkt so, trotzdem hat es eine ähnliche Funktion. Es wird keine Melodie gespielt, sondern es sind gequälte Atemzüge, eine Art Todeslied.
Ich denke der deutsche Titel hat so einiges zum enormen Kultstatus, zum kommerziell überragenden Erfolg des Films in der BRD beigetragen. Er hatte hierzulande etwa 13 mal so viele Zuschauer wie Il buono, il brutto, il cattivo, und etwa 6 mal so viele wie die ersten beiden Dollar Filme.

Aber ich sehe schon, die Schweizer sind mal wieder historisch benachteiligt, ausgeschlossen vom tieferen Verständnis der Welt, hier aufgrund ihrer snobistischen Bevorzugung von Originalfassungen über die Wunderwerke deutscher Synchronkunst ...

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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GoldenProjectile hat geschrieben: 23. April 2024 22:20

Und du sagst Leone "hätte" das geliebt, meinst du der hat zu Lebzeiten nie vom deutschen Titel gehört?
Wahrscheinlich schon, aber wurde er je danach gefragt? und wusst er vielleicht vom titel, aber auch davon wie bzw wo es im Film selber vorkommt? Und wie klingt das ins italienische übersetzt? Jedenfalls Play Me the Song of Death klingt z.b. in meinen Ohren erst Mal albern.