GoldenProjectile hat geschrieben: 7. September 2023 23:04
Ich weiss genau was du meinst, das ist was ich in den Glen-Bonds der 80er so stark (positiv) wahrnehme. Nicht zwingend nur bezogen auf die Ermittlung, sondern auf die Geschichte als Ganzes. Bei YOLT sehe ich sowas jetzt eher weniger, aber das ist sowieso ein Bond den ich sehr, sehr selten schaue, und wenn ich es tue bin ich eher fassungslos dass da wirklich Lewis Gilbert und Roald Dahl dahinterstecken sollen.
Ich finde aber, dass das nicht nur in den Glen-Bonds, sondern in den meisten Bonds (vor allem von 62 bis 89) stark gemacht ist. Nun gut, ich wäre vielleicht auch kein Fan, wenn ich die Bondfilme nicht manchmal etwas überbewerten würde, aber so oder so ist die Handlung doch in den meisten Bonds relativ vernünftig aufgebaut. Ich sage bewusst nicht logisch, weil sie sich nahezu alle auch leicht zerpflücken lassen und mein Anspruch an Logik eher geringerer Natur ist. Aber in den meisten Bondfilmen ist der Aufbau der Plots vernünftig, es gibt nahezu immer einen gut nachvollziehbaren Fluss an Information (für Bond und Zuschauer) und Handlungsfortschritt. Die Reihe hat ja mal mit einem "Inselkrimi" begonnen und ich finde, diese Wurzeln sind bis in die 90er immer erkennbar geblieben. Gerade beim Pacing, beim Rhythmus, habe ich bei den Prä-Brosnan-Bonds bei Bond in der Regel keine Probleme, daher fällt OHMSS da so ein wenig raus.
YOLT ist doch diesbezüglich auch vernünftig konstruiert. Bond ermittelt stetig und erfährt regelmäßig neue Infos, die verschiedenen Schritte sind für mich nachvollziehbar, sodass ich verstehe, wie er von einer Schlussfolgerung zur nächsten kommt. Die Handlung steht nie still, sondern mir wird immer kommuniziert, was als nächstes zu tun ist und was das momentane Ziel von Bond ist. Sicher: Die allerallerwenigsten Bonds haben ein richtig raffiniertes oder cleveres Script (Hat das überhaupt ein Bond? Vielleicht tatsächlich nur TWINE in Ansätzen), aber in der Ära von 1962 bis 1989 sind sie alle (wenn auch nach dem gleichen Muster) ordentlich aufgebaut.
Womit ich nicht sagen will, dass nicht auch andere Bonds ihre Erzählzeit manchmal etwas verschwenden. Gerade YOLT macht sich da in Teilen mitschuldig, wenn er in sehr langen Szenen Bonds Wandlung zum Japaner plattwalzt, nur damit er dann eine Szene später direkt wieder enttarnt ist. Da passt dann was nicht, da ist der erzählerisch betriebene Aufwand sehr groß für wenig bis gar keinen Effekt. Unschön ist das sicherlich, aber dann im Verhältnis zu OHMSS (der mir jetzt zu schlecht wegkommt, ich will mich gar nicht als der große OHMSS-Ablehner inszenieren) für mich nur ein Schönheitsmakel.
ollistone hat geschrieben: 8. September 2023 10:32
Casino Hille hat geschrieben: 7. September 2023 20:16
Trotzdem - ich weiß, jetzt wiederhole ich mich - ist mir da zu wenig auf Plotebene los. Bond sitzt eben die meiste Zeit auf Piz Gloria herum, schwänzelt sich durch (im wörtlichen Sinne), bekommt dann nach 45 Minuten des Stillstands von Blofeld einmal flott die Handlung erklärt, und dann ist nur noch Action...
Das ist übrigens genau der Grund, warum mir "Goldfinger" nur so halb gefällt.
GF würde ich auch wie OHMSS als kleinere Ausnahme sehen, die sind beide etwas ungewöhnlich, weil Bond recht lange passiv ist bzw. wenig Fortschritte macht. Beides ist wohl der vergleichsweise Fleming-nahen Filmhandlung geschuldet, da sie durch ihre Romannähe anders ausfallen, als die sonstigen nach derselben Formel gestrickten Bond-Plots. Bei GF fällt es für mich aber weniger stark ins Gewicht, weil Bond immer wieder Teil-Erfolge sammelt, die dann bloß im Nachhinein zu Nichte gemacht werden. So gelingt ihm in der Laserstrahl-Szene durchaus ein Trumpf, genauso bei seiner späteren Flucht und der Botschaft an Leiter über Mr. Soto – nur egalisieren sich beide Erfolge dann hinterher dadurch, dass Goldfinger sich durch Bond vor Leiter abschirmt bzw. Mr. Soto sein Ziel nie erreicht. Das gefällt mir dann eigentlich ganz gut und ist für mich persönlich schlauer gelöst.
GoldenProjectile hat geschrieben: 7. September 2023 23:04
OHMSS ist da sicher ganz anders strukturiert. Man könnte es hinsichtlich der szenischen Abläufe und Zusammenhänge sicher weniger Handlung nennen und es geht bestimmt einfacher und schneller, einem Laien die Geschichte von OHMSS zu erklären als diejenige von TLD. Der Reichtum liegt eher zwischen den Zeilen
Keine Frage: OHMSS ist sehr gut inszeniert und gerade in den Actionszenen hat Hunt einige Ideen, die man in anderen Bondfilmen so nicht sieht. Ich hatte ja schon geschrieben: So sehr mir der im Vergleich zu den meisten frühen Bonds extreme Action-Overkill (Flucht per Ski, Flucht im Auto, Flucht erneut per Ski, Angriff per Helikopter, Angriff mit Maschinengewehr, Jagd zur Bobbahn, Bobfahrt) im letzten Drittel ein Dorn im Auge ist, so gelungen finde ich, wie Hunt nur über die Action kommuniziert, wie Bond und Tracy sich verlieben und zu einer Einheit werden. Die etwas kitschige Scheunenszene hätte er da eigentlich gar nicht gebraucht, weil alleine die Gestaltung der Actionszenen schon klar macht, was die beiden für einander empfinden. Das hat schon ein hohes inszenatorisches Niveau, und ich verstehe sofort, wenn einen OHMSS wegen dieser Elemente begeistert. Genauso mag ich ja auch, wie "schräg" einige Einfälle von Hunt sind. Die Szene etwa, in der Telly Savalas endlich die Maske fallen lässt und Bond seinen Plan erklärt, wird mit diesem herrlichen Zoom-Effekt auf den Weihnachtsbaum und Bonds Auge eingeleitet, was in dem spezifischen Moment eine seltsam passende Spielerei ist.
Vieles von dem, was in OHMSS zwischen den Zeilen stattfindet, gefällt mir auch sehr gut. Es sind quasi eher die etwas grundsätzlicheren Elemente, die ich bei OHMSS für nicht ganz so stark wie im sonstigen Bond-Standard halte.
GoldenProjectile hat geschrieben: 7. September 2023 23:04
Zum Beispiel halte ich die starke Zweiteilung immer noch für eine ganz bewusste Entscheidung, die auch gut funktioniert. Für andere geht das weniger gut auf, dann kommt eben wieder die Kritik dass OHMSS die Tracy-Geschichte durch eine Ermittlung gegen Blofelds Virenplan austauscht und komplett vergisst, aber für mich macht das Sinn. Mehr als z.B. bei CR wo ich finde dass Campbell und den Autoren gar nicht aufgefallen ist, was da bei der Übertragung eines kurzen Post-War-Spionagedramas in einen modernen Action-Zweistünder alles durcheinander geraten ist.
OHMSS hat für mich eher eine Dreiteilung: Die ersten fünfzig Minuten (oder so, hab's nicht genau nachgeschaut) sind Bonds Aufeinandertreffen mit Draco und Tracy, das zweite Drittel ist der Spionageplot auf Piz Gloria und der finale Teil ist sehr viel Action, in bester Tolkien-Manier "hin und wieder zurück".
OHMSS und CR sind sich da für mein Empfinden recht ähnlich, weil beide nach diesem langen ersten Drittel quasi noch einmal von Vorne anfangen, und dann im Mittelteil ins behäbige und gemächlichere Tempo rutschen (Anatol nannte es so schön "schlurfend"). Allerdings stimme ich dir gerne zu, dass in OHMSS der Übergang von A nach B etwas eleganter gelöst ist als bei CR. CR fängt tatsächlich mit dem Terrorismus-Plot (ELLIPSIS) an, ist dann nach 50 Minuten fertig und verfilmt dann fröhlich den Fleming-Roman (im weitesten Sinne zumindest). OHMSS ist da organischer und bringt die einzelnen Abschnitte besser zusammen, das teile ich. Entscheidend ist da für mich die Rolle von Draco, der im letzten Drittel als Bonds Ersatzhilfe (der MI6 will ja nicht) wieder zurück in den Film kommt und das auf logische Weise. Dadurch fühlen sich die ansonsten schon sehr abgetrennten Teile des Films verbundener an als bei CR, der sich nach Bonds und Vespers erstem Aufeinandertreffen nie wieder für alles interessiert, was auf Madagaskar, den Bahamas und in Miami passiert ist.