GoldenProjectile hat geschrieben: 17. Januar 2023 00:12
So, Anatol, wir haben es geschafft.
Yippie - und das Review-Pingpong und der Austausch hat sehr viel Spass gemacht (und den Thread im Umfang gleich mal verdoppelt)!
GoldenProjectile hat geschrieben: 17. Januar 2023 00:12Was mir aufgefallen ist, ist dass ich tatsächlich eine höhere Wertung erwartet hätte - bei mir selber, aber vor allem bei dir (was jetzt klingt als ob Steiner übelst enttäuscht hat, dem ist natürlich nicht so). Wenn wir mal auf Seite 1 des Threads zurückblicken sieht es aus, als ob mit Strohhund und Eisenkreuz deine beiden damaligen "Runner-Ups" (9,5/10) etwas "gelitten" haben.
Also beim Strohhund ist mir das bewusst so gar nicht aufgefallen. Vielleicht war ich damals dann tatsächlich ein klein wenig zu gütig mit der Bewertung, weil runde 9 Punkte scheinen mir angemessener als die schon knapp an der Perfektion kratzenden 9,5 Punkte.
Den Steiner hingegen habe ich dieses Mal tatsächlich mit ein klein wenig weniger Begeisterung geschaut. Es gab Zeiten, da hätte ich bei dem vermutlich sogar eine knappe 10 rausgehauen. Dieses Mal waren mir vor allem die großen Actionszenen etwas zu lang. Ich bin da ganz bei deiner Einschätzung, dass die Länge die Szenen nicht besser oder eindrucksvoller macht (was sie so oder so dennoch sind).
GoldenProjectile hat geschrieben: 17. Januar 2023 00:12
Bei mir kommt dazu, dass Pat, Al und Rolf alle um den starken zweiten Platz drängeln, aber sich keiner von ihnen so richtig getraut, The Wild Bunch zu nahe zu kommen. Straw Dogs sowieso nicht.
Bei mir gibt es ja eine Doppelspitze, wobei ich im Zweifel Wild Bunch dann doch noch mal ein kleines bisschen höher ansetzen würde als den Al. Und dahinter wird es dann auch bei mir eng, da der explodierende Mann, die Strohhunde und der Eisensteiner alle punktemäßig gleich ins Ziel gekommen sind. Aber das zeigt halt auch das durchgängig hohe Niveau, auf dem Peckinpah in den 70ern gearbeitet hat - allen Umständen zum Trotz. Und es ist irgendwie auch schön, da keinen Favoriten benennen zu können (also unter den dreien) und zu müssen. Aus dem Nicht-Samarathon-Bestand würde der Junior da auch noch mitmischen und das Kabel sich direkt dahinter einordnen - zumindest aus der Erinnerung der letzten Sichtung heraus.
GoldenProjectile hat geschrieben: 17. Januar 2023 00:12
Vielleicht könnte man hier beginnen und sich fragen, wie das denn bei Steiner selbst aussieht. Er sagt, er hasse die Uniform und alles wofür sie stehe, kehrt einer nackten Senta Berger (!) aber schnurstracks den Rücken um an die Front zurückzukehren, sobald er vom Balkon aus Cpl. Schnurrbart erspäht. Dass ihm die Leute in seinem Zug wichtig sind, zeigt sich an deren ständigen Erscheinungen im Lazarett und an der Montage all ihrer Gesichter, kurz bevor er Triebig richtet. Trennt Steiner strikt zwischen den verhassten Offizieren, die für den Krieg stehen, und den unschuldigen Soldaten, die nix dafür können und mit denen es gilt, das Beste aus der Lage zu machen? Das wäre wohl zu einfach, und immerhin scheint er auch Neuankömmlingen im Zug zunächst immer etwas misstrauisch gegenüberzustehen (Zoll, zu Beginn auch Dietz). Sind Steiners Vorstellungen von Recht und Unrecht (wie eben z.B. in der Szene, als er Mason und Warner abblitzen lässt) einfach nur widersprüchlich und kaputt?
Das sind sehr interessante Punkte, die du ansprichst und die ich so nie gesehen habe. Für mich bezog sich Steiners Kommentar über die Uniform immer klar auf die Offiziersuniform. Man könnte es aber auch generell auf die Wehrmachtsuniform beziehen, was auch passen würde, da im Gegensatz zu Berufssoldaten wie Brandt oder Karrieristen wie Stransky die einfachen Soldaten vom Schlage Steiner & Co. die Uniform ja nur gezwungenermaßen tragen und sie auch deshalb ein Symbol für das ist, was sie ablehnen.
Hinzu kommt, dass Brandt in meinen Augen die dritte Hauptfigur des Films ist. Das mag zunächst etwas merkwürdig klingen, da Mason ja viel weniger Szenen und Screentime hat als Schell und vor allem Coburn. Für die Untersuchung der Motivation, wie und warum Menschen wider besseren Wissens sich zum Teil einer Kriegsmaschinerie machen (lassen), halte ich ihn aber für das dritte wesentliche Beispiel anhand derer der Film dies untersucht. Bei Brandt ist der Fall dabei nicht ganz so klar wie bei Steiner und Stransky. Er ist auf den ersten Blick verantwortungs- und verständnisvoll gegenüber seinen untergebenen Soldaten, schwingt mehrfach fast schon defätistische Reden und lässt keinen Zweifel daran, dass er den Krieg für verloren hält. Aber dennoch scheint er zu keinem Zeitpunkt seine eigene Beteiligung am Krieg zu hinterfragen. Man könnte auch sagen, dass er weiterhin als Soldat funktioniert - zwar wie erwähnt mit durchaus vorbildlichen Charakterzügen, aber eben auch nur soweit dies möglich ist, denn er schickt auch weiterhin Soldaten in den Tod. So gesehen erklärt sich auch, warum Steiner eine so große Kluft zwischen den Offizieren und sich/"den seinen" sieht. Also zwischen denen, die die Befehle geben und denen, die sie ausführen müssen.
A propos Brandt: die These mit der dritten Hauptfigur wird finde ich auch dadurch gestützt, dass er es ist, der im Finale zusammen mit Stransky und Steiner kämpft. Also nicht zusammen im Sinne von Seite an Seite, aber man sieht ihn genau so mit der MP den russischen Angriff abwehren wie die beiden anderen. Hier werden finde ich alle drei auf eine Stufe gestellt, was ich so interpretiere, dass sie trotz allem am Ende eben weiterhin am Krieg teilnehmen - wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen. Oder vielleicht auch nicht aus ganz anderen Gründen, denn abgestumpft und in gewisser Weise entmenschlicht sind ja fraglos alle drei durch den Krieg.
Eine generelle Abneigung Steiners auch gegen einfache Soldaten sehe ich übrigens nicht. Klar, Zoll ist als Gestapospitzel und Verkörperung der von ihm abgelehnten Partei natürlich von Anfang an auf seiner Abschussliste. Aber bei Dietz sehe ich bei Steiner da keine Abneigung oder ähnliches. Die alten Hasen machen sich halt einen Spass mit dem Greenhorn und Steiner mag etwas schroff sein in der ersten Begegnung, aber ich habe das immer so verstanden, dass er ihm klar machen will, wie ernst seine Situation ist und dass er von Anfang an auf der Hut sein muss. Eine gewisse Skepsis gegenüber dem Neuankömmling und wenn man so will "Eindringling" in die bewährte Truppe spielt da aber fraglos auch mit rein (ähnlich wie zB auch in Stones Platoon). In Verbindung mit Steiners Abneigung gegenüber der Uniform würde ich das aber nicht sehen.
Triebig ist auch eine spannende Figur in ihrer menschlichen Fehlbarkeit. Er übernimmt den ganzen Film über keinerlei Verantwortung, weder für die Vorwürfe von Stransky (er hätte sie ja auch leugnen können oder es zumindest versuchen), dann auch nicht, als seine Falschaussage (oder eigentlich ist es ja eher eine Nicht-Aussage) hinsichtlich des angeblich von Stransky geführten Gegenangriffes auffliegt und natürlich final dann erst recht nicht, nachdem er Steiners Zug hat niedermetzeln lassen. Immer hat er eine Ausrede parat, mit der er sein eigenes Fehlverhalten zu entschuldigen weiss. Daher könnte man Triebig sicherlich auch als Beispiel für eine blinde Befehlslogik sehen, bei der Befehle befolgt werden, ohne dass diese jemals in Frage gestellt werden und persönlich Verantwortung dafür übernehmen muss.
GoldenProjectile hat geschrieben: 16. Januar 2023 23:48
Dafür bildet das abschliessende Bleigewitter unter "Friendly Fire" ein Kronjuwel in Peckinpahs Oeuvre.
Das sehe ich ganz genau so, vielleicht sogar die beste Szene des ganzen Films. Die Szene hat eine enorme Wirkung, zum einen durch die makellose Inszenierung, zum anderen zahlt sich hier dann auch aus, dass der Film zuvor so viel Zeit investiert hat dem Zuschauer die einzelnen Soldaten vom Zug Steiner nahezubringen. Da sterben dann nicht nur einzelne Soldaten, sondern jeder ist dem Zuschauer mittlerweile vertraut mit all ihren menschlichen Stärken und Schwächen. Die Intrige von Stransky und Triebig mag etwas arg konstruiert erscheinen, das macht aber eigentlich nichts, da ich die Szene in erster Linie eh als Allegorie auf den Wahnsinn des Krieges verstehe - und tatsächlich hat dies kaum ein Film je so gut hinbekommen wie Peckinpah in dieser Szene.