Welches sind eure zwei Lieblingsfilme von Sam Peckinpah?

The Deadly Companions (Keine Stimmen)
Ride the High Country (Keine Stimmen)
Major Dundee (Keine Stimmen)
The Wild Bunch
Insgesamt abgegebene Stimmen: 3 (38%)
The Ballad of Cable Hogue (Keine Stimmen)
Straw Dogs (Keine Stimmen)
Junior Bonner (Keine Stimmen)
The Getaway (Ein Mann Explodiert) (Keine Stimmen)
Pat Garrett & Billy the Kid
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (25%)
Bring me the Head of Alfredo Garcia
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (25%)
The Killer Elite (Keine Stimmen)
Cross of Iron
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (13%)
Convoy (Keine Stimmen)
The Osterman Weekend (Keine Stimmen)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 8

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

301
GoldenProjectile hat geschrieben: 16. Januar 2023 12:06 Ist das schlimmer als eine britische DVD des steinernen Eisenkreuzs, welche aus unerfindlichen Gründen ohne die ersten paar Sekunden des Vorspanns auskommt und abrupt irgendwo bei "...weite Welt hinein" startet? Ich hab den gestern bestimmt etwa dreimal neu gestartet, bevor ich es glauben konnte.
Viel, viel schlimmer, bei Hänschen klein kann man zur Not ja selber die fehlenden Teile mitsingen. :) Das schönste beim Junior ist ja noch, dass der Vorspann sogar noch im korrekten Scope läuft (wenn auch nur in 4:3), danach wird aber schön eingezoomt auf Vollbild, grrrrrrrrrrrrrr

>> zum Glück gibt es mittlerweile die US-BD in korrektem Format und gutem Bild (allerdings Code A).
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

303
Den Steiner fand ich den mit Abstand am schwersten zu reviewenden FIlm im Samarathon. Nicht, dass ich nicht genügend dazu sagen könnte bzw. gerne würde, aber ähnlich wie der Film auch nicht so ganz konventionellen dramaturgischen Pfaden folgt, so fand ich es extrem schwer da was zusammenhängendes dazu zu schreiben. Vielleicht kann ich meinen Senf dann in einer Disksussion noch ablassen. :)

>> da lob ich mir das Sequel, da ging das Schreiben viel einfacher von der Hand! :mrgreen:
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

305
Cross of Iron (Sam Peckinpah, 1977)

"Hänschen Klein ging allein in die weite Welt hinein."

Jetzt also ein Weltkriegsfilm von Altmeister Peckinpah! Die Vorfreude über diese thematisch wie visuell folgerichtige Kombo, die nach all den Western und Roadmovies als der logische nächste Schritt erscheint, könnte auf dem Papier leicht angezweifelt werden. Könnte man am Ende enttäuscht werden, weil von "Bloody Sam" lediglich ein in Hollywood geschasster Alkoholiker zurückgeblieben ist, der weder das Geld noch die Energie für einen gebührenden Kriegsfilm stemmen kann? Nichts da, Cross of Iron ist Peckinpah, wie er leibte und lebte. Nur schon im brillanten Vorspann wird deutlich gezeigt, wo es langgeht: Da donnern die Granaten, da marschieren die Soldaten, da tätschelt der Adolf die HJ-Wangen, alles in rauen Archivbildern, dynamisch montiert zur Musik von Hänschen Klein. Und ähnlich ruppig, unverblümt, aber auch formal gekonnt geht es weiter.

Einmal mehr steht ein figürlicher Konflikt im Zentrum, hier die sich anbahnende Ostfront-Feindschaft zwischen dem ruppigen Feldhasen Steiner und dem opportunistischen Offizier Stransky. In wenigen Szenen wird geschickt etabliert, dass die beiden von anderen Welten sind und keine Freunde werden können, wobei Peckinpah und die hervorragend besetzten Coburn und Schell mit kleinen Gesten und mit der Symbiose zwischen der jeweiligen Rolle und dem kriegerischen Umfeld arbeiten. Ein Beispiel ist nur schon dass der just gestürzte Stransky seinem Feldwebel zum ersten Mal schlammverschmiert und die ständigen Artillerieeinschläge sichtlich ungewohnt gegenübertreten muss. An diesem Punkt hat der Film längst etabliert, was Stransky für einer ist und dass ihn so etwas zutiefst wurmt, er das als Verletzung seiner Autorität und seines Stolzes wahrnimmt. Gleichzeitig erschliesst sich aber auch schon, dass so etwas einen wie Steiner nicht die Bohne interessiert. Hier zeigt sich schon früh die tragische Komponente dieser Feindschaft, die nicht über die sanfte Poesie von Pat & Billy verfügt, aber einen vergleichbar aussichtslosen Teufelskreis im Aufeinandertreffen zweier Männer beschwört.

Die figürliche Ambivalenz ist eine Kernzutat des eisernen Kreuzes, selbst bei den Nebenrollen. So könnte man leicht dem Gedanken verfallen, dass Adjutant Triebig in seiner rückgratlosen Art die personifizierte Niederträchtigkeit ist - aber kann er wirklich anders handeln, angesichts der Strukturen, in denen er gefangen ist, und dessen, was Stransky gegen ihn in der Hand hält? Und natürlich ist Stransky selber ein gerissener, manipulativer Antagonist, aber in einer Szene scheint er sich Steiner gegenüber zu öffnen und relativiert seinen Egoismus dadurch, dass die Familienehre von ihm das eiserne Kreuz verlangt. Alles erstunken und erlogen, oder ist etwa auch der böse Stransky nur ein Opfer äusserer Umstände und Strukturen? Am ambivalentesten ist natürlich Steiner selber gezeichnet, eine Rolle, in der Jimmy Coburn seiner eigenen Galavorstellung als Pat Garrett Konkurrenz macht. Steiner ist ein Typ, der auch in den schrecklichsten Kriegswirren noch menschliche Grundwerte zu erhalten scheint, was sich in der Kameradschaft zu seinem Zug, den meisten zumindest, widerspiegelt. Aber auch er stösst unter dieser Last an seine Grenzen und ist nicht zuletzt auch Opfer seiner eigenen starrsinnigen Wertevorstellung: In einer der denkwürdigsten Szenen brennt er die Brücken zu zwei Offizieren ab, die es eigentlich gut mit ihm und der Gesamtsituation meinen, nämlich Mason/Brandt und Warner/Kiesel.

Visuell brennt Peckinpah ein Feuerwerk sondergleichen ab. Von einer günstigen Produktion ist kaum was zu sehen, stattdessen wird in den Kriegsszenen ein gewaltiger Aufwand betrieben und das mörderische Tohuwabohu schnell, chaotisch, aber auch mit einer gewissen Präzision festgehalten. Einziges Manko ist, dass die Kriegsszenen teilweise schon etwas arg lang dauern, drei Sowjetangriffe in gefühlt der ersten Filmhälfte kratzen am Limit, zumal die fraglos sehr eindrucksvolle Bildgewalt durch mehr und längere Szenen nicht unbedingt besser wird, als sie es von sich aus schon ist. Dafür bildet das abschliessende Bleigewitter unter "Friendly Fire" ein Kronjuwel in Peckinpahs Oeuvre. Überhaupt erlaubt sich Cross of Iron an einigen Stellen, visuell auf abstrakteres Terrain vorzustossen, als man sich von Sam gewohnt ist. So etwa in der brillanten, orientierungslosen Verfremdung bei Steiners Krankenhausaufenthalt oder natürlich ganz besonders im offenen, unwirklich anmutenden Ende.

Cross of Iron ist ein starker Kriegsfilm, bei dem eine ideale Kombination aus Genre, Stoff und Regisseur zusammengefunden hat. Peckinpahs Krieg ist ehrlich, rau, ungeschönt, aber auch elegisch und leicht irreal, und dabei in den Schlachtenszenen mit der Wucht eines Granateneinschlags versehen. Moralische Be- und Verurteilungen der Kriegsparteien oder entsprechende Belehrungen finden keinen Platz, stattdessen stehen die komplexen Charaktere und Konflikte im Zentrum.

Wertung: 9 / 10
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Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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So, Anatol, wir haben es geschafft. :D Mit dem Kreuz habe ich mich genauso schwer getan, was nicht an der Qualität des Films liegt, sondern wie du sagst einfach daran, dass er nicht schön brav einer Linie folgt, die man motivisch und dramaturgisch der Reihe nach aufdröseln könnte. (Welt-)Kriegsfilme sind da irgendwie besonders schwierig, weil da immer ein besonders komplexer historischer Kontext mit dranhängt, dem sich die Filme aber auf so endlos unterschiedliche Arten und aus unterschiedlichen Richtungen nähern können.

Was mir aufgefallen ist, ist dass ich tatsächlich eine höhere Wertung erwartet hätte - bei mir selber, aber vor allem bei dir (was jetzt klingt als ob Steiner übelst enttäuscht hat, dem ist natürlich nicht so). Wenn wir mal auf Seite 1 des Threads zurückblicken sieht es aus, als ob mit Strohhund und Eisenkreuz deine beiden damaligen "Runner-Ups" (9,5/10) etwas "gelitten" haben. Bei mir kommt dazu, dass Pat, Al und Rolf alle um den starken zweiten Platz drängeln, aber sich keiner von ihnen so richtig getraut, The Wild Bunch zu nahe zu kommen. Straw Dogs sowieso nicht. :wink: Vielleicht müsste ich doch endlich mal Cable Hogue und Junior Bonner nachholen... Aber versuchen wir es nochmal mit Steiner:
AnatolGogol hat geschrieben: 16. Januar 2023 11:17 Exemplarisch an mehreren Figuren wird gezeigt, wie sich Menschen wider besseren Wissens trotzdem von einer Kriegsmaschine instrumentalisieren lassen.
Vielleicht könnte man hier beginnen und sich fragen, wie das denn bei Steiner selbst aussieht. Er sagt, er hasse die Uniform und alles wofür sie stehe, kehrt einer nackten Senta Berger (!) aber schnurstracks den Rücken um an die Front zurückzukehren, sobald er vom Balkon aus Cpl. Schnurrbart erspäht. Dass ihm die Leute in seinem Zug wichtig sind, zeigt sich an deren ständigen Erscheinungen im Lazarett und an der Montage all ihrer Gesichter, kurz bevor er Triebig richtet. Trennt Steiner strikt zwischen den verhassten Offizieren, die für den Krieg stehen, und den unschuldigen Soldaten, die nix dafür können und mit denen es gilt, das Beste aus der Lage zu machen? Das wäre wohl zu einfach, und immerhin scheint er auch Neuankömmlingen im Zug zunächst immer etwas misstrauisch gegenüberzustehen (Zoll, zu Beginn auch Dietz). Sind Steiners Vorstellungen von Recht und Unrecht (wie eben z.B. in der Szene, als er Mason und Warner abblitzen lässt) einfach nur widersprüchlich und kaputt?
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Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

307
GoldenProjectile hat geschrieben: 17. Januar 2023 00:12 So, Anatol, wir haben es geschafft. :D
Yippie - und das Review-Pingpong und der Austausch hat sehr viel Spass gemacht (und den Thread im Umfang gleich mal verdoppelt)! :)
GoldenProjectile hat geschrieben: 17. Januar 2023 00:12Was mir aufgefallen ist, ist dass ich tatsächlich eine höhere Wertung erwartet hätte - bei mir selber, aber vor allem bei dir (was jetzt klingt als ob Steiner übelst enttäuscht hat, dem ist natürlich nicht so). Wenn wir mal auf Seite 1 des Threads zurückblicken sieht es aus, als ob mit Strohhund und Eisenkreuz deine beiden damaligen "Runner-Ups" (9,5/10) etwas "gelitten" haben.
Also beim Strohhund ist mir das bewusst so gar nicht aufgefallen. Vielleicht war ich damals dann tatsächlich ein klein wenig zu gütig mit der Bewertung, weil runde 9 Punkte scheinen mir angemessener als die schon knapp an der Perfektion kratzenden 9,5 Punkte.

Den Steiner hingegen habe ich dieses Mal tatsächlich mit ein klein wenig weniger Begeisterung geschaut. Es gab Zeiten, da hätte ich bei dem vermutlich sogar eine knappe 10 rausgehauen. Dieses Mal waren mir vor allem die großen Actionszenen etwas zu lang. Ich bin da ganz bei deiner Einschätzung, dass die Länge die Szenen nicht besser oder eindrucksvoller macht (was sie so oder so dennoch sind).
GoldenProjectile hat geschrieben: 17. Januar 2023 00:12 Bei mir kommt dazu, dass Pat, Al und Rolf alle um den starken zweiten Platz drängeln, aber sich keiner von ihnen so richtig getraut, The Wild Bunch zu nahe zu kommen. Straw Dogs sowieso nicht. :wink:
Bei mir gibt es ja eine Doppelspitze, wobei ich im Zweifel Wild Bunch dann doch noch mal ein kleines bisschen höher ansetzen würde als den Al. Und dahinter wird es dann auch bei mir eng, da der explodierende Mann, die Strohhunde und der Eisensteiner alle punktemäßig gleich ins Ziel gekommen sind. Aber das zeigt halt auch das durchgängig hohe Niveau, auf dem Peckinpah in den 70ern gearbeitet hat - allen Umständen zum Trotz. Und es ist irgendwie auch schön, da keinen Favoriten benennen zu können (also unter den dreien) und zu müssen. Aus dem Nicht-Samarathon-Bestand würde der Junior da auch noch mitmischen und das Kabel sich direkt dahinter einordnen - zumindest aus der Erinnerung der letzten Sichtung heraus.
GoldenProjectile hat geschrieben: 17. Januar 2023 00:12 Vielleicht könnte man hier beginnen und sich fragen, wie das denn bei Steiner selbst aussieht. Er sagt, er hasse die Uniform und alles wofür sie stehe, kehrt einer nackten Senta Berger (!) aber schnurstracks den Rücken um an die Front zurückzukehren, sobald er vom Balkon aus Cpl. Schnurrbart erspäht. Dass ihm die Leute in seinem Zug wichtig sind, zeigt sich an deren ständigen Erscheinungen im Lazarett und an der Montage all ihrer Gesichter, kurz bevor er Triebig richtet. Trennt Steiner strikt zwischen den verhassten Offizieren, die für den Krieg stehen, und den unschuldigen Soldaten, die nix dafür können und mit denen es gilt, das Beste aus der Lage zu machen? Das wäre wohl zu einfach, und immerhin scheint er auch Neuankömmlingen im Zug zunächst immer etwas misstrauisch gegenüberzustehen (Zoll, zu Beginn auch Dietz). Sind Steiners Vorstellungen von Recht und Unrecht (wie eben z.B. in der Szene, als er Mason und Warner abblitzen lässt) einfach nur widersprüchlich und kaputt?
Das sind sehr interessante Punkte, die du ansprichst und die ich so nie gesehen habe. Für mich bezog sich Steiners Kommentar über die Uniform immer klar auf die Offiziersuniform. Man könnte es aber auch generell auf die Wehrmachtsuniform beziehen, was auch passen würde, da im Gegensatz zu Berufssoldaten wie Brandt oder Karrieristen wie Stransky die einfachen Soldaten vom Schlage Steiner & Co. die Uniform ja nur gezwungenermaßen tragen und sie auch deshalb ein Symbol für das ist, was sie ablehnen.

Hinzu kommt, dass Brandt in meinen Augen die dritte Hauptfigur des Films ist. Das mag zunächst etwas merkwürdig klingen, da Mason ja viel weniger Szenen und Screentime hat als Schell und vor allem Coburn. Für die Untersuchung der Motivation, wie und warum Menschen wider besseren Wissens sich zum Teil einer Kriegsmaschinerie machen (lassen), halte ich ihn aber für das dritte wesentliche Beispiel anhand derer der Film dies untersucht. Bei Brandt ist der Fall dabei nicht ganz so klar wie bei Steiner und Stransky. Er ist auf den ersten Blick verantwortungs- und verständnisvoll gegenüber seinen untergebenen Soldaten, schwingt mehrfach fast schon defätistische Reden und lässt keinen Zweifel daran, dass er den Krieg für verloren hält. Aber dennoch scheint er zu keinem Zeitpunkt seine eigene Beteiligung am Krieg zu hinterfragen. Man könnte auch sagen, dass er weiterhin als Soldat funktioniert - zwar wie erwähnt mit durchaus vorbildlichen Charakterzügen, aber eben auch nur soweit dies möglich ist, denn er schickt auch weiterhin Soldaten in den Tod. So gesehen erklärt sich auch, warum Steiner eine so große Kluft zwischen den Offizieren und sich/"den seinen" sieht. Also zwischen denen, die die Befehle geben und denen, die sie ausführen müssen.

A propos Brandt: die These mit der dritten Hauptfigur wird finde ich auch dadurch gestützt, dass er es ist, der im Finale zusammen mit Stransky und Steiner kämpft. Also nicht zusammen im Sinne von Seite an Seite, aber man sieht ihn genau so mit der MP den russischen Angriff abwehren wie die beiden anderen. Hier werden finde ich alle drei auf eine Stufe gestellt, was ich so interpretiere, dass sie trotz allem am Ende eben weiterhin am Krieg teilnehmen - wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen. Oder vielleicht auch nicht aus ganz anderen Gründen, denn abgestumpft und in gewisser Weise entmenschlicht sind ja fraglos alle drei durch den Krieg.

Eine generelle Abneigung Steiners auch gegen einfache Soldaten sehe ich übrigens nicht. Klar, Zoll ist als Gestapospitzel und Verkörperung der von ihm abgelehnten Partei natürlich von Anfang an auf seiner Abschussliste. Aber bei Dietz sehe ich bei Steiner da keine Abneigung oder ähnliches. Die alten Hasen machen sich halt einen Spass mit dem Greenhorn und Steiner mag etwas schroff sein in der ersten Begegnung, aber ich habe das immer so verstanden, dass er ihm klar machen will, wie ernst seine Situation ist und dass er von Anfang an auf der Hut sein muss. Eine gewisse Skepsis gegenüber dem Neuankömmling und wenn man so will "Eindringling" in die bewährte Truppe spielt da aber fraglos auch mit rein (ähnlich wie zB auch in Stones Platoon). In Verbindung mit Steiners Abneigung gegenüber der Uniform würde ich das aber nicht sehen.

Triebig ist auch eine spannende Figur in ihrer menschlichen Fehlbarkeit. Er übernimmt den ganzen Film über keinerlei Verantwortung, weder für die Vorwürfe von Stransky (er hätte sie ja auch leugnen können oder es zumindest versuchen), dann auch nicht, als seine Falschaussage (oder eigentlich ist es ja eher eine Nicht-Aussage) hinsichtlich des angeblich von Stransky geführten Gegenangriffes auffliegt und natürlich final dann erst recht nicht, nachdem er Steiners Zug hat niedermetzeln lassen. Immer hat er eine Ausrede parat, mit der er sein eigenes Fehlverhalten zu entschuldigen weiss. Daher könnte man Triebig sicherlich auch als Beispiel für eine blinde Befehlslogik sehen, bei der Befehle befolgt werden, ohne dass diese jemals in Frage gestellt werden und persönlich Verantwortung dafür übernehmen muss.
GoldenProjectile hat geschrieben: 16. Januar 2023 23:48 Dafür bildet das abschliessende Bleigewitter unter "Friendly Fire" ein Kronjuwel in Peckinpahs Oeuvre.
Das sehe ich ganz genau so, vielleicht sogar die beste Szene des ganzen Films. Die Szene hat eine enorme Wirkung, zum einen durch die makellose Inszenierung, zum anderen zahlt sich hier dann auch aus, dass der Film zuvor so viel Zeit investiert hat dem Zuschauer die einzelnen Soldaten vom Zug Steiner nahezubringen. Da sterben dann nicht nur einzelne Soldaten, sondern jeder ist dem Zuschauer mittlerweile vertraut mit all ihren menschlichen Stärken und Schwächen. Die Intrige von Stransky und Triebig mag etwas arg konstruiert erscheinen, das macht aber eigentlich nichts, da ich die Szene in erster Linie eh als Allegorie auf den Wahnsinn des Krieges verstehe - und tatsächlich hat dies kaum ein Film je so gut hinbekommen wie Peckinpah in dieser Szene.
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Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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AnatolGogol hat geschrieben: 17. Januar 2023 08:00 Yippie - und das Review-Pingpong und der Austausch hat sehr viel Spass gemacht (und den Thread im Umfang gleich mal verdoppelt)! :)
Die Hälfte der Verdoppelung ist Knockin' on Heaven's Door...

Jetzt ist nur die Frage, wen wir uns als nächstes vorknöpfen. Kubrick? Scorsese? Malick? :)
AnatolGogol hat geschrieben: 17. Januar 2023 08:00 Hinzu kommt, dass Brandt in meinen Augen die dritte Hauptfigur des Films ist. die These mit der dritten Hauptfigur wird finde ich auch dadurch gestützt, dass er es ist, der im Finale zusammen mit Stransky und Steiner kämpft. Also nicht zusammen im Sinne von Seite an Seite, aber man sieht ihn genau so mit der MP den russischen Angriff abwehren wie die beiden anderen. Hier werden finde ich alle drei auf eine Stufe gestellt
Das ist absolut richtig, es ist ja auch Brandt, auf dem zuerst das Bild eingefroren wird, um wieder Hänschen Klein zu starten und das Ende einzuleiten, und nicht Steiner oder Stransky. Dazu gibt es von Brandt "weiterführende Szenen" abseits der beiden anderen, nämlich die Evakuierung, bei der er Kiesel wegschickt. Beim Vergleich, wie sich Kiesel von Brandt helfen/retten lässt und wie Steiner Brandt abblitzen lässt stellt sich mir aber weiterhin die Frage: Wäre es nicht viel besser gewesen, wenn sich Steiner Brandt anvertraut hätte, um Stransky loszuwerden? Hätte er hier nicht einfach mal darüber hinwegsehen können, dass Brandt ein Offizier der verhassten Kriegsmaschinerie ist? Steiner steht sich mit seinem Hass auch ein bisschen selber im Weg. Vielleicht fehlt ihm in diesem Moment ironischerweise eine Prise Opportunismus von Stransky.
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Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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GoldenProjectile hat geschrieben: 17. Januar 2023 10:28 Dazu gibt es von Brandt "weiterführende Szenen" abseits der beiden anderen, nämlich die Evakuierung, bei der er Kiesel wegschickt. Beim Vergleich, wie sich Kiesel von Brandt helfen/retten lässt und wie Steiner Brandt abblitzen lässt stellt sich mir aber weiterhin die Frage: Wäre es nicht viel besser gewesen, wenn sich Steiner Brandt anvertraut hätte, um Stransky loszuwerden? Hätte er hier nicht einfach mal darüber hinwegsehen können, dass Brandt ein Offizier der verhassten Kriegsmaschinerie ist? Steiner steht sich mit seinem Hass auch ein bisschen selber im Weg. Vielleicht fehlt ihm in diesem Moment ironischerweise eine Prise Opportunismus von Stransky.
Besser wäre es für den ollen Rolf wohl sicherlich gewesen, aber es wäre für ihn ja auch besser gewesen, wenn er noch ein bisschen bei der schönen Senta geblieben wäre. :wink: Ich denke, der Punkt auf den der Film raus will ist, dass Steiner (wie auch die ganzen anderen Figuren) nicht anders handeln können, was letztlich eine Auswirkung des Krieges ist. Wenn man zudem bedenkt, wie ungemütlich der Feldwebel auf Autorität reagiert (zB bei seiner ersten Begegnung mit Stransky), dann wird aus seinem Offiziershass schon ein Schuh. Seine (zumindest originäre) Beteiligung am Krieg ist ja unter Zwang erfolgt, da er mutmaßlich ungefragt eingezogen wurde. Brandt dagegen ist von Berufswegen dabei und Stransky, um sich zu profilieren. Auch das spielt vermutlich in Steiners Offiziershass mit rein, da er und sein Zug halt ganz am Ende der militärischen Befehlskette stehen und alles am bittersten ausbaden müssen - ob sie wollen oder nicht.

>> A propos Offiziershass: im legendären Sequel ist Steiners zweitbester Kumpel ein von Curd Jürgens gespielter Wehrmachtsgeneral, der aus dem gleichen Kaff wie er kommt (sein bester Kumpel ist und bleibt natürlich Uffz Krüger: „Du alter Armleuchter!“ – „Du alte Pflaume!“) > soviel zum Thema figürliche Kontinuität :lol:
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Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

310
Habs nicht geschafft, nur die Hälfte mal wieder. Aber nur kurz zur Diskussion. Also für einen 1943 aktiven Soldaten ist er schlicht zu alt, um "normal" eingezogen worden zu sein. Er ist Feldwebel, damit Unteroffizier und dort auch nicht der niedrigste Rang. Das riecht für mich eher nach Berufssoldat. Zwar soll er im Buch jünger sein, aber Coburn sieht in dem Film fast noch älter aus als er eigentlich war. Also gut über 50.
http://www.vodkasreviews.de


https://www.ofdb.de/autor/reviews/45039/

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

311
vodkamartini hat geschrieben: 17. Januar 2023 23:02 Habs nicht geschafft, nur die Hälfte mal wieder. Aber nur kurz zur Diskussion. Also für einen 1943 aktiven Soldaten ist er schlicht zu alt, um "normal" eingezogen worden zu sein. Er ist Feldwebel, damit Unteroffizier und dort auch nicht der niedrigste Rang. Das riecht für mich eher nach Berufssoldat. Zwar soll er im Buch jünger sein, aber Coburn sieht in dem Film fast noch älter aus als er eigentlich war. Also gut über 50.
Er ist zu Beginn des Films ja nur Uffz, also der unterste Unteroffiziersrang, das ist Rangtechnisch auch als Eingezogener drin. Vor allem angesichts seiner unglaublichen Anzahl an Auszeichnungen. Das Alter von Coburn darf man natürlich - genau wie bei Pat Garrett - nicht als Maßstab für das Rollenalter nehmen (ansonsten wäre z.B. Danny Glover ja auch nie und nimmer "zu alt für diesen Scheiss" gewesen und Harrison Ford...ach, lassen wir das lieber :D ). Steiner dürfte wie im Buch deutlich jünger sein als Coburn "in echt", zwar vergleichsweise alt, aber eben nicht auf die 50 zugehend. Was ebenfalls gegen eine Berufssoldatenlaufbahn spricht ist sein geringer Rang angesichts seines vergleichsweise hohen Alters: da hätte er sich schon extrem dumm angestellt haben müssen - was aber komplett gegen seine im Film gezeigten militärischen Fähigkeiten gehen würde. Es erscheint auch unwahrscheinlich, dass jemand mit einem solch ausgeprägten Problem mit Obrigkeiten sich ausgerechnet eine militärische Berufslaufbahn aussucht (und unverdrossen bei der Stange bleibt).

Bzgl. Coburns Wirkung: also wie über 50 wirkt der auf mich nicht. Er verkörpert eine Ausgebranntheit und Erfahrung, aber eben auch eine Drahtigkeit. Vom Aussehen würde ich ihn aufgrund seiner Vitalität auf Mitte 40 schätzen, aber nicht wesentlich älter. Wir reden hier ja nicht von Old Burton. :D

A propos Old Burton: ich hatte gestern solch ein Verlangen das Sequel zu schauen, dass ich dem einfach nachgeben musste. Was mir dieses Mal erstmalig aufgefallen ist: gleich am Anfang bei der Szene am Bahnhof, wo einer der Verwundeten so ne große Lippe riskiert und alle anpflaumt, wird einer der Sanitäter, der sich von dem Verwundeten nen dummen Spruch einfängt, von niemand anderem gespielt als dem jungen Christoph Waltz! :shock: Eine weitere eindrucksvolle Kerbe in der genial-illustren Besetzung von Steiner Teil 2.


Von dem Typ mit dem Kopfverband würd ich gern ein Spin-Off sehen: Titel: "Das Grossmaul von der dritten Kompanie" oder so ähnlich, wo er permanent alle dumm anpflaumt und lustige Kriegsabenteuer erlebt. :lol:

A propos Old Burton 2: einer seiner besten Sprüche in Steiner 2 ist: "ich brauche keinen Schnaps um mich zu berauschen!" - diese Worte ausgerechnet aus dem Mund des berüchtigt-trinkfesten Walisers entbehren nicht eines gehörigen Maßes an Komik.
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Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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vodkamartini hat geschrieben: 18. Januar 2023 23:53 Also bei einer Peckinpah Retrospektive - ist im Bonus-Material der Bluray zu sehen - bezeichnete Coburn Steiner mehrfach als professional soldier, worunter ich einen Berufssoldaten verstehe. ;) Wie gesagt würde ich das nach Ansicht des Films auch so sehen. Können wir morgen mal ausdiskutieren. :)
So oder so: aus den genannten Gründen (vor allem das Verhältnis Alter/Fähigkeiten/Auszeichnungen/Dienstgrad) ergibt das für mich nicht so viel Sinn. Ist aber tatsächlich jetzt auch nicht kriegsentscheidend. :)
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Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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Ja, da verlieren wir uns in Details, mir ging es vornehmlich darum, dass Coburn schlicht deutlich zu alt für die Rolle ist. ;) Aber dennoch macht er einen tollen Job und ist das schauspielerische Highlight des Films, einfach weil sich alles um ihn herum zentriert und an ihm abarbeitet. Ein solch darstellerischer Fixpunkt ist nicht ganz unwichtig, denn der Film folgt keiner strengen Dramaturgie und lebt mehr von Stimmungen und Episoden.

Zu der Rang-Geschichte. Dass er es in 4 Kriegsjahren "nur" zum Feldwebel bringt, kann trotz seiner Leistungen durchaus sein, denn a) hat er ein Autoritätsproblem und solche Leute kommen nicht voran, schon gar nicht in der Wehrmacht und b) war für die Offizierslaufbahn im Prinzip eine bestimmte Herkunft und Ausbildung (Abitur) vonnöten.
Wäre er ein normal Eingezogener beginnt er als Gefreiter und hätte somit immerhin 5-6 Ränge durchlaufen.
Vermutlich haben sie den Rang einfach aus dem Roman übernommen und in dem ist Steiner so Mitte 30, soweit ich weiß.
http://www.vodkasreviews.de


https://www.ofdb.de/autor/reviews/45039/

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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vodkamartini hat geschrieben: 19. Januar 2023 07:32 Zu der Rang-Geschichte. Dass er es in 4 Kriegsjahren "nur" zum Feldwebel bringt, kann trotz seiner Leistungen durchaus sein, denn a) hat er ein Autoritätsproblem und solche Leute kommen nicht voran, schon gar nicht in der Wehrmacht und b) war für die Offizierslaufbahn im Prinzip eine bestimmte Herkunft und Ausbildung (Abitur) vonnöten.
Wäre er ein normal Eingezogener beginnt er als Gefreiter und hätte somit immerhin 5-6 Ränge durchlaufen.
Vermutlich haben sie den Rang einfach aus dem Roman übernommen und in dem ist Steiner so Mitte 30, soweit ich weiß.
Ich meinte nicht einen Offiziersrang, sondern einen deutlich höheren Uffz-Dienstgrad. Bei Steiners offensichtlicher Führungsstärke und seiner Auszeichnungsflut dürfte er recht schnell die Beförderung zum Uffz bekommen haben - auch weil aufgrund der massiven Verluste bereits zu Beginn des Krieges Bedarf bestanden hat - und das auch ohne erst die kompletten Manschaftsdienstgrade durchrödeln zu müssen. Aber das ist natürlich letztlich alles Spekulation.
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