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von HCN007
Agent
iHaveCNit: (on Netflix): Marriage Story (2019)
First Look: 13.01.2020
Die Awardsaison ist gerade im Gange und geht nun auch in Richtung seines alljährlichen Höhepunkts, wenn die Filmbranche sich selbst bei den Academy Awards feiert und auszeichnet.
Mittlerweile muss man sich damit dann auch anfreunden, dass der übliche Veröffentlichungsweg von möglichen nominierungsfähigen Filmen bis auf das Erfüllen der Regularien auch nun nicht mehr im Kino, sondern direkt im Heimkino ist. So auch Noah Baumbachs neuester Film „Marriage Story“, den ich auf meiner Liste hatte und nun auch gesichtet habe. Wenn ich bedenke, dass das Jahr selbst noch lang ist und ich bisher nur einen Film aus der Heimkinosparte gesehen habe, kann ich dieses Jahr eigentlich schon mit „Marriage Story“ abschließen, denn ich frage mich, ob es gerade in diesem Sektor noch besser werden kann.
Der Regisseur Charlie und die Schauspielerin Nicole sind mittlerweile seit 10 Jahren ein Paar, haben geheiratet und den gemeinsamen Sohn Henry bekommen. Jedoch hat es den Anschein, dass die Liebe zwischen den beiden abgeebbt ist und beide mittlerweile abweichende Lebenswege für die Zukunft treffen möchten. Bis zu dem Zeitpunkt als Nicole die Entscheidung trifft, sich von Charlie scheiden zu lassen und sich beide im anstehenden Rechtsstreit immer weiter voneinander entfernen und die komplette Menschlichkeit aus ihrer Beziehung gezogen wird, obwohl sie beide eine zufriedenstellende Lösung für sich und Henry ausarbeiten wollen.
Der Film lebt nahezu von seinem großartigen Schauspiel-Duo aus Adam Driver und Scarlett Johansson sowie auch im Bereich der Nebendarsteller mit auf jeden Fall Laura Dern. Beide habe ich bisher glaube ich soweit kaum besser in Erinnerung als hier. Optisch und musikalisch bleibt der Film ganz klassisch und auch die Kamera von Robbie Ryan ist ganz dezent im Vergleich zu dessen Arbeit bei „The Favourite“. Gerade im Aufbau des Films ist es interessant, wie man für beide die emotionale Fallhöhe bereits in den ersten Minuten des Films etabliert. Der Film hat mich auch ein wenig an meine persönliche Geschichte als Scheidungskind erinnert. Ich war damals im ähnlichen Alter wie der Sohn und habe von den Folgen noch sehr lange gelitten, aber kann mich an Details nicht mehr genau erinnern. Auch die unterschiedlichen Sichtweisen und Ziele meiner Eltern waren mir damals nicht klar. „Marriage Story“ von Noah Baumbach schafft es hier, dass man während des Films gleichermaßen Sympathie und Empathie für Scarletts Nicole und Adams Charlie entwickelt und es förmlich wehtut sich anzusehen, was sich beide unter dem Druck des Scheidungskriegs bereit sind anzutun. Und der Film schafft es hier auch noch in seiner Konklussion eine sehr intelligente und komplexe Lösung auszuarbeiten, die aus rechtlicher Sicht sehr ausgewogen in frauen- und männerrechtlicher Sicht auch in Bezug auf das Sorgerecht geworden ist. Nicht zu vergessen, dass mich der Film emotional noch lange nach seinem Ende mitgenommen hat.
„Marriage Story“ - First Look – 10/10 Punkte.
Als Nächstes habe ich an einer besonderen Kinovorstellung im Deutschen Filmmuseum Frankfurt teilgenommen. Das Museum hat eine Reihe, die sich „Was tut sich im deutschen Film ?“ nennt. Hierzu kommt es einmal im Monat zu einer Filmvorstellung in dieser Reihe mit entsprechendem Fachgespräch nach dem Film. Dieses Mal gab es zur Filmvorstellung des neuen Christian Alvart-Films „Freies Land“ ein anschließendes Fachgespräch und Interview mit Christian Alvart, in dem er vor allem über die Produktion von „Freies Land“, seine Karriere, seine Erfahrungen und seine Abstecher nach Hollywood und Netflix sowie über kommende Projekte gesprochen hat. Und da Christian Alvart selbst im Rhein-Main-Gebiet aufgewachsen und dort auch viel rumgekommen ist, war es quasi für ein Heimspiel im Kino des Filmmuseums, wo er selbst bereits als junger Filmfan selbst die ein oder andere Vorstellung in der Vergangenheit besucht hat.
iHaveCNit: Freies Land (2020)
14.01.2020
Wenn es einen deutschen Regisseur gibt, bei dem ich mir quasi bedenkenlos dessen Filme ansehen kann ohne bisher enttäuscht zu werden, dann ist es Christian Alvart. Egal ob „Antikörper“ ; „Halbe Brüder“ ; die Schweiger-Tatorte bis zum Kinoauftritt „Tschiller: Off Duty“, „Steig.Nicht.Aus!“ ; „Abgeschnitten“ oder auch die Netflix-Serie „Dogs of Berlin“ - alles hat mir durch die Bank weg gut gefallen, doch nun liefert er mit „Freies Land“ den in meinen Augen besten Film seiner Karriere ab.
1992. Kurz nach der Wende wird der introvertierte und idealistische Polizist Patrick Stein für einen Einsatz in das ostdeutsche Städtchen Löwitz beordert. Dort soll er mit Markus Bach, einem Raubein mit dunkler Stasi-Vergangenheit in einem Fall von vermissten Mädchen ermitteln. Für viele in Löwitz ist klar, dass sich die jungen Mädchen nach Berlin abgesetzt haben um dort einem besseren Leben nachzugehen. Dass die jungen Mädchen jedoch ein anderes Schicksal ereilt haben könnte, wird komplett ignoriert, genau wie das dunkle Geheimnis, das hinter dem Schicksal steht.
„Freies Land“ ist schon jetzt einer der Anwärter für meinen jährlichen Preis im Bereich des deutschen Films. Die Vorlage für diesen Film, den spanischen „La Isla Minima“ habe ich hier nicht gesehen, so dass ich hier keine Vergleiche ziehen kann und auch komplett unvoreingenommen in den Film gegangen bin. Gerade wenn man nach der Vorstellung noch ein wenig von der Produktionsgeschichte mitbekommt muss ich sagen, dass ich damit einen Eindruck bekommen habe, mit welcher Spontanität, Effektivität und Effizienz Christian Alvart hier den Film in weniger als einem Monat mit einem Budget von knapp über 2 Millionen Euro realisiert hat und einen Respekt dafür habe, was er hier nun für ein Ergebnis erzielt hat. Neben der Regie ist er hier auch für das Drehbuch und die Bildgestaltung zuständig gewesen. Sein Film ist sowohl Krimi als auch Western und liefert sogar etwas Noir. Die Ostdeutsche Region, die er hier zum größten Teil in der Gegend von Lwiw, Ukraine aufgezogen hat, liefert ein extrem tristes und trostloses Bild einer Region und Gesellschaft, die komplett in Lethargie gefallen ist, weil sie mit den Veränderungen und verpassten Chancen nach der Wende hadert. Alvart erschafft mit seinen Bildern und der Musik von Christoph Schauer eine unglaublich stimmige Atmosphäre, die einen regelrecht in den Film zieht. Darüber hinaus hat mir auch das Zusammenspiel des ungleichen Duos aus Trystan Pütter und Felix Kramer gefallen. Während Pütter mal etwas aus seiner Komfortzone gedrängt wird, bleibt der gute Felix Kramer bei seiner Rolle einem ähnlichen Charakter wie sein Cop aus „Dogs of Berlin“ treu. Nur, dass man ihn wenn man seine Stimme nicht gewohnt ist, erst kaum erkennen wird. Insgesamt hat mich der Film ein wenig an die Verfilmungen der Jussi-Adler-Olsen-Romane um Carl Morck, die erste Staffel von „True Detective“ und auch von der optischen und musikalischen Gestaltung auch etwas an Denis Villenueves „Sicario“ erinnert.
„Freies Land“ - My First Look – 9/10 Punkte.
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