Dafür macht Königreich der Himmel meiner Ansicht nach einen Kardinalfehler, nämlich dass Scott auch hier wieder der Versuchung einen visuell trendig durchgestylten Film zu drehen nicht widerstehen konnte. Das macht mir die Mittelalter-Illusion weitgehend zunichte - zumal ich Orlando Bloom einfach als völlig fehlbesetzt empfinde und die Lovestory mit Green der übliche Hollywood-Kitsch ist. Da ist F&B durch Verhoevens raue und auf visuelle Spielereien verzichtende Herangehensweise viel ehrlicher und authentischer im Hinblick auf die bearbeitete historische Periode (auch wenn Hauer mal mit nem Bandana durch die Gegend spurtet) als Scotts hippe Schnittorgie in blau-türkis (und das sage ich, obwohl ich den Kreuzritter-Film eigentlich auch mag).

Leider fällt Verhoeven für das Ende seines Filmes nichts mehr ein, da kommt dann nur noch das Übliche, und das hat den Film für mich doch ganz ordentlich runter gezogen.

Für mich ist das Hauptpronblem, dass es ein bißchen wie eine Karnevalsveranstaltung aussieht. Das mag mich aus bekannten Gründen besonders stören, aber leider kann ich mich davon nicht lösen. Mit Bloom hast du recht, den finde ich auch nicht passend, aber eben genausowenig Hauer - den ich ansonsten mag - , der war halt Verhoevens frühe Allzweckwaffe, im Rittergenre - zumindest so wie es Verhoeven inszeniert - passt er aber imo überhaupt nicht. Ich finde den Film relativ schwach, leider, und das obwohl ich das Sujet und den Regisseur sehr schätze. Da kommt bei mir so gar kein Mittelalter-Feeling auf.

Ich finde, man kann hier den Dreck und das Blut (und das Fleisch) förmlich fühlen, bei Herrn Scott dagegen sieht es halt nach ner perfekten Ausstattungsorgie aus, aber eben nicht echt. Warum findest du Hauer denn hier unpassend? Ich finde ihn goldrichtig, in einem Mittelalterstreifen erwarte ich in der Hauptrolle einen kernigen Typ, deswegen funktioniert zB auch El Cid so gut und Der erste Ritter ist so ein Rohrkrepierer (wobei zugegebnermaßen letzteres bei weitem nicht die alleinige Schuld von Gere ist). Was genau erweckt für dich denn den Eindruck einer Karnevalsveranstaltung?

Die ganze Atmosphäre, die Kostüme etc. Königreich der Himmel ist in seiner Ausstattung und des Zeitkolorits erheblich authentischer und "echter". Hauer gibt hier mal wieder den leicht Durchgeknallten, was imo unpassend ist. Klar, das Derbe, Brutale ist toll und typisch Verhoeven.
Kernige Typen im Mittelalter funktionieren immer gut, das stimmt. So gesehen war Heston seinerzeit sehr überzeugend und Arnold wäre toll in "Crusade" gewesen. Sehr schade, dass das nie zustande kam.

AnatolGogol hat geschrieben:Dafür macht Königreich der Himmel meiner Ansicht nach einen Kardinalfehler, nämlich dass Scott auch hier wieder der Versuchung einen visuell trendig durchgestylten Film zu drehen nicht widerstehen konnte.

Schön gesagt, sehe das genauso. Königreich der Himmel ist zwar historisch ziemlicher Nonsens und Unsinn, aber sowas akzeptiere ich gerne, wenn mich das Gesamtresultat zufriedenstellt. Leider ist es bei Königreich der Himmel de facto tatsächlich so, dass er zu sehr nach einem perfekt durchgetakten Schlachtenfest ausschaut, eine reine Stilvorführung, die aber nicht wirklich stimmig die Epoche bebildern kann, weil sie sich dafür zu trendy anfühlt. Für mich pendelt der Film zu oft zwischen einem gewollten Epos und modernem Action-Kino hin und her und findet da keine eigene Linie. Dagegen ist Flesh & Blood sich ganz sicher, was er sein will: Ein Monstrum. Das unkonventionelle Drehbuch in Zusammenhang mit der extrem eindrücklichen Inszenierung von Old Paul ist ein hervorragender Blick in menschliche Abgründe. Der Film ist quasi ganz besonders stumpf, um genau dahin zu kommen, was andere Filme nur andeuten können, nämlich zu den schlimmsten Gräueltaten und Widerwärtigkeiten des Menschen. Rutger Hauer finde ich ehrlich gesagt sehr passend im Cast, weil er den dreckigen Eindruck der Szenerie mit seinem diabolischen Charisma unterstreicht und die (oft nackte) Jennifer Jason Leigh ist natürlich auch nicht zu verachten. Kann aber verstehen, wenn man mit dem nicht warm wird. Es ist eben auch ein Verhoeven, die sind nicht für jedermann.

Übrigens: In Flesh & Blood haben die dreckigen Männer auch fast alle schlechte Zähne. Da soll mal einer sagen, es würde kein Film auf sowas achten.

Ich hatte beim Kinogang seinerzeit sehr hohe Erwartungen an Königreich - geschürt u.a. auch durch meine Begeisterung für Flesh & Blood und die nachhängende Enttäuschung, dass The Crusades nie realsiert wurde. Dass diese Erwartungen dann von der (kürzeren) Kinofassung nicht erfüllt werden konnten ist eigentlich nicht verwunderlich. Ich war entsprechend schwer enttäuscht und empfand den Film nur knapp überdurchschnittlich - vor allem aber als Möchtegern-Epos (der größte Witz war die Intermission nach ner Dreitviertelstunde! Bei einer Spielzeit von gerade mal knapp über 2 Stunden fühlte ich mich da regelrecht verarscht). Zweitsichtung der Kinofassung auf DVD brachte keine Verbesserung, hingegen die Erstsichtung des erheblich ausführlicheren DCs schon. Von dem war ich richtig begeistert, vor allem ob des nun wirklich vorhandenen epischen Feelings und der verbesserten Charakterentwicklung. Doch leider hielt auch diese Begeisterung nicht allzu lange an, da die weiteren Sichtungen die originären Fehler der Kinofassung mir nur aufs neue auch im DC vors Auge führte. Hinzu kam die angesprochene Überstilisierung, die ich mittlerweile als sehr störend empfinde und die Herr-der-Ringe-mäßigen CGI-Schlachten, die ich auf Dauer sehr ermüdend finde. Mit Wohlwollen würde ich jetzt noch 7 Punkte geben, aber eigentlich ist es es ein gescheiterter Versuch von Scott den Gladiator ins Mittelalter zu verfrachten, nur noch stilisierter und stromlinienförmiger. Flesh & Blood ist wirklich das komplette Kontrastprogramm dazu und fühlt sich einfach ehrlich an. Hier ist der Dreck auch Dreck und keine Makeup, hier sind viele der Schauspieler auch nur bedingt attraktiv und eben nicht verkleidete und maskierte attraktive Schauspieler (zB Lacey, James oder Johnston im Gegensatz zu Csokas, Norton oder Neeson). Dass Scott sowas auch ganz anders und viel besser kann hat er ja mit den Duellisten bewiesen - wobei es bezeichnend ist, dass Duellisten am Anfang seiner Karriere stand und Königreich eher am Ende, während sich zB Black Book in Bezug auf Authentizität nicht wirklich anders anfühlt als zB der orangene Soldat.

Ich mochte die Kinofasssung von Königereich der Himmel auch nicht sonderich und finde den DC deutlich stimmiger. Das mit den CGI-Schlachten ist natürlich nicht schön und Bloom kein überzeugender Ritter, da hätter man viel besser Neeson ins Zentrum rücken sollen. Aber nichts für ungut, die Faschingsmaskerade ist genau das, was mich an Verhoevens Film stört, der sich zu keiner Sekunde nach Mittelalter anfühlt. Dazu komt noch, dass ich ihn auch dramaturgisch relativ langweilig finde. Für mich - den ich den Film micht im Kino, sondern später erst zu Hause und mit große Vorschusslorbeeren gekeppelt - gesehen habe, eine ziemlich Enttäuschung. Kommt imo nicht mal ansatzweise an Verhoevens spätere Hollywood-Hits ran.

Gladiator ist definitiv als Film gelungener wie Königreich, er ist als großes Drama mit tollen Scauspielern aufgezogen. Historisch stimmt da allerdings fast nichts (Setting, Bauten, Rüstungen etc. und v.a. die Republik/Demokratie-Wende am Ende ist ganz grober Unfug) aber dafür atmet er die Atmosphäre des langsam untergehenden römischen Imperiums.

Witzig, ich finde dagegen Gladiator relativ konventionell, nicht allzu aufregend (6/10), während der DC von KdH zu Scotts besten Filmen gehört (8/10).

Das stimmt schon, er ist konventionell, aber drückt die richtigen Knöpfe und packt. Das ist imo seine besondere Qualität. Crowe und v.a. Phoenix spielen das sehr gut, dazu kommt endlich mal eine spürbare und nicht nur behauptete Epik. Im Grunde ist es eine simple Rachegschichte, das ist schon klar. Bei den 8/10 für "Königreich" bin ich dabei.

AnatolGogol hat geschrieben:Wenn man so will ist JJLs Agnes damit eine frühe Version von Michelle aus Elle

Elle sollte ich dringend noch ansehen. Liegt hier auch rum.

Genauso muss ich mir die Uncut Version von Starship Troopers besorgen! Warum wusste ich davon nicht früher was? Seit wann gibt es die plötzlich?

Schon ein wenig, ist vom Index, war auch ziemlich blöde. Hatte aber schon längst die SPIO sowie die Originalfassung. Die ist sowieso Pflicht, da man den Dialog v.a. zu Beginn total sinnentstellt hat.

Ja, das der Film auf dem Index war unterstreicht die These, dass Troopers zu den missverstandensten Filmen aller Zeiten zählt.

Ich werde mich irgendwann auch nochmal an Verhoeven ran trauen und nacheinander Robocop, Total Recall, Black Book und Hollow Man sichten. Mal sehen, ob dabei noch etwas rauskommt....

Mit Sicherheit! Sehr viel Spaß!