GoldenProjectile hat geschrieben: Nachdem es sich abzeichnete, dass George Lazenby für den nächsten Film nicht mehr als Hauptdarsteller zur Verfügung stehen würde und das Gros des Publikums auf die in OHMSS neu eingeschlagene Marschrichtung eher verhalten reagierte, beschlossen die Produzenten Saltzman und Broccoli, bei ihrem siebten Bond-Abenteuer auf Nummer Sicher zu gehen und den Leuten vor allem das zu geben, was sie wollten.
Diese Einschätzung teile ich nur in Teilen. Die diskussionswürdige Entscheidung der EON-Boys John Gavin als neuen James Bond zu installieren wirft zumindest die Frage auf, ob die Produzenten überhaupt ihre Lehren aus dem vorangegangenen relativen Misserfolg OHMSS gezogen haben (der fraglos in wie auch immer großen Teilen an die Besetzung der Hauptrolle geknüpft ist). In DAF hätte ohne die Intervention von UA in Person von David Picker John Gavin den berühmtesten Geheimagenten der Welt gegeben, eine gerade nach dem Lazenby-Intermezzo äusserst merkwürdige Wahl und kaum die Art Besetzung, bei der man von Nummer Sicher sprechen kann. In Bezug auf die generelle Ausrichtung des Projektes DAF hast du aber natürlich vollkommen recht, allerdings wollte ich die Personalpolitik der Herren Saltzman und Broccoli dennoch nicht unerwähnt lassen, da ich DAF hinsichtlich der Zukunft der Reihe als quintessentiellen Beitrag sehe und die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Scheiterns mit Gavin nicht unerheblich gewesen wäre (denn was die Zuschauer WIRKLICH sehen wollten war Connery als Bond).
GoldenProjectile hat geschrieben:
Stattdessen gipfelt das absurde Handlungsgerüst nach YOLT in einen neuerlichen Ausflug in Science-Fiction-Gefilde, ein diamantengespickter Blofeldscher Kampfsatellit zur Zerstörung von Atomraketen mit inbegriffen.
Ich finde den SciFi-Anteil in DAF aber eigentlich kaum erwähnenswerter als in OHMSS – sieht man mal vom fehlenden Weltraum-Bezug im direkten Vorgänger ab. Der psychedelisch in Szene gesetzte Killerbakterien-Plot war ja auch nicht weniger dem Reich der Fantasie entspungen wie auch bei DAF sich ein Grossteil der Handlung eher bodenständig abspielt und die Überzeichnung eher über die Figuren erfolgt.
GoldenProjectile hat geschrieben:
Diese totale Skurrilität äussert sich in vielen kleineren und grösseren Details von Story und Inszenierung, provoziert aber vor allem mit dem Umstand, dass die Intentionen der Macher häufig im Verborgenen bleiben. Es scheinen sich ernstgemeinte aber oft auch missratene Passagen mit Szenen der totalen Eigenparodie abzuwechseln, und an vielen Stellen scheint beides durcheinander zu geraten. Ein Prachtbeispiel für die merkwürdige Mischung ist der Endkampf gegen Mr. Wint und Mr. Kidd, bei dem der eine in einem der brutalsten Bondmomente bei lebendigem Leib verbrennt und der andere entzückt juchzt wenn Bond ihn an den Kronjuwelen packt, alles in ultralangsamem Rhythmus, begleitet von John Barrys schrillen, überdramatischen Fanfaren und Tiffany Cases angewidertem Gequäke – grotesker geht’s nicht! Aber das ist noch lange nicht alles, nach dem noch einigermassen ernsten Anfang in Amsterdam folgen im Prinzip triviale Handlungsszenen und kauzige Rummelplatzmomente im Wechseltakt. Einiges davon ist unterhaltsam oder oft einfach nur unfreiwillig komisch, vieles dafür aber auch überhaupt nicht. Und ein zusammenhängender Stil oder gar eine Dramaturgie will sich nicht einstellen.
Ich finde nicht, dass DAF jemals einen Zweifel aufkommen lässt, wessen Geistes Kind er ist. Praktisch alles Szenen sind auf die eine oder andere Art humoristisch angehaucht (mit ganz wenigen Ausnahmen wie beispielsweise dem Auffinden der toten Plenty/Penny). Ich sehe auch keinen Widerspruch in der von dir angeführten Verbindung von Skurrilität und Brutalität. Die Brutalität (vor allem repräsentiert von Wint und Kidd) ist in ähnlichem Maße überzeichnet wie viele andere figürliche Komponenten. Mehr noch zielt die Steigerung des Brutalitätslevels auch sehr direkt auf die Befriedigung der Schaulust des Zuschauers ab und harmoniert damit sehr gut mit der restlichen Schauwert-Vollbedienung. DAF ist ein Zirkus – in jeder Beziehung. Von daher kann ich hier keine stilistiche Zerrissenheit erkennen, bei der oftmals zusammenhangslosen und episodenhaften Dramaturgie bin ich hingegen dicht bei dir.
GoldenProjectile hat geschrieben:
und wird nur noch von der schlechtesten Autoverfolgung in über fünfzig Jahren Bondgeschichte unterboten
ich finde das Auto-Schaulaufen in SP noch schwächer. DAF ist sich selbst zumindest auch in dieser Szene treu (gut, dass kann man auch SP zu Gute halten) und setzt komplett auf oberflächliche Schaulust-Bedienung. Ich mag die Szene persönlich auch nicht sonderlich, allerdings muss man ihr zumindest eine gewisse Vorreiter-Stellung einräumen gegenüber späteren Klassikern wie Ein ausgekochtes Schlitzohr oder Blues Brothers (in welchen die Auto-Zerstörungsorgien allerdings zugegebenermaßen erheblich besser in Szene gesetzt wurden).
GoldenProjectile hat geschrieben:
Auch der grosse Helikopterangriff auf Blofelds Bohrinsel ist nicht viel besser und hinkt den ähnlich gestrickten Showdowns in beiden Vorgängerfilmen deutlich hinterher, was neben der Regie auch am wenig attraktiven, geschweige denn aufregenden Schauplatz liegt.
Absolut, wie man sich auch keinen Gefallen damit tat das YOLT-Ende in kaum abgeänderter, aber eben deutlich unspektakulärerer Form zum dritten Male hintereinander zu verwursten.
GoldenProjectile hat geschrieben:
Ein feixender, graumelierter Onkeltyp als Nemesis Blofeld? Charles Gray setzt als Oberschurke keinerlei Akzente und scheint völlig fehl am Platz.
Ich mag Gray als Blofeld sehr gern, er hat so etwas arrogant-sobistisches. Die Eleganz (und Eloquenz), mit der er auftritt gibt der Blofeld-Figur eine ganz neue und eigene Komponente, von daher finde ich den Vorwurf Gray würde keine Akzente setzen nicht gerechtfertigt. Schade finde ich, dass seine Interpretation durch das Drehbuch zu Gunsten einiger einfacher Lacher schon etwas kompromittiert wird (am deutlichsten durch die Drag-Szene, aber auch am Ende hadernd im U-Boot).
GoldenProjectile hat geschrieben:Für ihre letzte Szene hat DAF ausserdem keine wirkliche Motivation anzubieten.
Ich kann dir eine anbieten: Blofeld lebt (siehe FYEO) und ist nach wie vor ihr Boss. Von daher besitzt ihr finaler Angriff die gleiche Motivation wie der von Klebb in FRWL. Du hast aber insofern recht, dass dies vom Film nicht thematisiert wird. Ich denke auch, dass das komplett offen gelassene Ende von Blofeld ein schwerer Fehler war und auch schlecht umgesetzt wurde. Man hätte zumindest in einer kurzen Einstellung noch ein mögliches Überleben andeuten sollen (oder eben seinen Tod zeigen).
GoldenProjectile hat geschrieben:Für So bleibt DAF in der chronologischen Retrospektive in erster Linie als halbfertige Kuriosität in Erinnerung.
Abgesehen von seiner in meinen Augen enormen filmhistorischen Bedeutung für den Fortbestand Serie finde ich hat DAF dann schon noch etwas mehr zu bieten. Vor allem die pointierten und süffisanten Dialoge – sowohl in der OV als auch in der deutschen Synchro – sehe ich ganz weit vorne in der Serie. Mankiewicz beweist hier ein sehr gutes Händchen für einen leicht-launigen Tonfall, der sich durch den gesamten Film zieht. Das ist sicherlich ein deutlicher Bruch zu den Vorgängern (den man auch bewusst durch die Verpflichtung von Makiewicz vorangetrieben hat), allerdings sehe ich darin nicht den Grund, warum DAF weniger gut funktioniert als viele andere Bondfilme. Das mache ich ähnlich wie du an der einfallslosen Geschichte und der oftmals monotonen Inszenierung fest. Da auch die Schauwerte gemessen am Serienstandard desöfteren ziemlich nüchtern ausfallen bleibt DAF für mich unterm Strich als Bondfilm unter „normalen“ Gesichtspunkten auch eher eine Enttäuschung. Dafür entschädigt der Film aber als durchgängig äusserst skurrile Zirkusrevue, bei denen vor allem die bereits erwähnten höchst launigen Dialoge (mMn in der Synchro – auch dank der kongenialen Bestzung – sogar noch mehr: I told u before
) und die herrlich überdreht gezeichneten und agierenden Figuren herausragen und dem Film eine Ausnahmestellung innerhalb der Serie garantieren. Es funktioniert vieles nicht oder nicht so richtig in DAF, aber das was funktioniert ist wie ich finde dafür allererste Sahne. Man muss zugegebenermaßen allerdings auch Spass an dieser Art von launig-grotesker Szenen-Revue haben.