Re: Zuletzt gesehener Film

7398
vodkamartini hat geschrieben:Puls

Zombiemania und kein Ende. Diesmal immerhin nach einer Stephen King-Vorlage. Leider selten ein gutes Zeichen.

http://www.ofdb.de/review/286424,711876,Puls
Das Buch selbst ist schon nicht so gut... Deswegen mache ich mir für den Film auch keine Hoffnungen.

Vorgestern habe ich mir American Psycho angesehen. Gegen Ende wars mir wirklich zu abgefahren, Bateman hat viel zu kranke Züge an den Tag gelegt. Gerade die Schießerei nachdem sein Massaker angeblich aufgeflogen ist war sehr absurd. Ansonsten top Leistung von Bale und auch sonst ist der Film sehr gut besetzt gewesen.
7/10
The name's Bond, James Bond.

Re: Zuletzt gesehener Film

7399
iHaveCNit: Resident Evil 6 The Final Chapter (2017)

15 Jahre und 6 Filme hat die Resident-Evil-Filmreihe überdauert. Aus der Schocker-Game-Reihe über eine Zombieapokalypse, lange bevor man über z.B. Serien wie „The Walking Dead“ oder auch Spiele „The Last Of Us“ nachgedacht hat, hat man ein klassisches, filmisches Zombiehorroractionvehikel geschaffen. Nun soll das letzte Kapitel erzählt werden. Und vorweg – Das letzte Kapitel empfand ich als bestes Kapitel der Reihe.

Eine gewisse Zeit nach den Ereignissen von „Retribution“ haben die Zombiehorden die Menschheit fast komplett ausgerottet. Alice erhält die Information, dass sie nur noch 48 Stunden Zeit hat, das Antivirus im Hive zu finden und anzuwenden – sonst wird die komplette Menschheit sterben.

Der Film ist definitiv etwas für die Liebhaber der Resident-Evil-Filmreihe. Die Bögen zu vorigen Teilen werden geschlossen, auch wenn man diese nicht unbedingt sehen muss, bereits wie in den vorigen Teilen wird zu Beginn durch eine Narration von Alice der komplette historische Verlauf der Filmreihe zum derzeitigen Status Quo aufgearbeitet. Da ich mir die vorigen Filme auch ganz aktuell angesehen habe, musste schon sagen, dass das geholfen hat und ich voll im Thema war, was die Reihe anbelangt. Querverweise auf vorige Teile, egal ob es Handlungsorte oder Charaktere sind, sind ein netter Fanservice, der dem Film in meinen Augen schon gut tut. Der Film ist vom Pacing her sehr schnell, weiß definitiv, wohin er will und bleibt bei dem finalen Charakter des Films sehr fokussiert und konsequent. Unabhängig davon, ob man einige Plotpunkte nun vorhersehbar fand oder nicht, fand ich die Plotentwicklung und wichtige Twists sehr passend – auch wenn es um das klassische Prinzip des Überlebens und Kämpfens von Punkt A nach Punkt B geht, der sich durch alle Teile zieht. Ich meine, man kann viel vom polarisierenden Faktor halten, dass Regisseur Paul W.S. Anderson und Hauptdarstellerin Milla Jovovich verheiratet sind – ich persönlich habe nichts gegen solche privaten Bündnisse, wenn es der Sache dienlich ist. Die Ukrainerin macht als Alice auch noch 15 Jahre später eine gute Figur. Iain Glen, der auch bereits in Tomb Raider als Gegenspieler toll platziert wurde, gibt hier einen sehr guten, intelligenten und zwielichtigen Gegenspieler ab, der sich ja quasi schon durch die komplette Reihe gezogen hat. Darüberhinaus fand ich es cool, Ali Larter wiederzusehen, die mir schon seit Final Destination im Kopf ist. Ein wenig blass bleibt Shawn Roberts Albert Wesker. Jeder Teil der Reihe hat seinen eigenen Look, der jedem Film dennoch eine gewisse optische Eigenständigkeit gibt. Der Look des Films ist sehr düster, was vor allem im Bereich der Spezialeffekte zugute kommt, da man die Zombies so nur schemenhaft wahrnehmen kann, ohne z.B. bei gegebener Helligkeit Schwächen aufzudecken. Die Action ist gut choreografiert, jedoch ein wenig zu hektisch inszeniert. Die Kamera wackelt oft, nahezu im Sekundentakt wird in Actionszenen geschnitten. Weniger ist mehr – mit einer gewissen Ruhe und Übersichtlichkeit in der Inszenierung der Action. Auch „Jump-Scares“ als Schockeffekte hatte der Film eigentlich nicht in der Masse notwendig gehabt. Der Film wird aber trotz einiger bewertungstechnischer negativen Stimmen für mich eine ähnliche Rolle einnehmen wie z.B. letztes Jahr „Gods of Egypt“, der mir trotz all seiner handwerklichen Schwächen durch Optik, Story usw. gefallen hat.

Unterhaltsam, actionreich und auch spannend. Das ist „The Final Chapter“ - Und da ich eingangs erwähnt habe, dass dies für mich das beste Kapitel der Reihe ist, werde ich mit einer Punktegleichheit zu „Extinction“ wie folgt werten.

„Resident Evil 6: The Final Chapter“ - My First Look – 7/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

7400
HCN007 hat geschrieben: Ich meine, man kann viel vom polarisierenden Faktor halten, dass Regisseur Paul W.S. Anderson und Hauptdarstellerin Milla Jovovich verheiratet sind – ich persönlich habe nichts gegen solche privaten Bündnisse, wenn es der Sache dienlich ist.
Was sollte daran auch stören? Eine Schauspielerin dar f heiraten wen sie will, ein Regisseur ebenso. Wenn die dann auch noch gemeinsam Filme machen ist das ihrer Ehe sicherlich dienlich, weil sie mehr Zeit miteinander verbringen und ich sehe nicht, weshalb das dem Film schaden sollte. Da sehe ich es schon kritischer wenn ein Regisseur eines Films gleichzeitig der Hauptdarsteller ist.
"You only need to hang mean bastards, but mean bastards you need to hang."

Unter Wasser hört dich niemand schreien...

7402
Seefeuer

Gemeinsam mit seinem Freund schneidet der 12-jährige Samuele Gesichter in Kakteen, zerstört diese mit ein paar China-Böllern und klebt sie anschließend wieder zusammen. Samuele ist ein kleiner Junge wie viele andere auch, der es liebt, mit seiner Schleuder Steinchen auf Bäume oder ins Gebüsch zu schießen. Doch in seiner Tat an den Kakteen spiegelt er beinahe metaphorisch seine Umwelt wieder: Samuele lebt auf der italienischen Mittelmeer-Insel Lampedusa, die unlängst eine tragende Protagonistenrolle im andauernden Flüchtlingskonflikt erhalten hat. In seiner Tat, den eben noch beschädigten Kakteen wieder zu helfen, liegt eine gewisse Selbstverständlichkeit und Samuele scheint hierin möglicherweise einfach nur seine Umwelt kindlich unschuldig zu reflektieren. Doch in welcher der beiden Taten liegt das höhere Identifikationspotential, worin der eigentliche Spaß in seinem Spiel? Bei der Gewalt und Zerstörung oder der später vielleicht einfach nur notwendigen Reperatur?

12 Monate lang hat der Regisseur Gianfranco Rosi für seinen eigenwilligen Dokumentarfilm "Seefeuer" auf Lampedusa verbracht und unter anderem das Leid dort ankommender Flüchtlinge festgehalten. Die eigentliche Sensation dieses bemerkenswerten Werkes ist jedoch, dass der Fokus nie auf dem tatsächlichen Drama liegt, sogar der Erwartung seiner Zuschauer entgegen läuft. Er widerspricht der längst im kollektiven Bewusstsein eingegangenen Konditionierung, die Lampedusa automatisch mit der Flüchtlingskrise verknüpft. Der Fokus von "Seefeuer" liegt bei dem kleinen Samuele und seinem traditionellen kindlichen Leben im Schoße seiner bescheidenen Familie. Samuele geht zur Schule, er spielt mit seinem Freund, er erkundet die Natur und hat ganz im Stil eines Dokudramas persönliche Probleme zu bewältigen, wie sein linkes träges Auge (eine mögliche symbolische Verarbeitung eines geteilten, blinden Europas?) oder seine Übelkeit auf hoher See. Diesem Handlungsstrang fehlt von Beginn an jeglicher Bezug zur Flüchtlingsthematik, bestenfalls Metaphern lassen erahnen, dass Rosi sein narratives Mittel der Selektion nicht gänzlich willkürlich gewählt hat. Für eine Dokumentation unüblich bleibt der hohe Detailgrad dieser Erzählung ohne klare Authentifizierung, um die Wirklichkeit der Bilder weiß hier nur noch die Regie. Man würde es sich zu einfach machen, davon auszugehen, dass das behütete Inselleben dem tragischen Schicksal der leidtragenden Flüchtling einfach nur kontrastierend entgegen laufen soll. Viel eher portraitiert Rosi einen Alltag, eine Realität. Es ist eine Momentaufnahme einer gespaltenen Situation.

Nur selten kommt es zum Aufeinandertreffen von Samueles Realität und der Flüchtlingsproblematik. In einem der herausragensten Momente der zweistündigen Situationsaufnahme immitieren er und sein Freund am Ufer (mit ihren Fingern als Platzhalter für Pistolen und Gewehre) vermutlich Helden, wie sie sie aus dem TV oder Kino kennen, und "schießen" in die Ferne. Als Rosi darauf kommentarlos auf ein italienisches Marineschiff überblendet, welches den notleidenden Flüchtlingen zur Hilfe eilt, ist dies einer der niederschmettersten Momente des Kinojahres 2016. Wir sehen Samueles Lebenswirklichkeit von Lampedusa, deren kindliche Unbekümmertheit durch ihn selbst evoziert wird. Doch wir sehen auch die andere Seite Lampedusas, die dort ankommenden Flüchtlinge. In beinahe schon unwirklich scheinender industriellen Routiniertheit folgt den Kameras gänzlich unvoyeuristisch jenen Überlebenden der Bürgerkriege, welche die Weiterreise erleben dürfen. Aber wir sehen auch leidende Flüchtlinge, sterbende Flüchtlinge, tote Flüchtlinge. Die Kamera hält wortlos, ohne jede dramatisierende Musik, auf verstorbene Körper oder zwingt den Zuschauer in gar reißerischer Schnelligkeit, auf einem Motorboot Teilnehmer einer Rettungsmission zu werden. Wir hören von einem Arzt, der sein Leben der Unterstützung der Flüchtenden gewidmet hat. Und wir sehen einen Taucher, wie er immer wieder freiwillig in jene Tiefen absteigt, die für viele Menschen längst zum Grab geworden sind. Was Rosis Film seine Brillanz verleiht, ist dafür das, was wir nicht sehen: den einzelnen Flüchtling als menschliches Individuum.

Diese Herangehensweise kann nur ohne jede Übertreibung als genial bezeichnet werden: Ein Mikrokosmos "Flüchtlingslager" wird gar nicht erst in Betracht gezogen. Anders als bei Samuele ist der filmische Antrieb bei der Erkundung des Flüchtlingsthemas ein gänzlich dokumentarischer und nüchtern-neutraler Blickpunkt. Einzelne Flüchtlinge treten nicht in Erscheinung, sie bleiben ein Kollektiv, eine undefiniert große Masse, die abgefertigt, verschickt und verarbeitet werden muss. Einmal singt ein Überlebender in einem Lager gemeinsam mit anderen eine fast schon Gospel-artige Hymne auf Europa und über den Schrecken, den er hinter sich hat, über Wüstendurchquerungen und den Islamischen Staat, doch trotz der Länge dieser Sequenz bleibt er ein Fremder auf einer Leinwand, mit dem eine Identifikation nur eingeschränkt möglich wird. In diesen langatmigen Bildern liegt das Anliegen Rosis verborgen, gleichzeitig aber auch eine tiefe Ehrlichkeit über die gegenwärtige Lage, deren humanistische Aufrichtigkeit die einzige subtile Positionierung des Dokumentarfilms offenlegt. Immer dann, wenn dem Zuschauer gerade die Möglichkeit gegeben wurde, in die erschreckenden Realaufnahmen einzutauchen, liegt der Fokus wieder bei Samuele und Rosi verweigert die eigentliche Realität. Das damit im Kinosaal provozierte Kopfschütteln ist gleichermaßen sein Triumph über den Zuschauer, wie seine wahre Motiviation, aufzurütteln und aufzuklären.

Fazit: "Seefeuer" ist ein Film, der ganz im Zeichen von Immanuel Kant's Vernunftbestreben steht: langfristig beobachtend, gänzlich unsentimental präsentiert der italienische Regisseur ein alltägliches Leben an einem nicht alltäglichen Ort, dass die einen besitzen und die anderen sich erträumen. Weit entfernt von journalistischer Aufbereitung ist "Seefeuer" in seinen mal wunderschönen, mal überlebensgroßen und dann doch wieder sehr intimen Aufnahmen ein für die große Leinwand inszenierter Appell an Menschlichkeit und den Kategorischen Imperativ. Man mag "Seefeuer" durchaus mit einem Denkmal vergleichen, frei von Erklärungsansätzen oder Lösungsvorschlägen, sondern einfach nur zum Nachdenken anregend unveränderlich, mit erstaunlichem Nachklang. Es bleibt eine Leere in der Magengegend und eine vorherrschende, undefinierte Traurigkeit, die nicht wirklich schön, dafür aber bitter nötig ist.

9/10
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.

Re: Zuletzt gesehener Film

7404
Nach Ewigkeiten - ist bestimmt gute 20 Jahre her - zum zweiten Mal:

Runaway Train

Hat bei der Erstsichtung bei mir einen stark deprimierenden Eindruck hinterlassen, hatte damals insgesamt etwas ganz anderes erwartet. Bei der Zweitsichtung gefiel mir der Streifen insgesamt richtig gut. Ich stehe auf Gefängnisszenarien, Alaska- oder wahlweise Sibirien-Atmosphäre, Züge, innovative Action (auch wenn ich den Film entgegen seiner Vermarktung kaum als Actionfilm wahrnehme), Survival- und Bestie-Mensch-Thematik, poetische Schlussszenen, Shakespeare-Zitate usw. Kleine Mängel hat der Film, aber insgesamt ist das olle Ding hochsolide.

8/10 Punkte
"Nelly, I'm about to get neck-ed back here. So: No peekin'! ... I said: No peekin'!"
(Joe Bang)

Any tips? - Don't die!

7405
Eddie The Eagle: Alles ist möglich!

Es ist vermutlich der dünne Grad zwischen Leidenschaft und Wahnsinn, wenn ein erwachsener Mann in hautengem Anzug auf Skiern eine 90 Meter hohe Skisprungschanze herunterspringt und in irrsinniger Geschwindigkeit gen Boden rast. Eddie Edwards hat beides: Begeisterung für den Sport und den unbedingten Willen, dafür sein Leben zu riskieren. Edwards ist jedoch anders als andere Wintersportler: sein sportlicher Erfolg bei den Olympischen Winterspielen 1988 ist in den Geschichtsbüchern nur mehr eine Randnotiz. Und dennoch ist seine Geschichte drei Jahrzehnte später immer noch so bemerkenswert, dass sie von Regisseur Dexter Fletcher 2016 für die große Leinwand adaptiert wurde. Denn Eddie The Eagle, wie er später genannt wurde, hält dem heutigen Leistungsdruck im kommerzialisierten Sportbusiness den Spiegel vor und ist damit unlängst - und ungewollt - zu einem Symbol für wahren Sportsgeist avanciert.

Eddie ist an sich kein talentierter Sportler und der Weg zum Olympionike damit umso beschwerlicher. "Eddie The Eagle" macht es sich allerdings nie so einfach, bloß eine komödiantische Nacherzählung der wahren Begebenheiten zu sein. Nach einem durchaus humorreichen und vortrefflich pointierten Intro kristallisiert sich heraus, dass Fletchers Film die Geschichte eines Traumes ist, den sein Film von Anfang bis Ende ernstnimmt: Eddie geht es nicht um Ruhm oder Medaillen, sondern nur um die Teilnahme an den Spielen selbst. "Dabei sein ist alles", ist das oberste Motto seiner Bestrebungen und obgleich die plakative Moral ("Du kannst alles erreichen, wenn du es nur willst") in unzähligen ähnlichen Sportfilmen bereits zum Antriebsmotor wurde, war sie selten so sympathisch und wohltuend umgesetzt wie in Fletchers Biopic. Der Spirit und die Energie des enthusiastischen Protagonisten werden mit einer entwaffnenden Ehrlichkeit so charmant aufbereitet, dass es gar ansteckend sein kann, dem Treiben auf der Leinwand zu folgen. Fletchers Inszenierung ist bewusst klassisch in den Parametern des Sportfilms angelegt und bedient sich bei zahlreichen Vorbildern und Stereotypen, nutzt den im Plot angelegten humorvollen Optimismus aber wunderbar aus.

Bis ins kleinste Detail arbeitet "Eddie The Eagle" daran, dass Feeling der späten 80er zu imitieren: trotz der vielen weißen Panoramaaufnahmen von Skibahnen ist der Film äußerst opulent farbenfroh und bunt gestaltet, die Kameraaufnahmen von George Richmond drücken in seltenen Momenten regelrecht die träumerische Sehnsucht des fliegenden Eddies aus. Großes Kino für die Ohren bietet zudem Komponist Matthew Margeson, der mit Synthesizer und E-Piano einen Soundtrack voller Hymnen erschafft; ebenso gelungen der Einsatz von 80er Hits wie "Two Tribes" von Frankie Goes To Hollywood oder "Jump" von Van Halen. Besonders geglückt ist außerdem die wunderbare Besetzung: Taron Egerton ist für Zeitzeugen der 88er Winterspiele ein Hauptgewinn. Er sieht aus wie Eddie, er spricht wie Eddie und er nuschelt und murmelt genau wie sein historisches Vorbild. Die Entwicklungsstufen des nach Selbstverwirklichung strebenden Edwards' bringt er so gekonnt wie selbstverständlich rüber, dass es eine Freude ist. Gleichzeitig trumpft neben ihm "X-Men"-Star Hugh Jackman in einer Rolle ganz groß auf, die den Köpfen der Autoren entsprungen ist, doch so oder so ist der von ihm dargestellte Trainer und Ex-Sportler Bronson Peary eine wahnsinnig sympathische zweite Bezugsperson, die in der für Jackman üblichen lakonischen Art gleichermaßen den jeweils humoristischen wie empathischen Höhepunktmoment des Films heraufbeschwört. Jackman scheint mehrmals gar zum eigentlichen Star des Films anzukämpfen und sprüht geradezu vor Spielfreude und Energie. In weiteren Nebenrollen wissen besonders Iris Berben und der immer gern gesehene Christopher Walken als ehemaliger Coach von Peary zu gefallen.

Was "Eddie The Eagle" nicht zeigt, ist der Verlauf der Geschichte nach 1988. Das Internationale Olympische Komitee verschärfte in Folge von Edwards Olympia-Teilnahme die Anforderungen so, dass Underdogs fortan umso weniger Chancen hatten, den Olympischen Traum zu leben, den Fletchers Film über alle Maßen glorifiziert. "Eddie The Eagle" endet auf einer positiven Note; mit einem Zitat von Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Fletcher will seinen Film damit, ohne moralisierend den Zeigefinger in Form offensichtlicher Kritik zu heben, als Gegenpol zur Kommerzialisierung und Manipulierung großer Sportereignisse verstanden wissen. Von durch Erfolgsbesessenheit eingesetztem Doping, bezahlten Schiedsrichtern oder manipulierten Wettkampfgeräten will Fletcher nichts wissen. Wer beim Skispringen 1988 tatsächlich Gold, Silber oder Bronze gewann, erfährt man im Film nicht, es zählt nur der persönliche Triumph Edwards', nicht der vermeintlich wichtigere Medaillenspiegel. "Eddie The Eagle" könnte daher den Eindruck erwecken, zu oberflächlich oder kitschig mit der Thematik umzugehen, setzt aber gerade durch seinen bewussten Verzicht auf Anprangerungen und seine Reduzierung auf 104-minütiges "Feel-Good"-Unterhaltungskino über einen selbstbewussten Underdog ein wichtiges Zeichen und gibt damit dem Sport und seinen Helden den Geist und Spektakelwert zurück, der heute mitunter oft verloren geht: Eddie The Eagle hat sich somit 2016 und somit achtundzwanzig Jahre nach seinem großen Sprung noch einmal zum wahren Publikumsliebling mausern können.

Fazit: 1988 war für Olympioniken ein verrücktes Jahr: Jamaika hatte plötzlich Bobfahrer und England einen Skispringer. Kurz vor Ende des Films zeigt die Regie die echten Aufnahmen der Abschlussfeier von 1988, bei der der Chef des Organisationskomitees Frank King den Athleten mit den Worten dankte: "You have captured our hearts and filled our memories. You have broken world records and you have established personal bests. Some of you have even soared like an eagle." Dieser Moment, den der echte Eddie Edwards als den größten Moment seiner Karriere bezeichnete, lässt einen nach dem gemeinsam durchlebten mit dem filmischen Eddie befriedigt und glücklich aus dem Kinosaal tänzeln. "Eddie The Eagle" ist bestes Unterhaltungskino mit wichtiger Botschaft, die besonders jungen sportbegeisterten Menschen eine wichtige Inspiration liefern kann. Unterstützt durch eine stimmige filmische Reanimation der 80er Jahre und einen tollen, hochgradig sympathischen Cast, haftet dem inszenatorischen Denkmal an den Olympia-Underdog dabei ein zeitloser Touch an.

8/10
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.

Re: Any tips? - Don't die!

7406
Casino Hille hat geschrieben:Eddie The Eagle: Alles ist möglich!

8/10
Hast du den nicht schon im Kino gesehen?

Ich mochte den Film. Klar, das ist eine klassische Underdog-Sportgeschichte mit viel Kitsch und Pathos, aber es ist wie du richtig anmerkst ehrlicher, charmanter und schön gemachter Kitsch, der einen für zwei Stunden in diese Welt reinholt und mit dem Underdog Eddie mitfiebern lässt. Ebenso unterstreichen möchte ich dein Lob der beiden Hauptdarsteller, wie die sich gegen jeden Widerstand nach kleineren und grösseren Schwierigkeiten mehr und mehr zusammenraufen ist schön erzählt und wunderbar charmant gespielt, die Besetzung von Egerton ist absolut treffend und beweist nach Kingsman seine Vielseitigkeit, während Jackman den Logan nicht ganz los wird, sein "harte Schale, weicher Kern"-Typ hier aber erstens sehr gut reinpasst und zweitens etwas ist, das Jackman sowieso kann. Auch von mir 8 Punkte.
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Any tips? - Don't die!

7407
GoldenProjectile hat geschrieben:wie die sich gegen jeden Widerstand nach kleineren und grösseren Schwierigkeiten mehr und mehr zusammenraufen ist schön erzählt
Spoiler
Definitiv. Für mich einer der schönsten Momente daher gegen Ende, als Eddie seinen 90 Meter Sprung absolviert hat und Jackman auf ihn mit Adlerschwingen zugelaufen kommt. Klar ist das irgendwie ein Klischee, aber da geht einem wirklich das Herz auf, die beiden hätte man wirklich nicht besser besetzen können - und wen interessiert es, dass Jackman eigentlich nur seinen Wolverine neu auflegt, wenn es so sympathisch und spaßig beim Zuschauer aufkommt? Zumal der junge Clint Eastwood-Zwilling dann ja in seinem finalen Aufeinandertreffen mit Christopher Walken und der späten Versöhnung doch einen Moment hat, in dem man sein schauspielerisches Können benötigt und da spielt er genauso, wie ich es mag: sehr emotional, sehr bewegt, aber nuanciert, in kleinen Gesten, langen Blicken und so weiter. Fandest du den Soundtrack auch so herrlich amüsant wie ich? Diese bewussten 80er-Tracks gemixt mit einigen Evergreens aus der Zeit haben mich als jemand, der 1988 bei den Olympischen Winterspielen als Zuschauer in Kanada anwesend war, gleich in diese Zeit versetzt. Zusammen mit The Nice Guys von Black war Eddie The Eagle für mich die schönste Zeitreise des Kinojahres 2016.
GoldenProjectile hat geschrieben:Hast du den nicht schon im Kino gesehen?
Jap, gestern dann die Zweitsichtung im Heimkino. Normalerweise schaue ich Filme ungerne so früh ein zweites Mal, aber gestern hat die Stimmung gepasst und daher hab ich ihn dann einfach reingelegt - und siehe da, er hat mir sogar noch etwas besser als im Lichtspielhaus gefallen. :)
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.

Re: Zuletzt gesehener Film

7408
iHaveCNit: Captain Fantastic (2016)

Wir haben im Moment immer noch die Awardsaison und bei den Oscarnominierungen für den „Besten Hauptdarsteller“ hatte ich jemanden absolut nicht auf dem Schirm – Viggo Mortensen. Überrascht von der Nominierung habe ich mich spontan noch vor der Verleihung dazu entschieden, den Indie-Film von Matt Ross anzusehen, damit ich sehen und mich selbst davon überzeugen kann, wofür Viggo nominiert wurde. „Captain Fantastic“ - der Name löst für jeden eigentlich im ersten Gedankenzug die Assoziation mit einem Superheldenfilm aus, doch der Film ist meilenweit davon entfernt, uns eine Superheldengeschichte zu erzählen.

Erzählt wird uns die Geschichte des hochgebildeten Ben, der sich zusammen mit seiner Frau den Traum eines autarken Refugiums in den amerikanischen Wäldern erfüllt, in dem er seine mittlerweile 6 Kinder großzieht, das Überleben beibringt und privat unterrichtet. In einer Phase, in der die Mutter der Kinder aus psychischen Gründen die Familie verlassen hat, erreicht Ben der Anruf, dass seine Frau verstorben ist und er und die Kinder bei der Bestattung nicht erwünscht sind. Er sieht das jedoch nicht ein und macht sich in einem zu Wohn- und Fahrzwecken umgebauten Schulbus auf den Weg zur Bestattung um seiner Frau den letzten Wunsch zu erfüllen. Für die Kinder ist es teilweise der erste Ausflug in die Zivilisation.

„Captain Fantastic“ ist Roadmovie, Aussteiger- und Familiendrama sowie eine gesellschaftskritische Komödie – aber vor allem „Fantastic“ - so dass der Name des Films Programm ist. Wir kriegen zu Beginn einen wunderschönen Einblick in die tägliche Routine von Ben und seinen 6 Kindern, die Jagd von Tieren, Sport und gelegentliche Klettereinheiten bis hin zu Privatunterricht am Lagerfeuer mit einer gewissen politischen und gesellschaftlichen Einstellung, das seinen Zweck definitiv im Laufe des Films zu sehr interessanten und skurrillen Momenten erfüllt. Aber dies führt im Laufe des Films auch zu seinen entsprechenden Konflikten. Der Film ist gekonnt inkonsequent in seinem Ton – Er wechselt von richtig lustigen Momenten, in denen man lachen kann zu sehr nachdenklichen, traurigen Momenten, die einem auch mal die Tränen in die Augen treiben. Diese gekonnte Inkonsequenz ist nie fehl am Platz und funktioniert prima. Was jedoch vollkommene Geschmackssache ist, ist die Tatsache, dass hier in der „eigenen Welt“ von Ben und seinen Kindern eine vollkommene alternative Weltanschauung allein durch die Sympathie, die man für die Charaktere entwickelt, genau diese Alternative extrem naiv und aufdringlich dem Zuschauer aufgezwungen wird und kaum Raum zur eigenen Meinungsbildung gegeben wird. So bleibt dies etwas unambivalent. Jedoch muss ich sagen, dass die Kinderdarsteller in diesem Film nicht zu typischen Nervensägen verkommen, sondern jeder für sich super funktioniert und den Film gut unterstützt. Der große „Star“ des Films ist jedoch Viggo Mortensen, der seine Rolle wirklich gut gespielt hat und den Konflikt mit seinen Schwiegereltern, das Verarbeiten der eigenen Trauer, das Reflektieren des einstigen Lebenstraums sowie das Zusammenhalten der eigenen Familie zu einem sehr komplexen Bild glaubwürdig zusammenfügt.

Matt Ross´ Film hat mich in den richtigen Momenten berührt, mich in den richtigen Momenten zum Lachen gebracht und einen unterhaltsamen Gesamteindruck hinterlassen.

„Captain Fantastic“ – My First Look – 8/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

7410
Maibaum hat geschrieben:Vorgestern Nacht ein halbe Stunde von Der Pate 2 auf Arte geschaut (die Havanna Episode). Coppolas Inszenierung (anders ausgedrückt: der ganze Film) ist von einer unglaublichen kontrollierten Schönheit. Der Wahnsinn ...
Ja, ein ästhetisches, erzählerisches, darstellerisches und musikalisches Meisterwerk. Da kriege ich auch gleich Lust, ihn mal wieder zu sehen, bzw. alle Teile. Vor allem da ich gerade einen richtigen Schrott-Coppola (mehr dazu morgen) gesehen habe.
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.