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von 00T
Agent
Guardians of the Galaxy(2014)
Man sollte meinen, dass Marvel doch schon allerhand gewagt hatte. Wer schafft es schon, erfolgreich Helden aus vielen Einzelfilmen zu einem Crossover zusammenzubringen, vor allem, wenn es sich dabei um einen Mann in einer Rüstung, ein grünes Wutmonster, einen nordischen Gott und einen Supersoldaten handelt? Da sollte einen Marvels Vorhaben, ein weiteres Team von Nicht-ganz-so-Helden vorzustellen, das innerhalb des Weltraums agiert, nicht mehr überraschen. Und doch klang das Ganze wohl noch waghalsiger als das Vorhaben mit den Avengers. Ein Team bestehend aus fünf Mitgliedern, von denen zwei einen sprechender Waschbär und einen menschlichen Baum darstellen? Wie gut, dass gerade Marvel ein Händchen dafür hat, aus waghalsigen Vorhaben doch etwas zu machen.
Das Sci-Fi-Abenteuer beschränkt sich nicht auf eine Welt, sondern wechselt zwischen vielen Schauplätzen und damit auch zwischen verschiedenen Arten von Personen, die in dieser Welt wohnen. So kann man viele verschiedene Sets bestaunen, die optisch ganz schön etwas hermachen, egal ob Raumschiff oder Anderweltsstadt. Dazu bestechen die tollen Kostüme der sehr verschiedenen Charaktere und auch was computergeneriert dargestellt ist, sieht sehr gut aus und verleiht dem Film schon so seinen ganz eigenen Charme.
Das tun allerdings erst recht die vielen Anspielungen auf die Zeit der 70er und 80er-Jahre, die sich ganz besonders in der Musik bemerkbar machen, da gerade der Protagonist Peter Quill ständig Lieder wie „Come and get your love“ von Redbone mithilfe seines Walkmans hört. Auch das gibt dem Film seinen eigenen Stil, durch den er sich jetzt schon von anderen Marvelfilmen abhebt.
Auch die Action ist nett anzusehen und von Regisseur James Gunn überzeugend und ordentlich inszeniert. Zwar vermag die Action einen nicht immer mitzureißen wie beim Vorgänger „Captain America 2“, aber unterhalten kann sie dennoch. Die größte Stärke der Galaxiswächter ist aber auch gar nicht die Action, es ist der Humor. Und davon gibt es reichlich.
Der Humor zeigt sich bereits in den fünf Team-Mitgliedern. Chris Pratt gibt den Söldner Peter Quill, der sich selbst Star-Lord nennt, betont lässig und bekommt schnell die Sympathien des Publikums zugespielt. Zoe Saldana als der weibliche Teil des Teams spielt ebenfalls überzeugend und bringt den nötigen Sexappeal in das Geschehen. Wirklich witzig sind die anderen drei Mitglieder des Teams: Dave Bautista verkörpert Drax, den Zerstörer, sicher und überzeugend und schafft es mit Bravour, sowohl die tragische Figur, die ihre Familie verloren hat, als auch die lustige, die keine Metaphern versteht, zu sein. Die letzten, bereits erwähnten Figuren, hängen dann nicht von darstellerischer Leistung ab, da sie komplett computergeneriert sind, das jedoch auch sehr überzeugend. So hat man einerseits den Waschbären Rocket, der einen Waffentick hat und nicht einmal weiß, dass er ein Waschbär ist, wird von Bradley Cooper grandios spöttisch, eigentlich schon zynisch, gesprochen. Andererseits ist dann noch sein Begleiter da, ein humanoider Baum namens Groot, dem Vin Diesel seine Stimme leiht, allerdings für insgesamt nur für fünf Worte, die er im Verlauf des Filmes sagt. Jedoch gerade seine Präsenz macht seinen großen Reiz aus, da er mit so viel Liebe zum Detail entwickelt wurde, dass es einfach schon Spaß macht, ihn anzuschauen. So wird dieses ungleiche Gespann schon nach wenigen Minuten zum Publikumsliebling.
Mit diesen Charakteren hatte Gunn die perfekten Voraussetzungen für seine humoristischen Momente, die eigentlich den ganzen Film durchziehen. So wird der eigentlich simplen Geschichte durch den Humor sehr viel mehr Pep verliehen, weil Gunn diese Komik in den Vordergrund stellt. Durch die Eigenartigkeiten jedes der Charaktere und die daraus resultierenden oftmals bissigen Kommentare bringen den Zuschauer auf seine Kosten, wenn man dazu mehr als einmal selbstironisch den eigenen pathetisch angelegten Szenen durch ein, zwei Kommentare augenzwinkernd jeglichen Pathos nimmt.
Leider hat der Film ein Problem, das mittlerweile beinahe gängig bei Marvel scheint: Hatte der Vorgänger mit einer tollen Schurkenkostellation überrascht, hat auch „Guardians of the Galaxy“ wieder das Problem, dass man keinen ernsthaften Schurken hat. Lee Pace kann als böser Ronan unter seiner Maske kaum überzeugen, wobei es einige Szenen gibt, die das Potenzial zeigen, jedoch nicht nutzen, was wohl auch an der eindimensionalen Rolle liegt. Da hilft auch nicht der Cameo-Auftritt des Thanos, der in den kommenden Avengers-Filmen richtig auftreten soll.
Obwohl die Story eigentlich nur auf einer MacGuffin-Jagd basiert, reicht sie aus, um die eigentlich wichtigen Elemente des Filmes hineinzubringen, die für die Unterhaltung sorgen.
So baut Gunn seinen Film dem Avengers-Crossover ähnlich auf:
Das erste Drittel dient dazu, jeden Charakter, im besonderen Star-Lord, einzuführen und den anderen vorzustellen, wobei man sich beim Kennenlernen auch erst einmal prügelt, bis man schließlich bei einem gemeinsamen Gefängnisausbruch gegenseitig helfen muss.
Das zweite Drittel lässt die fünf Team-Mitglieder, die durch den sogenannten Orb notgedrungen zusammenarbeiten, sich einander annähern, was natürlich nicht ohne Turbulenzen abläuft. Egal ob man gerade noch einer vernichtenden Explosion in der Sammlung des Collector, mysteriös von Benicio del Torro gespielt, entkommt oder ob ein Teammitglied mehr oder weniger absichtlich den Bösewicht kontaktiert, sowohl humoristisch als auch actionmäßig kommt man hier auf seine Kosten.
Im letzten Drittel arbeiten sie dann endlich ganz und gar zusammen und im großen Showdown, der zwar etwas langgezogen ist, aber unterhält, gibt es neben dem tollen Humor auch einige sehr persönliche Momente, die einem teilweise selbst die Tränen in die Augen treiben.
Ein lässiger Söldner, eine knallharte Meuchelmörderin, ein alles wörtlich nehmender Schläger, ein zynischer Waschbär und ein menschliches Baumwesen: was braucht man mehr, um einen unterhaltsamen Film zu produzieren? Die „Space-Avengers“ bestechen durch tolle Sets, die Musik, die solide Action und im besonderen durch den Humor. Da ist es schon fast nicht mehr störend, dass die Charaktere sich gegen einen relativ farblosen Gegner durchsetzen müssen. Und auch wenn man sich dadurch stören lässt, kann man doch nicht verhehlen, dass der mittlerweile zehnte Marvel-Ableger vor allem eines tut: Er macht einfach Spaß.
Punkte: (8/10)
"East, West, just points of the compass, each as stupid as the other."
(Joseph Wiseman in Dr. No)