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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Könige der Wellen
"Könige der Wellen" schaut großartig aus! Was sich anfangs noch in den Kinderstuben befand, ist mindestens nach der Jahrtausendwende zur wirklich ausgereiften Technik mutiert. Und bei derartig großen Budgets, wie die Filmstudios sie heute für ihre CGI-Animations-Kinderfilm-Abenteuer verschleudern, ist es wohl kaum verwunderlich, dass diese sich laufend an Optik und Detailreichtum übertreffen. So eben auch "Könige der Wellen" der Regisseure Ash Brannon und Chris Buck von 2007, welcher eine Geschichte über surfende Pinguine auf Pin Gu Island erzählt. Ohne Frage: Die Bewegungsanimationen sind auf der Höhe des technisch Machbarem, die Karibik und Antarktis als Locations sehen authentisch und nicht zu geleckt aus und bessere Wasser- und Sandeffekte konnte man nur selten bestaunen. Dazu kommt, dass Buck und Brannon sich für eine ungewöhnliche Erzählweise entschieden haben, die anfangs viel Spaß macht, mit der sehr flachen Geschichte jedoch zusehends in Konflikt gerät.
Da visuelle Perfektion längst zum Standard geworden ist, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch im Animationsfilmbereich erste größere Experimente gewagt werden würden. Brannon & Buck verkaufen ihren Kinderspaß daher als Mockumentary, sprich: die gesamte Erzählung nimmt die Gestalt einer (offensichtlich gefaketen) Dokumentation an. Der anfangs verwunderte Stil bietet die günstige Gelegenheit, inszenatorisch eigene Wege zu beschreiten und sich vor allem von der enormen Konkurrenz abzuheben. Und das ist durchaus überzeugend umgesetzt. Hier schauen die Charaktere (zumeist Pinguine, aber auch wenige andere tierische Mitbewohner) plötzlich einmal direkt in die Kamera, kommentieren die vorherigen Szenen auf amüsante Art und Weise oder geben dem Regieteam (von Buck und Brannon selbst synchronisiert) Interviews zu den kleinen Fragen, die das Leben so aufwirft. Hinzu kommt der gelungene "Handkamera-Einsatz", der tatsächlich den klassischen Doku-Stil einfangen kann und immer mal wieder pointiert auf die Spitze getrieben wird: Meist in den obligatorischen kleinen Actionhighlights, in denen "Kameramänner" und "Tonarbeiter" nicht selten ein wenig zu Schaden kommen. Auch kleine passende Gimmicks wie offensichtliche "Wassertropfen" auf der Linse machen Spaß und ergänzen das sorgfältig ausgearbeitete Konzept. Dazu kommt ein Score von Mychael Danna, der sich gerne auch mal zurückhält und auf Grunge- oder Rock-Musik zurückgreift: Green Day, Incubus, Pearl Jam und während des Abspanns sogar Nirvana Titel passen zur Surfer-Stimmung und unaufgeregten Erzählweise.
Geschickt nutzt das von insgesamt vier Autoren geschriebene Drehbuch die Möglichkeit, den Doku-Anstrich als Weg hin zu selbstreferenziellen Anspielungen zu verwenden. Anspielungen auf andere Animationsfilme gehören ja längst zum Inventar, doch Dokumentationen und ganz besonders Surfer-Geschichten werden hier mitunter relativ stimmig parodiert, da fügt sich dann auch der ein oder andere Klischeemoment als eigen-reflektierte Pflichterfüllung ein. Dies ist auch bitter nötig, da der übliche Slapstick-Humor, wie er bei solchen Filmen nun einmal dazu gehört, hier viel zu flach ist, um der Zielgruppe über maximal 10 Jahren etwaige Lacher bescheren zu können. Oft läuft es auf kleinere, hin und wieder halbwegs süffisante Momente hinaus, die man zwar mal mit einem Schmunzeln hinnimmt, sich aber wohl kaum an einen davon nach der Sichtung erinnern wird. Ganz anders verläuft es da mit einem kleinen beigemengtem Subplot über den als Kifferparodie gedachten und von John Heder gesprochenem Gockel Chicken Joe, der sich auf die Suche nach Hauptfigur Cody durch manch verzwickte Situation kämpfen muss und trotz wenig Screentime schnell zum Helden für Jung und Alt im Kinosaal werden wird. Davon ab ist der Humor von den netten Anspielungen abgesehen durchschnittlich und funktioniert am besten im direkten Zusammenhang mit dem Mockumentary-Konzept.
Leider kann dieses aber nicht die kurzen 86 Minuten durchgehalten werden. Mit zunehmender Laufzeit will eben auch die Geschichte von Cody und seinem Surfer-Mentor Geek erzählt werden - und diese bleibt flach, uninteressant und wenig packend, trotz prominenter Sprechbesetzung durch Shia LaBeouf und Jeff Bridges. Problematisch erscheint hierbei vor allem, dass sich das kleine Sportler-Drama zu sehr an Genrerichtlinien orientiert - also eben denen, welche man vorher noch zu verulken versuchte. So hat man wieder einmal den Zuhause verschmähten Rebellen, die süße (Pinguin-)Dame von nebenan, den fiesen Raufbold mit Gott-Komplex, den pressesüchtigen Coach und den weisen Lehrmeister mit mysteriöser Vergangenheit. Das alles ist auf Dauer dann doch zu trocken und insgesamt zu altbekannt, als das es einen wirklich mitnehmen könnte. Ebenfalls unglücklich kommt erschwerend hinzu, dass eine emotionale Basis zu den Figuren weitestgehend verwehrt bleibt, sodass man an den Konflikten untereinander nie teilnehmen darf. Auch hier ist die Schuld beim Humor zu suchen: Zu oft wird über die Charaktere, statt mit ihnen gelacht. Sie bleiben einem, wohl auch der Doku-Inszenierung wegen fremd. Ein Umstand, den der Film zunächst freiwillig in Kauf nahm, sich dann aber bei der Hingabe zur "normalen" Dramaturgie darin verzettelt. Der klassische Fall des Eigentors wird hier zelebriert, weshalb die opulente Effektschau im großen Finale vermutlich selbst für kleinste Zuschauer merkwürdig steril bleibt.
Fazit: Man wäre gewillt, "Könige der Wellen" besonders für seine innovative Herangehensweise an animierte Kinderunterhaltung in der ersten Hälfte zu loben und diesen Mut auch angemessen zu honorieren - doch irgendwann werden die Längen bei einem so kurzen Film dann eben zu groß für eine höhere Gunst. Was positiv in Erinnerung bleibt sind technisch perfekte Animationen auf allerhöchstem Niveau und ein bemerkenswerter erzählerischer Kniff, aus dem aber dann leider jegliche Kraft des Streifens alleine zu resultieren scheint. Dass dieser durch die angepeilte Zielgruppe, welche von der ganzen Mockumentary-Geschichte ohnehin schon einigermaßen irritiert sein wird, nicht durchgängig aufrecht erhalten werden kann, ist folgerichtig, problematisch aber deshalb, weil Brannon und Buck zu den tausendfach gesehenen Coming-of-age-Themen nichts wirklich neues zu sagen haben. Für eine abendliche Couch-Sitzung ist das neue Animationsabenteuer von Sony Pictures Animation also schon noch einen Blick wert, würde einen zweiten aber schon weit weniger vertragen.
5/10
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Let the sheep out, kid.