1875
von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Star Wars: Episode I - Die dunkle Bedrohung
Es sollte ganze 16 Jahre dauern, bis Fans der einflussreichsten Filmtrilogie aller Zeiten wieder auf ihre Kosten kommen sollten: 1999 erschien mit "Star Wars: Episode I - Die dunkle Bedrohung" ein Film, auf den unzählige Menschen weltweit gewartet hatten, bei dem sogar George Lucas (der Erfinder der Saga höchstpersönlich) wieder Regie führen sollte. Doch kurz nach der Veröffentlichung des Sci-Fi-Abenteuers waren die meisten Reaktionen erschreckend negativ. Viele warfen Lucas, welcher mit "Episode I" den Auftakt einer neuen Star Wars Trilogie gestalten wollte, vor, er hätte aus seinem faszinierenden Sternenepos einen albern-geratenen Kinderfilm gemacht. Waren die Erwartungen im Vorfeld vielleicht zu hoch? Sicherlich. Dennoch sind viele der Vorwürfe an Lucas leider mehr als berechtigt. "Die dunkle Bedrohung", welche inhaltlich 30 Jahre vor den Vorgängern angesiedelt ist, ist ärgerlicherweise das Paradebeispiel dafür, wie man eine Vorgeschichte nicht aufziehen sollte.
Schon der Klappentext, der in der Original-Trilogie noch auf das kommende Abenteuer einstimmen sollte, zeigt bei Lucas neuem Film an, wohin die Reise geht. Wenn von Handelsförderationen, intergalaktischen Verschwörungen und Debatten des Senats die Rede ist, hat dies nur noch entfernt etwas mit jenem märchenhaften Charakter zu tun, den die alten Filme innehatten. Tatsächlich fühlen sich die ersten zwanzig Minuten mehr als fremd an, scheinen gar einer anderen Filmreihe anzugehören. Merkwürdige Slapstick-Roboter, französisch-sprechende Froschwesen, ein völlig unnatürlich steril aussehendes nerviges CGI-Wesen mit Ähnlichkeiten zu Walt Disneys Goofy-Figur und mittendrin zwei sich unnatürlich schnell bewegende Jedi-Ritter, von denen der vorlaute Ewan McGregor jener Obi-Wan Kenobi sein soll, der einem noch als alter weiser Lehrmeister im Gedächtnis ist? Später bekommt man durch Auftritte von bekannten Figuren wie R2-D2, C-3PO oder Yoda zwar ein paar mehr Fixpunkte und fühlt sich etwas aufgehobener, doch bleibt der Grundtenor die gesamten 136 Minuten bestehen. Lucas schafft es zu keinem Zeitpunkt, Interesse für das Geschehen auf der Leinwand zu wecken. Die Handlung ist zwar typisch für Star Wars sehr simpel und in einen Dreisatz unterteilt, doch die merkwürdige, absurde Mischung aus einer politischen Geschichte im Sci-Fi-Gewand, einer Etablierung der Star Wars Mythen und einem bunten und familienfreundlichen Kinderspaß geht nur selten auf, nicht zuletzt, weil die für den politischen Teil der Geschichte benötigte Ernsthaftigkeit durch das Comedy-Geblödel vieler Figuren bereits im Keim erstickt wird.
Schlimmer als diese Mixtur ist nur, dass Lucas sich überhaupt nicht für das Treiben auf der Leinwand selbst zu interessieren scheint. Viele Szenen wirken so, als sei "Episode I" nicht mehr und nicht weniger als eine Endlos-Werbesendung für Actionfiguren und Klebesticker. Praktisch alle Szenen werden mit Kreaturen, neuen Designs und sonstigem optischen Schnickschnack gerade zu vollgekleistert, ohne das diese von irgendeiner Relevanz wären. Eigentlich ist es sogar viel gravierender: Durch den übermäßigen Gebrauch von CGI-Effekten wirkt Lucas gesamter Film mehr wie ein Computerspiel denn wie ein ernstzunehmendes Kinoabenteuer. Unterwasser-Welten, die eingangs erwähnten Kampfroboter, chrom-metallig glitzernde Raumschiffe, der überflüssige Jar Jar Binks (Goofy) Charakter, fliegende Straßenhändler, große runde Ball-Bomben etc., nichts davon kann auch nur zu einer Sekunde den Eindruck von Realität erwecken, man sieht regelrecht den Unterschied zwischen Greenscreen-Aufnahmen und On-Location-Shoots. Während Lucas auf der einen Seite also audiovisuell kläglich scheitert, sieht es charakterlich ebenfalls zappenduster aus. Einen wirklichen Antagonisten deutet "Episode I" nur an, verheizt dafür den cool ausschauenden Ray Park als Sith Darth Maul in weniger als 10 Minuten Screentime. Obi-Wan Kenobi rückt in den Hintergrund und hat gerade mal eine Handvoll Sätze, im Mittelpunkt steht dafür Jedi-Meister Qui-Gon Jinn, den Liam Neeson zwar mit viel Spielfreude und natürlichem Charisma verkörpert, der aber (nicht zuletzt) durch einen finalen Twist eigentlich eine verschenkte Figur ist. Da er auch lange Zeit der einzige Sympathieträger ist, fragt sich der Zuschauer zurecht, was dessen Abenteuer eigentlich als Vorgeschichte für die Star Wars Saga taugen. Einer Erklärung dafür bleibt Lucas aber leider weitesgehend schuldig.
So ist der interessanteste Abschnitt des Filmes ein Ausflug auf den nicht ganz so unbekannten Wüstenplaneten Tattooine, bei dem die Helden auf den 10-jährigen Sklavenjungen Anakin treffen, der ihnen auf ihrer Reise weiterhelfen kann und zufälligerweise einen ebenfalls nicht unbekannten Nachnamen sein Eigen nennt: Skywalker. Jake Lloyd beeindruckt für sein junges Alter mit einer verschmitzten und frech gegen die Erwartungen seiner Rolle gebrüsteten Darstellung, die für junge Zuschauer sicher ein großer Spaß ist. Leider wird auch seine Figur zu weit ausgereizt und besonders im (für den Beginn einer Trilogie viel zu episch gestalteten) Showdown wirkt sein Handeln viel zu arg deplatziert. Dennoch soll nicht unerwähnt bleiben, dass "Die dunke Bedrohung" auch ein paar wenige Stärken zu verbuchen hat. John Williams Score ist die genau richtige Mischung aus traditionellen Andeutungen an die berühmten Leitthemen und schmissigen neuen Melodien und immerhin in den großen Actionmomenten zeigt Lucas - ansonsten wie schon beim Erstling der Reihe "Krieg der Sterne" stark sperrige - Regie ihre Vorzüge. Ein sehr langes Podrennen (Formel 1 im Star Wars Stil) trifft genau den richtigen Ton aus Spannung und Witz und ist zudem effekttechnisch der beste Moment des Filmes und die schlussendliche Konfrontation der beiden Jedi mit Darth Maul darf zu den besten (Licht-)Schwertkämpfen ihrer Art gezählt werden. Doch solche Momente hat "Episode I" leider zu wenig, um durchgehend zu überzeugen, hinter dem vielem Eyecandy-Material verbirgt sich oft nur ein müdes Achselzucken und beim Einsetzen des Abspanns stellt sich umgehend die Frage, ob das wirklich schon alles gewesen sein soll.
Fazit: Zu viel nervender Kinder-Humor, alberne CGI-Tricks, eine schlecht ausbalancierte und teilweise schwer verständliche Geschichte und das merkwürdige Fremd-Gefühl, welches auch die auf Nostalgie-Gefühlen aufbauenden Szenen nicht beseitigen können, entlarven "Star Wars: Episode I" schnell als jene dunkle Bedrohung für die Sternensaga, die Fans von Anfang an in ihm gesehen haben. Nur Hardcore-Fans und Kinder werden hier vergnügt den Kinosaal verlassen, der Rest wähnt sich enttäuscht im falschen Film.
4/10
https://filmduelle.de/
https://letterboxd.com/casinohille/
Let the sheep out, kid.