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von Dr. moVe
Agent
Mir liegen eigentlich alle James Bond-Kinofilme am Herzen, und so tut es stets ein bißchen weh' gewisse Streifen auf den hinteren Plätzen positionieren zu müssen.
Dennoch macht es immer wieder Spaß mit dem persönlichen Ranking der einzelnen Jahrgänge zu jonglieren, zumal ich nach all den Jahren des 'Bestenlistentums' zu der Überzeugung gelangt bin, das es niemals eine definitive Liste meinerseits geben wird.
Ich verfolge alle User-Rankings hier und auch im anderen Forum stets recht aufmerksam, und finde es grundsätzlich immer angenehm, wenn sogenannte 'Underdog'-Kanditaten weit oben gelistet werden. Jeder hat natürlich seine eigenen Direktiven beim Ranking. Während es der einen Fraktion sicher am ehsten um die filmische Funktionalität und die handwerkliche Wertigkeit des Jahrgangs im allgemeinen geht, so gibt es auch genug Bondiasten die rein nach Gefühl oder persönlichem Spaßfaktor ihre Listen zusammenstellen.
Um mein eigenes aktuelles Ranking etwas verständlicher wirken zu lassen, führe ich mal von unten nach oben ein paar plakative Gründe auf, warum sich welches Werk bei mir auf welchem Platz befindet.Um den Text nicht ausarten zu lassen gehe dabei am ausführlichsten auf die untersten Ränge ein:
Wie gesagt: Ich mag alle James Bond-Kinofilme. Ja, genau, sogar Casino Royale 67' punktet bei mir auf eine gewisse Weise.
Der mit großem Abstand unbeliebteste Film - nicht nur im gesamten Fandom, sondern auch bei der Mehrheit der Kritiker und der breiten Publikumsmasse - ist sicher ein Werk, das es jedem mehr als leicht macht, es geringzuschätzen oder gleich von Grund auf komplett in die Tonne treten. Erzählerisch funktioniert hier leider tatsächlich rein gar nichts und das Szenen-Timing gleicht unter konventionellen Maßstäben einer regelrechten Katastrophe.
Dennoch kann auch dieser Teil der Bondculture vor einem wohlwollenden Zuschauer regelrecht aufblühen. Zu brilliant und liebenswert ist die musikalische Untermalung geraten. Zu grandios wurde hier quasi nebenbei das Zeitgefühl der Swinging Sixties in einem filmischen Popgemälde konserviert, zu kurios ist das Schaulaufen der Prominenz und das Spektrum an Stilarten das hier auf grotesk hohem Produktionslevel wild durcheinandergewirbelt wird. Zu sehr verbeugt sich die extrem populäre Austin Powers-Reihe vor dieser strangen Klamotte, als das man sie anstandslos komplett die Toilette runterspülen sollte, wie das die Mehrheit der Bondfans gewiss tut. Sicher ist er ein klarer Fremdkörper in einer Liste, in der sich sonst nur mehr oder weniger konventionell präsentierte und linear erzählte Superagentenabenteuer befinden.
Aber es ist nunmal ein Film der mit Namen wie Ian Fleming, James Bond, Moneypenny, M, Vesper, Le Chiffre etc. aufwartet und somit ist er selbstverständlich ein Teil des cineastischen Gesamtphänomens 007.
Ich selbst mache nie den Fehler den Film nach konventionellen Werteparametern zu messen, sondern sehe ihn eigentlich vielmehr als monumental und konfus überproduzierte Revue-Nummer. Als kein Film im herkömmlichen Sinne, vielmehr nur eine wahnsinnige Party, eine Gala. Aus dieser Perspektive wird es dann ziemlich unwesentlich welcher Film-Part mit welchem ganz und gar nicht zu harmonieren weiß, da das ganze Gebilde eher einem einzigen, kurios chaotischen Bewußtseinzustand gleicht. Einem Trip. Einem Rausch. Aber auch wenn man Casino Royale 67' mit so einem Blickwinkel erfolgreich abfeiern kann, so ist die erzählerische und somit auch filmische Dysfunktionalität natürlich ein Aspekt, die es dem Film geradezu unmöglich macht, in Ranglisten mit den anderen Bondfilmen in ernsthafte Konkúrrenz zu treten. Er disqualifiziert sich durch sein Wesen praktisch selber. Somit findet sich dieses Werk auch bei mir auf dem letzten Platz.
Darüber rangiert DAD, dessen Stärken ich im implizierten Fast Food-Aspekt sehe, die den 2002er Jahrgang zu einem der kurzweiligsten der ganzen Reihe macht.
Dazu kommt das das Subgenre 'Märchenbond' bei mir, als YOLT-Bondeinsteiger, stets einen Stein im Brett hat. Jedoch die überwiegende Sterilität mit der zu viele Szenen aufwarten, sei es nun durch die Studiolastigkeit, die wohl mehr als hinreichend gebrandmarkten CGI-Offensichtlichkeiten oder Tamahori's merkwürdig oberflächlicher 'Plastik'-Inszenierungsstil läßt den Film im Vergleich zum Rest der Reihe leider nahezu ins bodenlose stürzen. Außerdem unterschreit meiner Meinung nach das Dialogniveau ab und zu die Grenze dessen, was ich als franchisewürdig ansehe. Nichtdestotrotz ist dieser Film nicht der dermaßen gewaltige Müllhaufen, für den ihn viele Fans halten. Dazu ist sein Spaßfaktor einfach viel zu hoch.
Eine Stufe höhe steht bei mir ein Werk, bei dem es mir am meisten weh tut, ihn soweit unten zu positionieren: AVTAK.
Grandioser könnte die Verpackung und die Eckdaten nicht sein: Titelsong und Filmplakat stehen bei mir ganz, GANZ oben. Eifelturm und Golden Gate Bridge zählen für mich zu den 3 magischsten Bauwerken der Moderne und Christopher Walken ist einer meiner 5 generellen Lieblingsschauspieler. Noch dazu habe ich einen Faible für melancholische Schwanengesänge innerhalb von Filmreihen und Barry's Score halte ich für ein beeindruckendes 'Spätwerk', das nur noch von der abschließenden Nachfolgearbeit übertrumpft wurde.
Aber leider können all diese Punkte nicht darüber hinwegtäuschen, das es sich bei AVTAK um ein ausgesprochen uninnovatives, weit unter seinen Möglichkeiten bleibendes Bondwerk handelt, das zudem noch wie kein anderes durch unnötig schlampiges filmisches Handwerk verärgert. Und damit meine ich nicht nur die oft erwähnte extremste Offensichtlichkeit von Moore's Stuntdoubles, sondern auch beispielsweise solche Zumutungen wie das unglaubwürde Location-Double für General Gogol, das in San Francisco Pola Ivanova abholt oder die ziemlich unsouveräne Umsetzung des Schlußfights, die hauptsächlich von ihrem erhabenen Handlungsort getragen wird, und somit geradezu verschenkt wirkt. Dazu kommt, das die zweite Film-Hälfte eine der langatmigsten der ganzen Reihe ist. Das alles schmerzt ein wenig, denn die Vorraussetzungen für einen Hightlight der Serie waren durchaus gegeben. Dennoch hat Moore's Abschiedsfilm DAD voraus, das er ausgesprochen handmade wirkt, gewisse Einzel-Aspekte wie Song und Score so erstklassig sind und der Film als Ende einer großen Bondära und 80er Mittelpunkt mit dermaßen viel Nostalgie-Bonus von meiner Seite aufgeladen wird, das AVTAK trotz aller Defizite stets ein essentiellerer Franchise-Beitrag in meiner Wahrnehmung bleiben wird, als einige andere, von mir höher gewertete Jahrgänge, die ich trotz ihrer zahlreicheren Stärken weniger verkulte.
Auf dem nächst höheren Platz folgt ein Bondwerk, das lange Jahre bei mir die rote Laterne inne hatte, dem ich aber inzwischen zugestehen muß, das es auch nach dem x-fachsten Konsum immer noch zu erstaunlich gut unterhält, und auch zuviele gelungene Passagen aufweist, als das ich es auf dem letzten Platz platzieren könnte: TND. Ähnlich wie bei Zorin gefällt mir an Carver, das er es schätzt sich öffentlich zu präsentieren und feiern zu lassen. Nur das die Carverparty stimmiger und besser inszeniert wirkt, als Zorin's Sommerfest. Das wichtigste Element das den Film aber bei mir über AVTAK setzt ist der um Klassen souveränere Filmschnitt, der bei TND vermutlich sogar über viele Unzulänglichkeiten dieser wohl recht chaotischen Produktion hinwegtäuscht. Klar enthält Brosnan's zweites Bondabenteuer immernoch viele Störfaktoren, die von der Allgemeinheit schon hinreichend genug unterstrichen worden sind. Dennoch empfinde ich TND als solidere, stringentere, und somit 'vorzeigbarere' Arbeit als AVTAK.
Zumal ich die Fanfraktion verstehen kann, die TND als Brosnan's besten Film ansieht. Sowohl die stilistische Ausrichtung, als auch Brosnan's Performance befinden sich im Gesamtbild auf einem recht stimmigen und ausgeglichenen Level, womit ich dem Film etwas attestieren kann, was mir im Rest der Ära schwerer fällt: Der Film macht einen in sich geschlossen und konsequenten Eindruck.
Jetzt folgt eine gehörige Portion Blashphemie, denn auf meinem nächst höheren Rang findet sich ein Werk, für dessen Platzierung mich sicher eine große Fandomfraktion gern steinigen würde: FYEO.
Ähnlich wie bei AVTAK und TND hat der Film einige vereinzelte, aber durchaus potente Pluspunkte: Actionhandwerk - vorallem die Stuntarbeiten, Schnitt, Score und das Bondgirl sind die Aspekte die ich hier weitesgehend als äußerst souverän empfinde. Sie punkten auf eine so überdurchschnittliche Weise, das es verwundert, das der Film in fast allen anderen Punkten so wenig überwältigentes bietet. Was oft über TWINE geschrieben wurde, dessen visuelle Tristesse, dessen 'Langweiligkeit', dessen halbgarer 'Pseudoanspruch' etc, kann ich, obwohl ich ein Fan des Films bin, durchaus gut nachvollziehen, aber diese Attribute kann ich ohne zu zögern auch komplett FYEO zuschreiben. Kein Bondfilm fällt meiner Meinung nach durch dermaßen schlechte Ausleuchtung, öde visuelle Durststrecken oder inhaltlicher Tristesse auf, wie FYEO. Und tut mir leid, die Bunkerszene oder der Hubschrauberangriff mit Sägenblättern in TWINE mögen ja unglaubwürdig, komisch inszeniert und dadruch ziemlich kurios erscheinen, aber die gesamte Konzeption der Hai-Sequenz, in der Kristatos versucht Bond und Melina zu ertränken, verfüttern oder letztendlich zu überfahren, finde ich nicht minder unglaubwürdig und umständlich kurios umgesetzt und wird meiner Meinung nach nur deshalb von den Fans als saubere und gelungene Szene durchgewunken, weil die meisten anderen Actionszenen des Films erstaunlich überzeugend ausgefallen und brilliant geschnitten sind. Kristatos halte ich auch für keinen starken Villian, aufjedenfall nicht stärker als Elektra und Renard. Dennoch liegt es als Hardcore-Fan in meiner Natur selbstverständlich auch dieses Bondwerk viele positive Emotionen entgegenzubringen. Der Soundtrack dürfte der sein, den ich als angehender jugendlicher Fan damals so oft wie keinen anderen in mein Kassetten-Deck schob' - und das lange bevor ich den Film auf VHS sichten konnte. Außerdem punktet FYEO neben seinen 'Urlaubstripaspekten' dadruch, das er einer dieser Bondfilme ist, die recht offensichtlich ihr Entstehungsdatum repräsentieren. Wobei ich das auch auf einer ganz und gar persönlichen Ebene wahrnehme. Beim damaligen Film-Release, war ich 7 Jahre alt, und das Jahr 1981 entsprach für mich im Rückblick eigentlich ziemlich genau dem Feeling und dem Zeitgeist den ich in FYEO konserviert sehe. TSWLM und MR kamen heraus als ich den Kindergarten besuchte und repräsentieren somit retrospektiv auf herrliche Weise meine eigene verspielte, unbeschwerte, wunderbare Lebensphase jener Zeit. Beim Release von FYEO kam ich dagegen dann bereits in die 2. Klasse, womit der ersten Wellen dessen was man als 'Ernst des Lebens' bezeichnet allmählich Einzug hielten und da paßt es eben wie die Faust auf's Auge das meine heute so geliebte Bondreihe gleichzeitig auch plötzlich 'ernstere' und deutlich nüchterne Prioritäten setzte.
Auf dem nächsten Rang folgt bei mir dann: GE, ein Film mit dem ich viele Probleme habe. Angefangen bei einer Menge aufgesetzter Dialoge, die Leidlichkeit der zahlreichen Modelle-Effekte, dem nicht immer begeisternden Score, bis hin zum meiner Meinung nach nicht wirklich funktionierenden, geschweige denn souervän verkörperten Villianpart. Dennoch empfinde ich den Film im Gesamtbild etwas ikonenhafter als FYEO, womit ich die Emotionen des Massenpublikums gegenüber Bronan's Erstling in Ansätzen schon nachvollziehen kann, jedoch nicht deren hohe Bewertung. Zum Glück beinhaltet GE trotz der ganzen aufgeführten Negativ-Punkte vieles was mir dennoch Spaß macht (Bildeinfälle, Ausleuchtung, Xenia, Ourumov, Titelsong), und inzwischen handelt es sich um einen dermaßen solide gereiften Jahrgang, das ich kein schlechtes Gewissen dabei habe, ihn über einem 'heiligen' Moorewerk wie FYEO zu rangieren.
Zuletzt geändert von
Dr. moVe am 25. Juli 2015 22:51, insgesamt 2-mal geändert.
"Das ist Gold Mr. Bond. Schon mein ganzes Leben habe ich seine Farbe geliebt, seinen Glanz, seine göttliche Schwere..." (Auric Goldfinger)