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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
James Bond 007 - Im Geheimdienst ihrer Majestät
Ein rauchender Gentleman fährt mit seinem Auto eine Landstraße entlang und wird von einer Frau überholt, die er kurz darauf ein zweites Mal sieht, wie sie sich in den Fluten des Meeres das Leben nehmen will. Nach ihrer Rettung werden die beiden von zwei Männern attackiert, mit denen der Mann es in einem harten Kampf aufzunehmen weiß. Doch kaum hat er beide eindrucksvoll niedergeschlagen, sitzt die Frau wieder hinter dem Steuer und rast davon. "This never happened to the other fellow", sagt er noch, während er ihr nachschaut. Ob es Sean Connery so ergangen wäre, ist eine interessante Frage. Fest steht aber, dass sich sein Nachfolger George Lazenby einen besseren Einstand als diese fünf Minuten nicht hätte wünschen können. Eine schöne Frau, brutale und dynamische Action und ein ironischer Gag zum Schluss. Bereits hier vereint "Im Geheimdienst ihrer Majestät" alles, was Bond in den Vorgängern ausmachte. Eine Qualität, die auch der Hauptfilm nach dem Vorspann zu halten weiß.
Mimisch kann das ehemalige Model Lazenby nicht mit seinem großen Vorgänger mithalten und dank mangelnder Schauspielerfahrung wirkt er in einigen Szenen etwas unbeholfen. Dies "verdankt" er allerdings zwei der größten Stärken dieses Filmes. Eine von beiden ist Diana Rigg, mit der er sich im ersten und letzten Drittel die Leinwandpräsenz eigentlich teilt. Und das ist gut so, denn ihre Tracy Di Vicenzo ist kein einfaches Püppchen, sondern eine emanzipierte Frau und die erste starke weibliche Persönlichkeit im Bond-Franchise. Die Aura des Charakters, aber auch ihre interessanten Eigenschaften und das Talent Riggs machen spürbar, was Lazenby selbst nicht darstellen konnte. Bond verliebt sich schließlich tatsächlich in diese Frau. Und Regisseur Peter Hunt gelingt es, dies nur durch Bilder greifbar zu machen. Da er sich fast fünfzig Minuten anfangs nur für die Liebesgeschichte Zeit nimmt, bekommt die Beziehung zwischen Bond und Tracy eine emotionale Dichte, die für Bond-Filme absolut unnormal erscheint. Doch es funktioniert und Louis Armstrongs Ballade "We have all the time in the world", gelegt über eine Parallelmontage mit Ausschnitten aus deren Annäherung, macht hier eine Verbundenheit deutlich, die der Zuschauer dem Film zu jedem Zeitpunkt abkauft.
Doch auch der lange Mittelteil, in dem Tracy keine Rolle spielt und Bond sich auf geheime Mission begibt, ist grandios gelungen. In den Schweizer Alpen trifft 007 erneut auf seine Nemesis Blofeld, der hier von Telly Savalas, bekannt aus "Kap der Angst - Ein Köder für die Bestie", gespielt wird, eine Besetzung, die sich als ideal beschreiben lässt und ein weiterer Schauspieler, der Lazenby mit Mühe an die Wand spielen kann. Genau wie sein Vorgänger Donald Pleasance spielt Savalas das wahnsinnige Genie mit überbordender Gigantomanie. Ansonsten lässt Hunt hier ebenfalls keine Wünsche offen. Der ironisch-süffisante Humor sitzt, die Dialoge sind spritzig, prickelnd und zweideutig, die Bedrohung banal, aber von gewaltigem Ausmaße, die Settings kreativ und extravagant und in der Action übertrifft er sich und die bisherigen Standards des Franchises noch einmal selbst. Die Skiverfolgungsjagden sind ein Triumph der Stuntmänner. Was man hier auf die Beine stellt, ist kaum in Worte zu fassen und setzte zweifellos Maßstäbe. Von den Kameraperspektiven über den Schnitt bis in die visuellen Tricks, hier stimmt alles bis in Detail. Und bei einer folgenden Verfolgungsjagd über eine Stock Car Rennstrecke bietet Hunt auch noch eine der lustigsten Actionszenen der Reihe.
Was dann im Showdown passiert, ist aber eine wahre Überraschung. Denn die Stürmung der Alpenfestung verkommt unter der Regie doch glatt zu einem Spektakel, dem man die eigentlich Bond-untypische Epik - auch durch die winterliche Atmosphäre - nicht absprechen will. Blofeld wird zu dem Drachen stilisiert, den der edle Ritter erst erschlagen muss, bevor er die holde Maid in Nöten in die Arme schließen kann. Unterlegt von dem mal wieder wunderbaren Soundtrack von John Barry, der verschiedene Leitthemen immer wieder geschickt arrangiert, stößt die Bond-Reihe hier in neue erzählerische Sphären vor. Auch das ungewöhnliche Ende bietet etwas für Bond völlig neues: Tragik. Am Ende sehen wir nicht mehr und nicht weniger als einen der fiesesten und undankbarsten Abschlüsse der Filmgeschichte, der sich anfühlt wie ein Tritt tief in die Magengrube. So ganz wird man den Eindruck aber nicht los, dass diese Szene vermutlich besser an den Anfang des siebten Bondfilmes gehört hätte. Doch so oder so ist dieser Moment grandios gemacht - insbesondere da dank intensiven Trainings Lazenby hier seinen stärksten Auftritt hat und seine Mimik dem Zuschauer doch in der Tat die ein oder andere Träne abverlangen kann. Hätte er etwas mehr von der Performance vorher gezeigt, "Im Geheimdienst ihrer Majestät" hätte die wenigen schwachen Momente (oft im Zusammenspiel mit der Standard-Crew Bernard Lee, Lois Maxwell und Desmond Llewelyn als M, Miss Moneypenny und Q) wohl nicht gehabt.
Fazit: Peter Hunt, der vorher als Cutter für das Franchise arbeitete, zeigt mit "Im Geheimdienst ihrer Majestät", dass er auch als führende Kraft hinter der Kamera genau weiß, was richtig für Bond ist. Wirkte der Vorgänger "Man lebt nur zweimal" noch teilweise, als würde sich die Erfolgsformel langsam abnutzen, zeigte Hunt auf, dass es immer mal wieder kleine Änderungen und Überraschungen brauchte, um Bond frisch und lebendig zu erhalten. Leider sah dies das Publikum 1969 anders. Der Film brauchte 5 Monate, um sein Budget von 12 Millionen Dollar einzuspielen und George Lazenby wurde von den Zuschauern nicht als Nachfolger Connerys akzeptiert, weswegen dies bis heute sein einziger Einsatz als 007 blieb. Dass seine mimisch schwache Leistung nicht sonderlich lobenswert war, mag zwar ein Fakt sein, dennoch kann sich Lazenby zumindest eines in den Lebenslauf schreiben: in einem der besten Bonds aller Zeiten mitgewirkt zu haben. Dieser überlange Film ist das Ergebnis von zwei Jahre langer harter Arbeit und ein wahnsinniger Actioncocktail mit schneeweißen Winterbildern. Ein Film, der auch heute noch aufregend und mitreißend wirkt. Und dessen Ende selbst Männer zum Weinen bringen wird.
9/10
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Let the sheep out, kid.