AnatolGogol hat geschrieben:Das ist interessant was du über Schatten des Zweifels schreibst. Obwohl er gemeinhin als einer der besten Filme Hitchs angesehen wird sehe ich das ganz ähnlich wie du, vielleicht nicht ganz so negativ. Aber definitiv unter ferner liefen in Hitchs Oevre. Ist mir irgendwie zu betulich und hausbacken.
Ich sehe das genau so. Als Kriminalfilm gibt mir die Story zu wenig her, da auch Joseph Cottens Charakter ziemlich blass bleibt und man als Zuschauer - soweit ich mich erinnern kann - auch nicht wirklich über seine Verbrechen aufgeklärt wird. Ich habe die Zankereien zwischen Henry Travers und Hume Cronyn als weitaus amüsanter empfunden und sie sind mir auch stärker im Gedächtnis geblieben, zusammen mit der einen oder anderen witzigen Szene z.B. beim Besuch der Bibliothek, eine Minute nachdem sie um neun Uhr geschlossen hat und die Bibliothekarin dann etwas von "mitten in der Nacht" sagt...
AnatolGogol hat geschrieben:
Marnie hingegen sehe ich erheblich positiver als du, wobei der Film wie ich finde recht schwer zugänglich ist und bei mir einige Durchläufe benötigte, bis ich ihn richtig zu schätzen wusste. Der Film steht in direkter Tradition zu Vertigo, nur dass Hitch hier die oberflächliche „Krimigeschichte“ um Marnies Diebszüge eigentlich völlig der Charakterisierung der Figuren unterordnet. Oft wird Hitch hier „Küchenpsychologie“ vorgeworfen. Das mag sein, aber ich finde es dennoch sehr effektiv wie er nach und nach seine Figuren entblättert und man im Laufe des Filmes erkennt, dass niemand so ist wie er zunächst scheint. Ich halte Connerys Darstellung einer solch negativen Figur wie Mark Rutland für ziemlich gewagt zu seinem damaligen Karrierezeitpunkt, gut einiges davon wird durch Hitchs „versöhnliche“ Inszenierung gemildert, die Mark immer in einem besseren Licht zeigt als er es eigentlich verdient (vor allem die Stilisierung als „Beschützer“). Aber möglicherweise ist dies auch bewusst von Hitch so gemacht, um den Zuschauer an der Nase herumzuführen – ähnlich wie er in Psycho bewusst Sympathie für Bates erzeugt hat. Und in diesem Zusammenhang machte sich Hitch sicherlich auch Connerys bondsches Überimage zu Nutze, da er bewusst mit dieser in der Vorstellung seines Publikums verankerten Vorstellung spielte und Rutland zu Beginn ja auch genau so charmant und kultiviert in Szene gesetzt hat. Hier gibt es dann tatsächlich Parallelen zur Bondfigur, die allerdings im Laufe des Filmes rückblickend zerstört bzw als Illusion offenbart werden.
Marnies Psychologie, ob Küchen- oder nicht, wäre gar nicht mal ein uninteressanter Ansatz, wird aber in meinen Augen mit einigen Mängeln umgesetzt. Da wären die fehlenden oder zumindest unglaubwürdigen Motive von Connerys Mark Rutland, das theatralisch-aufgesetzte Spiel von ,Tippi` (was für ein Name) Hedren, der wenig prägnante und dafür umso aufdringlichere Score, die in meinen Augen überflüssige Ausdehnung des Geschehens auf zwei Stunden sowie einige Ansätze, die ab einem gewissen Punkt nicht mehr weiterverfolgt werden (Das mehrfach angedeutete Interesse von Diane Baker an ihrem Schwager Sean Connery sowie ihre Eifersucht auf Marnie). Kein Totalausfall, aber für mich der schwächste Film in der Universal-Collection.
AnatolGogol hat geschrieben:Der zerrissene Vorhang ist für mich eine zwiespältige Angelegenheit. Einerseits mag ich ihn sehr gern aufgrund seiner klassischen Spionagegeschichte, einer Vielzahl typischer Hitch-Elemente und weil ich Newman eigentlich immer gern sehe. Andererseits finde ich sieht man dem Film auch deutlich an, dass er viel besser hätte werden können als er es letztlich ist. [...] Mit Herrmanns Musik und einigen kleineren Änderungen in Story und Inszenierung hätte Der zerrissene Vorhang der beste Film in Hitchs letzter Schaffensphase, die mit diesem Film begann, werden können. Ein Film, der in Stimmung und Wirkung eher in der Tradition von Vertigo und den Vögeln gestanden und weniger als Versuch einer Wiederholung von Der unsichtbare Dritte gewirkt hätte, wie es der Film den wir kennen tut.
Kann ich in etwa so unterschreiben, nur was die Musik betrifft mangelt es mir an Wissen, allerdings liebe ich auch alle Herrmann-Scores ausser
Marnie. Vor allem mit
Psycho ist dem Komponisten ein absolutes Meisterwerk gelungen, ich höre den Soundtrack sehr gerne wenn ich unter der Dusche stehe.
Meine anfängliche Euphorie bezüglich dem
Zerrissenen Vorhang hat sich nun auch ein wenig gelegt und der Film sich unter
Topas und dem
Mann, der zuviel wusste eingependelt. Alle drei Filme betrachte ich aufgrund des gemeinsamen Genres Spionage-/Polit-Thriller relativ ähnlich. Aber
Torn Curtain hapert bei näherer Betrachtung tatsächlich sogar etwas mehr als
Topas in Sachen Pacing und Feinrhythmus. Viele Einzelszenen gefallen mir als solche aber ausserordentlich gut, zum Beispiel die gesamte Szene auf dem Bauernhof mit Wolfgang Kieling (grossartig!) oder die aufkeimende Animosität zwischen Newman und Donath bei ihren Basteleien an verworrenenen Formeln.
AnatolGogol hat geschrieben:Der Mann, der zuviel wusste ist für mich ganz großes, starkes Kino welches absolut perfekt das Ernste mit dem Heiteren verbindet. Etwas, das zB bei Der zerrissene Vorhang nur bedingt gelingt. Toll wie Hitch das Ambiente von Nordafrika und London eingefangen hat und ganz im Sinne der Geschichte zu nutzen wusste. Die Ermordung von Gelin und die Opernszene sind absolute inszenatorische Perlen. In letzterer ist es vor allem die Einbindung der Musik als entscheidendes Handlungselement sowie das völlige Auskommen ohne Dialog, die diese Szene für mich so großartig machen. Einziger kleiner Wermutstropfen ist der Schluss in der Botschaft, der für mich von der Inszenierung her immer etwas abfiel gegenüber dem Rest des Films. Aber trotzdem ein absolut gelungener Film.
Auch hier kann ich dir zustimmen. Sehr schön, wie der Film eine Art Spionagegeschichte erzählt, ohne wie bei Topas oder dem Vorhang im direkten Umfeld von Geheimdiensten zu spielen. Die Szene beim Konzert ist brillant, hier wird der Film wahrhaftig zu einem Stummfilm. Überhaupt ist
Der Mann, der zuviel wusste visuell und inszenatorisch auf eine subtile Art und Weise überaus raffiniert. Zum Glück wird auch das "lästige Kind", wie es im Film so treffend genannt wird, relativ früh ins Hinterzimmer der Kirche verfrachtet.
So schön das Spektakel auch ist, einen entscheidenden Haken hat es für mich dennoch: nachdem ich den Film gesehen habe, hat mich Doris Days
Que Sera, Sera noch über eine Woche lang tagtäglich verfolgt. Ohrwürmer können sehr bemühend sein...