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von AnatolGogol
Agent
AVTAK, der letzte Einsatz von Roger Moore als 007 markiert, und das kann man ohne Übertreibung sagen, das Ende einer Ära. 12 Jahre, so lange wie kein anderer Darsteller, hat Moore die Serie geprägt und ihr seinen Stempel aufgedrückt. Und das in einem Maße, wie es vermutlich keinem anderen Darsteller gelang. Humor, Leichtigkeit und Eleganz in Kombination mit immer spektakuläreren „Zirkusnummern“ kennzeichneten seine Bondauftritte und in der Beziehung stellt AVTAK keine Ausnahme dar.
Schaut man sich AVTAK genauer an, so scheint er in zwei Teile zu zerfallen. Auf der einen Seite hat man die typischen, atemberaubenden Actionszenen, die auf allerhöchstem Niveau daherkommen. Auf der anderen Seite dagegen einen fast schon ruhigen, sehr eleganten Agentenfilm, der die Stärken seines in die Jahre gekommenen Hauptdarstellers bestens zu nutzen weiss. Einzeln betrachtet also zwei ausgezeichnete Teile, doch irgendwie wollen sie trotz ihrer Qualitäten nicht recht zueinander passen. Der Grund hiefür liegt ohne Zweifel im oft diskutierten „biblischen“ Alter von Moore. Auch wenn er nach wie vor (wie in all seinen Filmen) jünger als sein tatsächliches Alter rüberkommt, so ist dennoch unübersehbar, dass die akrobatischen Hochleistungsactionnummern weitestgehend überhaupt nicht mehr zu dem damals 57jährigen Moore passen wollen. Beispiele: wir sehen in der PTS akrobatische, scheinbar den Gesetzen der Schwerkraft widersprechende Skiaction, im Closeup gibt es dann einen doch sehr schlaff wirkenden Moore. Oder die Autoverfolgung an der Seine: nachdem er ein paar Momente zuvor noch schwer atmend die Treppen des Eifelturms „hochgeschlichen“ war, präsentiert sich „Moore“ plötzlich dynamisch zupackend am Steuer des Wagens wie Belmondo zu besten Zeiten. Gleiches gilt für die Feuerwehrszene. Es ist in diesen Szenen praktisch unmöglich, Moore die gebotenen Actionnummern auch nur annähernd abzunehmen, zumal die Stuntmen nicht mal entfernt den Anschein erwecken, sie könnten Moore sein (Remy Julienne sieht selbst mit Perücke Roger Moore nicht mal ansatzweise ähnlich).
Und das ist eigentlich schade, denn ich bin mir sicher der Film würde wesentlich besser funktionieren, wenn man in einigen der größeren Actionszenen des Films etwas mehr „Rücksicht“ auf die physische Verfassung seines Hauptdarstellers genommen hätte. Dass dieser nämlich auch in Actionszenen durchaus noch zu überzeugen wusste zeigte er zB in der Prügelszene im unterirdischen Stall-Labor, in allen Unterwasserszenen, bei seinem beherzten Einschreiten in Stacys Haus (inklusive Steinsalzknarre). Ebenso funktionieren die Szenen in der Cityhall und selbst die Mienen- und die Goldengate-Bridge-Szene recht gut, da all diese Szenen nichts körperlich völlig abgedrehtes von Bond verlangen. Aber hier kommt das Dilemma ins Spiel, quasi der Fluch des immer „höher-schneller-weiter“ von Moores vorangegangenen Filmen: man wollte es offenbar nicht riskieren, das Publikum durch das Zurückfahren dieser Szenen zu enttäuschen. Einerseits sicher verständlich, andererseits beweist der Film, dass diese Entscheidung dem Film nicht wirklich gut getan hat.
Denn Alter hin oder her: Moore liefert eine großartige Abschiedsvorstellung ab. Er ist charmant, witzig, kultiviert, geistreich, ironisch und versprüht auch in AVTAK diese unglaubliche Leichtigkeit. Dazu kommt, dass man ihm den Spass förmlich ansieht, vermutlich weil er sich während des Drehs durchaus bewusst war, dass dies sein letzter Auftritt als Bond sein würde. Auch in den ernsteren Passagen (Tibbetts Tod, der Dialog mit Zorin in der Cityhall) überzeugt er völlig.
Die restliche Hauptrollenbesetzung ist unverkennbar eine Reaktion auf NSNA. Wir haben mit Christopher Walken einen deutlich jüngeren Schurken als sonst (siehe Brandauer), mit Grace Jones eine todgefährliche Killeramazone (siehe Barbara Carrera). Und selbst Tanya Roberts könnte man mit Abstrichen als Reaktion auf Kim Basingers Domino verstehen (gerade wenn man sie mit den Bondgirls der vorangegangenen vier Moore-Bonds vergleicht). Hier zeigt sich, dass gut geklaut durchaus funktionieren kann. Walken spielt superb, der genetische Superschurke Zorin hätte leicht auch zur Comicfigur werden können aber Walken gelingt es, der Figur Leben einzuhauchen. Und mehr noch als das, seine Darstellung ist die einzige in der ganzen Serie, in denen der offensichtliche Wahnsinn der Figur auch offen als Teil der Darstellung erkennbar ist. Bestes Beispiel hierzu sind wohl der Dialog mit Bond nach Tibbetts Tod und der Dialog mit Bond in der Cityhall, wo Bond ihm seine Herkunft als psychisch gestörtes Experiment unter die Nase reibt. Man sieht in Walkens Darstellung förmlich, wie der Wahnsinn kurz vorm Ausbruch steht, aber dann durch die verbrecherische Ratio doch wieder kontrolliert wird (die ja nicht weniger wahnsinnig ist). Grandios!
Auch Grace Jones weiss als Killeramazone Mayday zu überzeugen. Auch ohne ein typisches Utensil wie Oddjobs Hut, Teehees Arm oder Beissers Zähne reiht sie sich nahtlos ein in die lange Reihe der Larger-than-Life-Henchmen. Als wäre sie für diese Rolle geboren. Tanya Roberts geht sicherlich nicht als eindrucksvollstes Bondgirl in die Geschichte der Serie ein, aber so schlecht wie sie oft gemacht wird finde ich sie nicht. Sie ist bildhübsch, gibt die perfekte permanent zu rettende Unschuld ab und ist insofern schon passend besetzt. Die Rolle gibt einfach auch deutlich weniger her als zB die einer Holly Goodhead, Melina oder Octopussy. Nix weltbewegendes, aber ganz ok.
Beim supporting cast weiss vor allem Patrick Bauchau als Zorins Mann fürs Grobe Scarpine zu überzeugen. Seine Rolle hätte ich gerne noch etwas ausgeweitet gesehen, Bauchau versprüht diese kalte, bedrohliche Gefahr wie sie zB auch ein Robert Shaw in FRWL hatte. Ebenfalls gerne mehr hätte ich von Willoughby Gray als Dr. Mortner gesehen. Die Figur mit dem KZ-Arzt-Hintergrund hätte noch wesentlich mehr Potenzial geboten und Gray überzeugt eigentlich in allen seiner wenigen Szenen, sowohl als jovialer Opa auf Zorins Gartenparty wie auch als diabolischer Verbündeter und Ersatzvater von Zorin. Der ganz große Wurf war aber die Verpflichtung von „Mit Schirm, Charme und Melone“-Legende Patrick MacNee als Bonds Sidekick Sir Tibbett. Wie sich MacNee und Moore die Bälle zuspielen ist einfach großartig. Für mich vermutlich der beste Sidekick der ganzen Serie, vor allem weil Moore und MacNee auch altersmäßig perfekt passen.
Die Story ist nicht weiter erwähnenswert, sie ist einfach nur Mittel zum Zweck um die einzelnen Szenen und Schauplätze miteinander zu verbinden. Natürlich ist Zorins Plan nix anderes als der von Goldfinger und die Erdbeben-Idee hat man in ähnlicher Form auch schon in Superman gesehen, aber was solls: die Handlung ist effektiv genug, um das Abenteuer voranzutreiben und kaum Langeweile aufkommen zu lassen. Zu großer Form läuft der Film wie schon angedeutet immer dann auf, wenn es etwas ruhiger und stilvoller zu geht. Beste Beispiele sind die kompletten Szenen auf Zorins prächtigem Gestüt sowie die Szenen in Staceys malerischem Haus: die fantastisch gefilmten Bilder in Kombination mit Barrys majestätischer Musik bieten die perfekte Basis für Moores elegantes Auftrumpfen. Der Showdown in der Mine ist verglichen mit denen vorangegangener Filme eher etwas mau geraten, hier verliert der Film deutlich an Tempo und hat doch die ein oder andere Länge. Der finale Clinch auf der Golden Gate Bridge ist zwar von der Idee und Umsetzung spektakulär genug für ein Bondfinale (auch wenn man viele der Einstellungen als Studioaufnahmen erkennen kann), trotzdem fällt auch diese Szene im Vergleich zu vielen der Vorgänger etwas ab.
Wenn man sich erstmal damit abgefunden hat, dass der gute Roger eben keine 45 mehr ist, dann hat AVTAK durchaus sehr viel positives zu bieten. Die eleganten Locations, die stimmungsvollen ruhigeren Passagen, die erstklassige Besetzung und ein Roger Moore, der noch einmal zu ganz großer Form aufläuft machen den Film in vielen Szenen zu einem Genuß. Ein Genuß, der leider durch einige nicht wirklich zum Hauptdarsteller passende Actionszenen und die ein oder andere Länge getrübt wird. Und ob man ausgerechnet den Beinahepensionär Moore zum Sexualhochleistungssportler (4 vernaschte Bondgirls sind nach wie vor einsamer Rekord) stilisieren musste, darüber lässt sich streiten. Immerhin war Moore auch hier souverän genug, um das ganze immer mit einem Augenzwinkern zu spielen, so dass man auch in diesem Fall beide Augen zudrücken darf. Fazit: eine über weite Strecken gelungene Abschiedsvorstellung von Moore, die aber durch einige Änderungen leicht auch noch deutlich besser hätte ausfallen können. 7,5 / 10.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"