Welche Filme von Tarantino habe ich gesehen und wie bewerte ich sie?
Ich habe bisher nur zwei Filme von Quentin Tarantino gesehen, nämlich Pulp Fiction und Inglourious Basterds. Von den anderen interessieren mich eigentlich nur Reservoir Dogs und - wenn er rauskommt - Django Unchained richtig, auf Kill Bill habe ich irgendwie keine Lust.
Also, wie bewerte ich diese beiden Filme denn nun?
Pulp Fiction war auf jeden Fall etwas vom Besten, was ich in letzter Zeit so gesehen habe. Das Independent-Film-Feeling passt perfekt, die Schauspieler haben mich eigentlich alle überzeugt, wobei mir vor allem Bruce Willis, Ving Rhames und John Travolta positiv aufgefallen sind. Uma Thurman sieht leider nicht so gut aus. Der Film ist durchgehend unterhaltsam und sein Humor mischt Skurilles, Makabres mit gut pointierten Dialogen. Interessante Unterhaltungen der Charaktere wechseln sich mit lustigen Momenten ab und einige Szenen sind zu Beginn schon fast beängstigend makaber und brutal, bis man am Ende nur noch lachen kann (die Sequenz im Folterkeller). Die chronologische Verschachtelung ist clever und löst einen gewissen aha-Effekt aus. Chronologische Erzählung hätte den Film weitaus uninteressanter gemacht, finde ich.
Einziges Minus ist, dass PF sein Pulver zu früh verschiesst. Nach dem mitreissenden und schockierend-lustigen zweiten Kapitel bietet Part 3 eigentlich ausser einer fröhlich plätschernden, unterhaltsamen Comedy in Tarantinos Haus nicht mehr so viel.
Inglourious Basterds ist auch schon ein kleiner Klassiker. Auch hier wird mit exzellenten Darstellern aufgetreten (Pitt, Fassbender, Laurent und vor allem - wie sollte es anders sein - Waltz!) Die Story und der Erzählstil sind dermassen schräg und comichaft dass der Film zu jeder Minute Spass macht. Dennoch gibt es durchaus ernstzunehmende und sogar hochspannende Momente in IB (ich rede von den kapiteln eins und vier). Eigentlich kann Quentin Tarantino in den
Basterds in fast jedem Moment geschickt seine Stärken ausspielen und diese mit einem starken und vielseitigen Schauspiel-Ensemble auch überzeugend umsetzen. Ein ganz grosser Pluspunkt der
Basterds sind die verschiedenen Sprachen und wie sie in die Handlung eingebunden werden (Fassbender verrät sich durch britischen Akzent, mehrfach muss übersetzt werden, etc). Nur so wird in einem multinationalen WK2-Film ein realistischer Effekt erzielt, der in anderen Filmen zu vermissen ist.
Abgestimmt habe ich für Pulp Fiction.
Was mag ich an Quentin Tarantino? Wo liegen seine Stärken?
Was Tarantinos Stil ausmacht ist dass er in der Lage ist, längere und scheinbar uninteressante Dialoge sowie "Alltagssituationen", bzw Geschehnisse im eher kleineren Rahmen mit grosser Spannung zu inszenieren. Dennis Menochet und Christoph Waltz in IB oder John Travolta und Sam L. Jackson in PF (Treppenhaus) quasseln da teilweise vollkommen off-topic und dennoch fesselt es. Die Dialoge bauen die Charaktere auf (hier hat Tarantino natürlich auch den Vorteil, jeweils exzellente und vor allem passende Darsteller für seine Rollen engagieren zu können) und verleihen dem Geschehen oftmals durch Perfidität oder überspitze Situationskonflikte etwas Mitreissendes, spezielles. Gerade dieses Fehlen von Gradlinigkeit, die schrägen Handlunsstränge die schon fast unkontrolliert von den Geschehnissen im Film geleitet werden, verleihen den QT-Filmen ihren eigenen Stil. Einerseits spielt sich alles in einem vorstellbaren Rahmen ab, andererseits ist es derart schräg, makaber und überdreht dass man es nie realistisch betrachten kann (Gut, das sind die Bond-Filme gewissermassen auch aber auf eine ganz andere Art und Weise).
Was mag ich an Tarantino und seinem Hype nicht?
Ich kann gewisse Leute hier (vielleicht danielcc

) aber gleich beruhigen: trotz allen Lobes auf den Tarantino-Stil halte auch ich Onkel Quentin für masslos überschatzt, und das schon auf einer quantitativen Ebene. Warum? Quentin hat sechs Filme gedreht, sieben wenn man Kill Bill als zwei Teile nimmt. Auch ich bin der Ansicht dass
Qualität vor
Quantität kommt aber bei Quentin muss ich trotzdem den Kopf schütteln. Wer als Regisseur / Filmemacher / Autorenfilmer mit fast 50 Jahren mit seiner Anzeige auf erst sieben Filmen steht ist es wohl kaum wert, im selben Atemzug mit den ganz Grossen genannt zu werden.
Beispiel: kennt jemand den schwedischen Schriftsteller Mats Wahl? Der hat (unter anderem) einen Jugendroman geschrieben,
Soap oder Leben. Die beiden Protagonisten sind jugendliche Film-Freaks / -Nerds (richtige Teenie-Quentins) die ständig Zitate rezitieren, sich über Daten und Fakten aus der Filmwelt abfragen etc. In diesem Buch wird Tarantino mit Spielberg in einem Atemzug genannt, wobei Spielberg jetzt der "ganz Grosse" in obigem Argument wäre. Nein, ich halte Spielberg auch für keinen grossen Film-Künstler, aber wenn man in ca. vierzig Jahren weitaus mehr als 20 Filme inszeniert hat und Kassenstars wie E.T., Schindlers Liste, die Indies usw. dabei sind dann ist es wohl kaum abstreitbar, dass man zu den grossen Regisseuren zählt. Und da soll Quentin mit seinen vier Filmen (der Roman erschien 2004, müssten also vier sein) auf gleicher Ebene stehen, nur weil
Pulp Fiction auf gute Reaktionen gestossen ist? Nichts da!
Beinahe noch schlimmer wurde es in einem Englisch-Lehrmittel dass ich in der Neunten hatte. Um Ansprechender zu wirken wurden da oft Themen wie Filme, Musik und so weiter behandelt um etwa eine Grammatikregel zu verdeutlichen. Da wurde Tarantino auf einer Seite doch tatsächlich mit Hitchcock, Kill Bill mit den
Vögeln verglichen! Hitchcock, mit laut Wikipedia über 50 Filmen, diversen Klassikern und dem wohl unumstrittenen Status als (einer der) Ur-Regisseur(e) und ein Mann mit einem halben Dutzend Independent-Filme in seinem Repertoire? Das geht doch einfach nicht!
Besonders schlimm finde ich die unnachgiebigen Tarantino-Fans (man könnte fast schon sagen, -Freaks) die im Internet Ranglisten aufstellen wie
die zehn besten Filme von Quentin Tarantino. Und da "Sankt Quentin" keine zehn Filme als Autorenregisseur hat werden einfach noch ein paar Streifen mit seiner Drehbuchbeteiligung herangezogen, und wenn es ganz schlimm wird sogar noch
Sin City (in dem Tarantino als Gag für etwa vier Minuten Screentime Regie führte). Die QT-Fans sollen sich doch einfach damit abfinden, dass Tarantino quantitativ ein langsamer, ineffezienter ist! Aber wenn diese Typen in Internet-Foren noch offen zugeben, alles wo "Tarantino" draufsteht krampfhaft zu konsumieren, vom "Meister" oder "Sankt Quentin" sprechen oder in keinem QT-Film einen Negativ-Punkt erkennen wollen dann kotzt mich dass nur an.
Auch Quentin selber ist nicht frei von Makeln. Irgendwann kann man es mit den ganzen Film-Anspielungen auch übertreiben und wenn Charaktere in
Inglourious Basterds minutenlang über Filme und Filmemacher der dreissiger diskutieren dann ist das eindeutig zu viel, weil man als Zuschauer in der heutigen Zeit auch kaum mehr etwas davon versteht. Auch die ganzen krampfhaften "Merkmale" und Selbstverherrlichungen wie Cameo-Auftritte von Quentin sind irgendwann nicht mehr lustig (nach den Kritiken, die ich gelesen habe soll das in
Death Proof auf die Spitze getrieben worden sein und sich in IB wieder einigermassen normalisiert haben).
Also - Fazit: handwerklich gut, clevere und spannende Inszenierungen, interessante und eigene Filme abseits des Einheitsbrei. Quantitativ (und trotz allem wahrscheinlich auch qualitativ) aber masslos überschätzt, ein viel zu grosser Hype von den Quentin-Kiddies und oftmals krampfhaft originell und selbstverliebt (bzw in seine eigenen Interessen und Vorlieben).