Re: Zuletzt gesehener Film

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Lady Bird (2017, Great Gerwig)

Greta Gerwigs Langspielfilmdebüt schildert einen Abschnitt im Leben einer rebellischen Teenagerin in Sacramento und beleuchtet dabei verschiedene Facetten ihres Schul-, Liebes- und Familienlebens und die ganze Palette an nicht immer einfachen zwischenmenschlichen Beziehungen. Den Schwerpunkt bildet dabei das komplexe Verhältnis zwischen Mutter und Tochter in dem die widersprüchliche Mischung aus Liebe, Frust, Zuneigung, Ablehnung, Streit, Versöhnung un Beschützerinstinkt brodelt, das Zentrum eines reichhaltigen Kaleidoskops aus Momenten, Gefühlen und Erinnerungen einer Jugend, die Gerwig mit einer ungemein ehrlichen Authentizität darzustellen vermag. In ihren Dialogen und Konflikten treffen Humor und Tragik aufeinander, ohne jemals schmalzig oder prätentiös zu werden. Dramaturgisch wählt Gerwig den sinnigen Ansatz, vermeintlich willkürlich von Szene zu Szene und von Moment zu Moment zu springen, und dabei in jeder Szene und jedem Moment eine neue Dimension ihrer Protagonistin, eine neue schöne, spannende oder anrührende Erinnerung oder eine neue Konfliktebene mitzunehmen, alles kleine Teile eines Puzzles, welches immer schöner wird, je mehr es seine fertige Form annimmt.

Eine Nacht nach dem Kinobesuch erscheint Lady Bird als der beinahe ultimative Coming-of-Age-Film, der eine Vertrautheit bietet, ohne in Nostalgie zu verfallen, eine authentische Ehrlichkeit, ohne spröde zu sein, und der die Licht- und Schattenseiten einer vermeintlich unschuldigen Lebensphase zu einem bittersüssen Portrait verwebt. Und für dieses Portrait hätte es kaum jemand besseres gegeben als die bezaubernde, talentierte, glaubhafte und einfach rundum exzellente Saoirse Ronan, deren Verkörperung von Lady Bird all die Ebenen des Films zueinander führt.

Wertung: 9 / 10, auch wenn die Höchstwertung sicher auch nicht verkehrt wäre.
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Zuletzt gesehener Film

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iHaveCNit: Roman J. Israel Esq. (2018)

Als letzten Film des von mir sogenannten Killer-Wochenende vom 19.4.2018 mit 4 relevanten Kinostarts „Lady Bird“ ; „Solange ich atme“ ; „Stronger“ gab es nun noch auch als Finale meiner Oscar-Nachlese den Film „Roman J. Israel Esq.“ mit dem dafür oscarnominierten Denzel Washington in der Hauptrolle und unter anderem Colin Farrell und Carmen Ejogo in den wichtigen Nebenrollen. Dies ist der 2. Film von Dan Gilroy, der vor knapp 4 Jahren mit „Nightcrawler“ eine der fantastischsten und bitterbös bissigen Mediensatiren und Charakterstudien geschaffen, der einer der besten Filme des Jahres 2014 war. „Roman J. Israel Esq.“ ist immer noch eine faszinierende Charakterstudie, auch wenn er nicht an Gilroys Debüt heranreicht.

Roman J. Israel Esquire scheint aus der Zeit gefallen zu sein. Sein Lebensstil orientiert sich immer noch an den 70ern, er hört Jazz auf einem alten Ipod, trägt übergroße ausgefallene Anzüge, ist gerne Erdnusssandwiches – doch er ist ein unglaublich intelligenter und idealistischer Anwalt, der der einstigen Bürgerrechtsikone und Anwalt William Jackson als Pflichtverteidiger im Hintergrund zugearbeitet hat. Bis dieser aus gesundheitlichen Gründen seine Kanzlei nicht mehr aufrecht erhalten kann. Roman J. Israel hat nun mit umfassenden Änderungen zu kämpfen, als er nicht nur bei einem Freund in dessen großer Kanzlei anfängt, sondern auch noch eine bürgerrechtliche Aktivistin kennenlernt und vor einer Entscheidung steht, die seine komplette Moral in Frage stellen könnte.

„Roman J. Israel Esquire – Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit“ hat einen unglaublich sperrigen und interessanten Filmtitel, der durch die deutsche Ergänzung noch wahrhaftiger wird.
Wären hier sowohl Denzel Washington und Colin Farrell nicht besetzt gewesen, hätte ich ehrlich gesagt den Film komplett übersprungen, doch damit hätte ich dem Film ungerecht getan auch wenn er dann nicht vollständig gezündet hätte. Im Laufe des Films ist es eigentlich nicht wichtig, was passiert – weil die Handlung nur bedingt einen roten Faden liefert an dem man sich orientieren kann, auch wenn das Ziel bereits durch den Start vorgegeben ist. Der Film liefert weniger einen klassischen Thriller über einen Anwalt, sondern mehr ein unfassbar tolles Charakterporträt, in dem Denzel Washington glänzen kann und dafür auch seine Nominierung verdient hat. Auch wenn natürlich die Natur hinter Romans Charakter durch den Begriff „Autist“ im Film kurz etabliert worden ist, sehe ich seine geistige Benachteilung weniger als „Autist“ denn mehr als jemand mit autistischen Zügen in Kombination mit Asperger. Das kann ich trotz fehlendem Studium in diesem Bereich beurteilen, weil ich jahrelang aus privaten Gründen einen „Autisten“ sehr intensiv kennengelernt habe. Und hier sind genau die ausgearbeiteten autistischen Züge hinter Romans Charakter und seinem Intellekt toll in den Film eingearbeitet und verwoben worden, was sowohl optisch, schauspielerisch und vom Tiefgang her einen unglaublich vielschichtigen Charakter geschaffen hat, der die Faszination dieses Films ausmacht.

„Roman J. Israel Esq.“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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Der Pathos der Jugend: Flieg zu den Sternen, Lady Bird!

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Lady Bird

In einem Interview zu ihrem Regiedebüt „Lady Bird“ erklärte Greta Gerwig, sie hätte am liebsten einen Film nur aus Nahaufnahmen des Gesichts ihrer Hauptdarstellerin Saoirse Ronan gedreht. In der Tat: Die Identifikation zwischen der Regisseurin und der von ihr entworfenen Titelrolle ist hoch. So wie die 17-jährige Christine, die lieber Lady Bird genannt werden möchte, und sich aus ihrer katholischen Highschool in Sacramento in das kulturelle Leben in der Megametropole New York träumt, stammt auch die in New York lebende Gerwig eigentlich aus Sacramento. Hierin könnte bereits die Quintessenz ihres Films verborgen liegen, denn während „Lady Bird“ oberflächlich betrachtet nur die üblichen Versatzstücke und Etappen des Adoleszenz-Kinos aufgreift und variiert, liegt ihm doch eine komplexe Emotionalität zu Grunde. So wird Gerwigs Film zu einem wunderbaren Lehrstück über die Errungenschaften und Sackgassen des Erwachsenwerdens.

Es ist kein Zufall, dass die Geschichte der anarchistisch angehauchten Teenagerin in das Jahr 2002 verlegt wurde. Der große Traum von New York, der Stadt die niemals schläft, den Christine träumt, wirkt für ihr Umfeld angesichts jüngster Ereignisse umso befremdlicher. Immer wieder streut die Regie subtil die perfiden Auswirkungen der Terroranschläge von 9/11 auf eine frisch traumatisierte Gesellschaft ein und zeichnet damit einen Kontrast zur unschuldigen Denkweise ihrer Protagonistin. Von solchen, fast schon autobiografisch veranlagten Intertextualitäten ist „Lady Bird“ durchdrungen. Während Christine bekundet, von Sacramento angeödet zu sein, und lieber etwas erleben zu wollen, liegt in den traumhaft schön inszenierten Aufnahmen von Land und Leute eine deutliche Nostalgie der Regisseurin verborgen. Aus diesem Konflikt zwischen Christine und ihrem Umfeld und sogar zwischen Christine und dem Film, in dem sie sich befindet, entwickelt Gerwig eine 94 minütige lange Montage, die über den Zeitraum von einem Jahr Lady Birds größten Wunsch erfüllt: Sie erlebt etwas. Sowohl künstlerisch als auch sexuell wird sie sich entwickeln. Sie spielt in der Theater-AG, nabelt sich von der beschützenden Mutter ab und macht ihre Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht. „Lady Bird“ sucht diese klassischen „Coming-of-Age“-Momente mit fast ikonografischer Ehrfurcht. Zwei verliebte Gesichter, die sich langsam zum ersten Kuss aufeinander zu bewegen, das erste Kiffen, welches in kindischem Heißhunger endet, der erste Trennungsschmerz, der eine innere Leere hinterlässt und das erste Mal, welches naturgemäß eine Enttäuschung wird.

Ronan spielt all diese markanten Momente des Reifeprozesses mit entwaffnender Ehrlichkeit und offensiver Sympathie. Ihre Leistung ist vor allem deshalb grandios, weil ihre Lady Bird mehr ist als nur eine Projektionsfläche für Jugendliche. In den überaus pointierten Dialogen entwickelt sie sich zu einer dreidimensionalen Persönlichkeit, deren Umwelt so bestechend geschickt charakterisiert wird, dass sich „Lady Bird“ einer klassischen Dramaturgie verweigert. Das filmisch führende Element einer Erzählung tritt in den Hintergrund und wird zur Melange aus Momentaufnahmen, deren einzig erkennbar „inszenierende“ Eigenschaft die oft schnell wechselnde Tonalität ist. Hier liegt Gerwigs große Kunst: Statt sich mit Modernisierungen des Coming-of-Age-Films zu begnügen, geht sie in den spielerischen Diskurs mit ihren Stilmitteln. Den passenden Popsong zur passenden Szene spielt auch sie, doch als er seinen süßlichen Höhepunkt erreicht, bricht sie ihn urplötzlich ab und wechselt zu einer tragikomischen Szenerie. Den tragischen familiären Hintergrund hat erwartungsgemäß auch Christines Familie, doch ausgesprochen wird er stets nur kurz. Beinahe hyperrealistisch haben die Charaktere hier nicht das Bedürfnis, dem Zuschauer ihre Hintergründe erklären zu müssen. Fast beiläufig erfährt Christine von ihrer Mutter: „My mother was an abusive alcoholic“. Ein irrer Drehbucheinfall: Beinahe die ganze Charaktermotivation der von Laurie Metcalf absolut brillant verkörperten Mutter liegen in diesem einen Statement, doch kaum ist es ausgesprochen, endet die Szene wieder und lässt Spielraum für Eigeninterpretation.

Mit dieser sprunghaften, willkürlich scheinenden Vorauswahl verschiedenster Szenarien versteht sich der Film selbst als Erinnerung daran, wie nahe Verletzlichkeit und Ausgelassenheit in der Jugend beieinander liegen können. Kein Wunder also, dass auch die anderen Charaktere nicht zu Stereotypen verkommen, die um Christine kreisen, sondern ein heterogenes Eigenleben entwickeln. Ihre zwei Jugendbeziehungen bekommen von den Schwergewichten Lucas Hedges und Timothée Chalamet effektiv Tiefe verliehen, wie auch ihre beste Freundin von Beanie Feldstein demonstrativ gegen die Sehgewohnheiten agiert. Dennoch bezieht „Lady Bird“ die ganz großen Gefühle aus der faszinierend-wechselhaften Beziehung zwischen Mutter und Tochter, wobei Ronan und Metcalf einen bärenstarken Job leisten, die richtigen Zwischentöne zu finden. Das alles ist clever geschrieben, gefühlvoll gespielt und gerne auch richtig witzig. Wenn die beliebteste Schülerin der Klasse die uncoolen Kids natürlich nicht einmal mit Namen kennt, ist das ein Klischee, sorgt aber für das richtige Maß an Auflockerung. Visuell zeichnet sich besonders das letzte Drittel durch eine unglaubliche Wärme aus, die das Potenzial hat, bei mehrmaliger Sichtung des Films feine Nuancen erkennbar zu machen, die beim ersten Filmgenuss verborgen bleiben. Hier muss auch eine Warnung ausgesprochen werden: „Lady Bird“ ist definitiv einer der Filme, die man immer wieder sehen will, weil sie in einem den Wunsch wecken, mit den Figuren des Films befreundet zu sein. Und selbst, wenn es nur dazu dienen würde zu erfahren, wie es nach dem Einsetzen des Abspanns in ihrem Leben weiter geht.

Fazit: Autorenfilmerin Greta Gerwig weiß schon in ihrem Debüt eine stilsichere, scharfsinnige Eigennote in ein festgefahrenes Genre zu bringen. Viele Szenen, viele Situationen lässt sie dabei so schmerzhaft real werden, zeigt den Selbstfindungsprozess der Jugend so existentialistisch und radikal entromantisiert, dass ständig die Frage im Raum steht, wie vieles hier ihren eigenen Erfahrungen entsprechen könnte. Folgerichtig schließt „Lady Bird“ die Betrachtung eines Jahres im Leben der heranwachsenden Christine mit dem Erreichen der Volljährigkeit – nicht ohne zu verschweigen, dass das wahre Erwachsenwerden in vielen Dingen noch vor ihr liegt.

http://derkinoblog.de/lady-bird-kritik/
https://filmduelle.de/
https://letterboxd.com/casinohille/

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Re: Zuletzt gesehener Film

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iHaveCNit: (Straight To Home Cinema): Ingrid Goes West (Deutsches Veröffentlichungsdatum: 20.04.2018 / First Look: 2018)

Ein Film, dessen Thema sich für mich bereits interessant angehört hat, ist „Ingrid Goes West“. Ich hatte diesen Film schon sehr lange auf meiner Liste – umso cooler war dann die Veröffentlichung vor ein paar Tagen und die Sichtung liegt nun seit gestern hinter mir. Matt Spicers Film, in dem unter anderem Aubrey Plaza, Elizabeth Olsen, O´Shea Jackson Jr., Pom Klementieff und diverse andere mitspielen und Aubrey Plaza sogar mit produziert hat, ist eine interessante Momentaufnahme und Charakterstudie, die sich mit sozialen Netzwerken und ihren Folgen auseinandersetzt.

Wir begleiten Ingrid Thorburn, die nach dem Tod Ihrer Mutter vollständig allein und zurückgezogen lebt. Der einzige Lebensinhalt dieser psychisch labilen jungen Frau sind die sozialen Netzwerke auf ihrem Smartphone, allen voran „Instagram“. Sie verliert sich somit im Leben von anderen nahezu perfekten „Influencern“ und nimmt jedes Mittel in Kauf, diesen so nah wie möglich zu sein. So hat sie sich die „Influencerin“ Taylor Sloane aus Venice Beach ausgesucht um ein Teil ihres Lebens zu werden.

Der Film hat mir relativ gut gefallen. Allen voran ist es Aubrey Plazas Perfomance in der Hauptrolle der Ingrid Thorburn, die den Film eigentlich alleine trägt. Der Film schafft es dabei, ihren sehr fein ausgearbeiteten Charakter einer obsessiven und psychisch kranken onlinesüchtigen Frau trotz dem sehr grenzwertigen Stalking und fast kriminellen Eindringens in die Privatsphäre anderer Personen eine grundsätzliche Sympathie für sie und ihr Handeln zu wecken. Sogar so sehr, dass die „eigentlich Normalen“ in dieser Geschichte wie unverständnisvolle Unsympathen dargestellt werden und bei mir auch so angekommen sind. Der Film zeigt darüber hinaus natürlich auch mit gewissem Tiefgang die Folgen der Obsession und der Perversion von Sozialen Netzwerken wie „Instagram“, was an sich ganz interessant ist, auch wenn der Film hier keine direkten Lösungsansätze dagegen liefert und auch der Film nicht ganz wie eine Satire oder Schwarze Komödie rüber kommt, denn hier hat mir das gewisse Etwas gefehlt.

„Ingrid Goes West“ - My First Look – 7/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

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iHaveCNit – My masterpieces and faves – Episode 22
26.04.2018


Ein weiterer Film gibt sich die Ehre und reiht sich in die Liste folgender Filme ein:

Edge of Tomorrow
Collateral
Don Jon
The Last Samurai
Die Jagd
Die Insel
Rain Man
Unstoppable – Außer Kontrolle
Speed
The Town
Hercules
Eine Frage der Ehre
Black Rain
Planet Terror
Mad Max: Fury Road
Blood Diamond
Ohne Limit
Captain Phillips
Million Dollar Baby
Ex_Machina
The Insider

Das Kinowochenende vom 19.04.2018 war mit 4 Filmen unglaublich intensiv und gefüllt. Darunter war ein Film von Dan Gilroy und auch ein Film mit Jake Gyllenhaal. Somit habe ich mich nochmal mit dem Regiedebüt Gilroys und einer der besten Leistungen von Jake Gyllenhaal beschäftigt. Der Film ist einer meiner Lieblinge aus 2014 und einer meiner Lieblingsfilme. Die Rede ist von ...

„Nightcrawler“ (2014)
Regie: Dan Gilroy
Drehbuch: Dan Gilroy
Musik: James Newton Howard
Kamera: Robert Elswit
Schauspieler: Jake Gyllenhaal, Rene Russo, Bill Paxton, Riz Ahmed u.v.m.
Laufzeit: ca. 113 Minuten (DVD-Fassung)

Worum geht es in „Nightcrawler“ ?

Lou Bloom ist ein Kleinkrimineller, dem trotz einem abgeschlossenen Wirtschaftskurses der Erfolg auf dem Arbeitsmarkt nicht wirklich gelingt, so dass er sich mit immer wieder neuen Methoden Geld beschafft um sich durchzuhangeln. Bis er auf einmal mitbekommt, wie ein Kamerateam eine Unfallstelle filmt und er mit dem selbstständigen Kameramann über diese Tätigkeit spricht. Er kommt auf die Idee, das auch zu tun und er wird immer besser dabei, bis ihm jedes Mittel recht ist, das härteste Verbrechen für die Morgennachrichten filmisch aufzubereiten.

Warum liebe ich „Nightcrawler“ ?


Jake Gyllenhaal ist für mich immer ein Highlight meines Filmjahres. „Nocturnal Animals“ ; „Southpaw“ ; „Demolition“ ; „Enemy“ ; „Prisoners“ ; „Life“ ; „Stronger“ ; „Zodiac“ ; „Brokeback Mountain“ und „Nightcrawler“ - unglaublich wandelbar, unglaublich interessante Rollenauswahl und bisher meiner Meinung nach überfällig was Nominierung und Auszeichnung von Golden Globe bishin zu Oscar angeht. Der größte Snub von Jake ist für mich „Nightcrawler“ gewesen, denn hier liefert er für mich eine der besten schauspielerischen Leistungen der gesamten letzten Jahre ab. Wie er hier den ausgemergelten abgehalfterten Typen mit unglaublich fast krankhafter Obsession spielt und dabei so überzeugend wie abstoßend fast auswendig gelernt die abgefahrensten BWL-Sprüche zu unpassendsten und dann doch passendsten Momenten liefert. Lou Bloom ist ein unfassbar gut ausgearbeiteter Charakter und es ist krass, wie Rene Russo, Bill Paxton und Riz Ahmed als Nebendarsteller schon gute Leistungen liefern aber das weitere Feld Jake überlassen müssen.

113 Minuten ist dieser Film lang, der einen unfassbar coolen Aufbau hat. Ähnlich wie Michael Manns „Collateral“ zeigt er ein cooles Bild des Nachtlebens von L.A. - und der Aufbau des Films ist genauso ruhig und baut sich ganz schleichend bis zur Höchstspannung auf. Neben Jakes Charakter sind die Momente der Action und der Spannung bishin zu rasanten Montagen perfekt und abwechslungsreich. Neben der Charakterstudie liefert der Film eine unfassbar faszinierende und zugleich abstoßend bissige und böse Mediensatire, die den Voyeurismus in den Morgennachrichten mit Unfallmeldungen anprangert. Robert Elswits Kamera und James Newton Howards Musik schaffen mit Gilroys Drehbuch und Regie einen der unterschätzten Geheimtipps und besten Filmen des Jahres 2014.

„Nightcrawler“ bekommt von mir 10/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

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Mein letzter Film war ein Anime Film namens "Your Name - Kimi no na wa".
Er ist (zumindest für mich) ein recht komplizierter Film, da es etwa in der Mitte eine starke Wendung gibt, bei der man nicht so gaaanz mitkommt. Aber man kommt da langsam wieder rein.
(Tipp: hat was mit Zeit zu tun) Ohne viel Spoilern zu wollen, geht es grob darum, dass ein Großstadt Junge und ein Dorf Mädchen in ihren Träumen im Körper des anderen sind. (Heißt wenn der eine schlafen geht, steht der andere auf, wieso auch immer)
Und diese "Eingewöhnungszeit" der beiden zeigt sich dem Zuschauer recht lustig :lol:
Aber dennoch ist es ein ernster Film, mit, wie schon gesagt, einer extremen Wendung.
Nur zu empfehlen!
Heute ist Morgen schon Gestern.

Re: Zuletzt gesehener Film

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iHaveCNit: A Beautiful Day (2018)

Bei dem aktuell vermutlich übermenschlich großen Hype um „Avengers: Infinity War“ darf man meiner Meinung nach nicht vergessen, dass wir diese Woche auch einen unglaublich guten Rachethriller serviert bekommen. „You Were Never Really Here“ von Lynne Ramsay mit Joaquin Phoenix ist Gold wert. Es ist ganz witzig, dass Joaquin Phoenix vor Jahren mal in einem Film mitgespielt hat „I´m Still Here“ und nun der Film „You Were Never Really Here“. Warum man auch immer dem Film im Deutschen einen anderen englischsprachigen Titel gegeben hat ist etwas komisch – aber treffend, wenn es darum geht, dass ich an einem „A Beautiful Day“ „A Beautiful Movie“ gesehen habe. Und ich war definitiv dort !

Joe ist ein fürsorglicher Sohn mit einer dunklen Seite. Seine Vergangenheit hat seine Seele förmlich zerstört. Vergebung sucht er darin, als erfahrener Kämpfer vermisste junge Mädchen aufzuspüren. Als er die Tochter eines Senators rettet, begeht dieser scheinbar Selbstmord und die Tochter wird entführt. Nun steht er mit dem Rücken zur Wand und muss der Spur folgen, um Nina, die Tochter zu retten. Aber ob ihm das Vergebung geben wird ?

Habe ich oben „Rachethriller“ erwähnt ? Das ist dieser Film natürlich nicht, er ist weitaus mehr als das, was man im Actionsektor mit Filmen wie „Taken“ oder auch „The Equalizer“ serviert bekommt. Es ist ein unglaublich herausfordernder Film für Cineasten, die sich eine cineastische Herangehensweise bei Filmen wie den Genannten schon immer gewünscht haben. So wie ich. Die gebotenen Bilder, die gewählten Einstellungen, die Musik von Jonny Greenwood und allen voran Phoenix Darstellung ergeben einen unglaublichen Sog, der diesen Film so besonders macht und die 90 Minuten wie im Flug vorbeigehen lässt. Es geht hier weniger darum, die Gewalt zu zeigen – das was man nicht sieht bleibt der eigenen Phantasie überlassen. Es geht hier weniger darum, als Rachethriller zu funktionieren – es ist eine unfassbar gute Charakterstudie eines traumatisierten Mannes und das macht Phoenix so unglaublich gut. Das was diesen Film so unglaublich von anderen „Rachethrillern“ unterscheidet ist die Tatsache, dass hier kein Mann mit Drehbuch und/oder Inszenierung betraut ist, sondern eine Frau. Lynne Ramsay schafft es, hier die perfekte intime und psychologische und symbolische Sichtweise auf den Hauptcharakter und die Handlung zu erschaffen. Da ist es kein Wunder, dass Ihr Drehbuch und Phoenix in Cannes dafür ausgezeichnet worden sind. Und da ist es kein Wunder, dass der kleine Cineast in mir von diesem Film so reingezogen wurde, dass ich hier nur eine Wertung geben kann, weil dieser Film mit zu den Besten gehört, die ich dieses Jahr im Kino gesehen habe.

„A Beautiful Day“ - My First Look – 10/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

8713
iHaveCNit: (Straight To Home Cinema): Kickboxer: Die Abrechnung (deutscher Verkaufsstart: 27.04.18 / First Look: 2018)

Actionklassiker neu zu verfilmen ist in der Regel immer eine schlechte Idee. Aber als ich vor knapp 1,5 Jahren im Heimkino „Kickboxer: Die Vergeltung“ sehen konnte, war ich von dem mit Hommagen an den Jean-Claude Van Damme-Klassiker „Kickboxer“ gespickten Remake begeistert, weil er neben Jean-Claude Van Damme auch nette Nebenrollen mit Dave Batista und Gina Carano und nette Einfälle zu bieten hatte. Dementsprechend war es klar, dass auch die Fortsetzung gesichtet wird, die zwar auch nette Einfälle und diverse Gastauftritte zu bieten hat, alles aber eine weniger homogene Mischung bietet, was Stil und Ton angeht.

Kurt Sloane wird festgenommen und wandert für den Tod von Tong Po in den Knast. Dort macht er Bekanntschaft mit dem Promoter Mr. Moore, der ihn unbedingt zu einem Kampf mit dem Champion Mongkut überreden will. Als Druckmittel wird seine Frau entführt. So bleibt Kurt nichts anderes übrig als sich mit ein paar Insassen und seinem ehemaligen Trainer Durand auf den unausweichlichen Kampf mit Mongkut vorzubereiten.

War es im 1. Teil noch der etwas versierte John Stockwell mit der Regie, tritt hier der Produzent des 1. Teil, Dimitri Logothetis in Stockwells Fußstapfen. Das macht den Film zu einem extrem unberechenbaren, aber dadurch sehr unterhaltsamen Film. Es gibt unendlich viele Einfälle, die krampfhaft versuchen cool zu sein – in der Art der Kameraeinstellungen, der Musik, der Schnitte und auch der Beleuchtung. Alles wirkt aber so unglaublich unreal, dass vom Ton und Stil ein unglaubliches Durcheinander herrscht. Bei der Gastbesetzung eines Mike Tyson in einem Kampfsportfilm passt es schon, dass es auch zum Boxen kommt und wenn man den „Highlander“ Christopher Lambert castet, müssen sich auch mal Klingen kreuzen, aber wenn man einen Ronaldinho im Training des Hauptprotagonisten Tricks mit dem Ball aufführen und Bälle bolzen lasst, fragt man sich im Ernst was das hier zu suchen hat. Interessant ist dagegen eine Neuerung bei Van Dammes Charakter, die irgendwie auch eine Hommage an einen weiteren Klassiker von ihm ist. Und wann immer es passt, gibt es Kampfszenen und das nicht zu knapp – und das Finale mit dem isländischen Ex-Basketballer und Strongmen Hafbor Julius Björnsson, den die meisten aus Game of Thrones in der Rolle des „Mountain“ kennen werden, ist mit knapp einer halben Stunde extrem genug – auch wenn der Isländer nicht die kampferfahrene Athletik eines Dave Batista aus dem Vorgänger mitbringt. Alles in allem war ich von diesem Actiontrashfest unterhalten.

„Kickboxer: Die Abrechnung“ - My First Look – 6/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

8714
iHaveCNit: Flashback 2017: Simpel (2017)

Zu einer der wenigen Filme aus dem letzten Jahr, die ich noch sehen wollte, gehört die deutsche Tragikomödie „Simpel“, die die Vorlage eines französischen Romans in den deutschen Norden um und in Hamburg versetzt. Mit David Kross und Frederick Lau in den Hauptrollen wird hier ein warmherziger Roadtrip mit einer tollen Geschichte über zwei Brüder geboten, der mir auch aus persönlichen Gründen ans Herz gegangen ist. Für mich ist dieser Film die deutsche Version eines „Rain Man“.

Ben und Barnabas, der auch aus Gründen seiner geistigen Behinderung auch „Simpel“ genannt wird, sind zwei unzertrennliche Brüder. Als ihre Mutter stirbt, soll Barnabas in ein Heim – was sowohl Barnabas und auch Ben nicht wollen. So macht sich Ben mit Barnabas auf den beschwerlichen Weg nach Hamburg um dort den jahrelang abwesenden Vater aufzusuchen. Für beide Brüder folgt ein unglaubliches Abenteuer, das auch das Band der Brüder auf eine harte Probe stellt.

Da ich es aus privaten Gründen kenne, welche Opfer man für einen geistig behinderten Bruder bringt – und ich Filme schätze, die sich auch mit diesen Themen auseinandersetzen, war „Simpel“ auf jeden Fall ein Film, den ich sehen wollte. Nach der Sichtung wusste ich auch warum. Denn die Darstellung sowohl von Frederick Lau als Ben als auch David Kross als Barnabas ist so unglaublich warmherzig, gefühlvoll und sehr vielschichtig herausgearbeitet. Und auch die wichtigsten Nebenrollen mit Devid Striesow, Emilia Schüle, Axel Stein und auch Annette Frier sind toll geschrieben und gespielt. Dabei legt sich der Film nicht auf die eine Sichtweise gegenüber geistig behinderten fest, er liefert das gesamte Spektrum im Umgang mit geistig behinderten. Ich finde das sehr respektvoll, was mitunter nicht immer filmisch selbstverständlich ist, wenn man sich zum Beispiel filmisch über geistig behinderte lustig macht und sie zum Clown degradiert. Zum Glück ist das hier nicht so, auch wenn ich das im oft sehr klischeehaften und oberflächlich plakatierten deutschen Mainstream-Komödienkino auch zugetraut hätte. Jedoch hält sich dieser Film bei seinem kleinen Roadtrip etwas sklavisch an die klassische, fast episodenhafte Erzählweise, in der man von Ereignis zu Ereignis springt. Für die 114 Minuten fehlt ein wenig das Tempo in diesem Film, das aber durch die gefühlvolle und ruhige Erzählweise etwas kompensiert wird, um Momente einfach wirken zu lassen und mich hat der Film berührt und emotional mitgenommen. Für mich einer der besten Filme in diesem Jahr, die ich aus dem letzten Jahr nachgeholt habe.

„Simpel“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

8715
iHaveCNit: 7 Tage in Entebbe (2018)

Ein Film aus der Kategorie „Unter dem Radar“ stand nun für mich auf dem Programm. Ganz ehrlich habe ich von diesem Film nur kurz Notiz genommen, als die Besetzung von Daniel Brühl und Rosamund Pike für mich schon ein Grund waren, auf einen Veröffentlichungstermin des Films zu warten. Bis dieser dann heute am 3. Mai 2018 folgte und ich nur kurz vorher wenige Male mit dem Trailer im Kinosaal selbst konfrontiert worden bin. Und ich war von „7 Tage in Entebbe“ nun nach der Sichtung positiv überrascht, auch wenn einiges an Potential liegen geblieben ist.

27.6.1976 – Die zwei deutschen Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann sowie zwei palästinensische Terroristen kapern eine Air France-Maschine auf dem Weg von Athen nach Paris und zwingen diese zu einem Zwischenhalt in Entebbe, Uganda. Nicht nur innerhalb der politischen Ideologie Israels brodelt es in Bezug auf die Auflösung der Geiselnahme – auch auf Seiten der Geiselnehmer stehen zunehmend ideologische Konflikte hinter dieser Entführung im Weg.

Ich brauche nicht zu sagen, dass wer sowohl Fan von Rosamund Pike als auch Daniel Brühl ist, sich auf jeden Fall diesen Film ansehen muss, denn beide sind hier sehr gut im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Dieser auf reellen Tatsachen fußende Erpressungs- und Entführungsthriller hat in seinem Aufbau leichte Ähnlichkeiten wie ein „Zero Dark Thirty“, ein „Argo“ und auch „München“. Nur kann er nicht so stark punkten wie diese Filme. Dafür ist sein Aufbau eben sehr klassisch linear und auch ohne Kenntnisse der Ereignisse unüberraschend vorhersehbar. So werden wir abwechselnd Zeuge, wie man auf Seiten der Geiselnehmer, der Politik und auch des Militärs mit diesem Ereignis umgeht. Auch wenn die hin und wieder parallel mit rein geschnittenen Szenen eines Balletttheaters symbolisch für das israelische Volk für Frieden und Hoffnung stehen soll, so finde ich bis auf den treibenden Soundtrack die Parallelmontagen hier wenig förderlich. Die größte Stärke des Films ist seine vielschichtige Ausarbeitung der Charaktere, der unterschiedlichen Seiten und ihre Motive, so dass man hier nie auf plumpe manipulative Art genau die eine Sichtweise diktiert bekommt, wie man darüber denken soll. So werden kurzerhand auch Terroristen als Freiheitskämpfer in ein komplett anderes Licht gerückt. Nur leider schafft der Film es in der Kürze seiner Zeit nicht ganz alle Motivationen mit einem großzügigen Tiefgang auszustatten, weil ja noch die Geiselnahme aufgelöst werden will.Es wird auch noch für solche historische Ereignisse semidokumentarisch auf Original-TV-Aufnahmen und diverse Texteinblendungen zur Situation danach und aktuell gesetzt. Bei „7 Tage in Entebbe“ wäre für mich definitiv mehr drin gewesen,
auch wenn mir der Film gefallen hat.

„7 Tage in Entebbe“ - My First Look – 7/10 Punkte.
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