GoldenProjectile hat geschrieben:Dann hast du Irrational Man jetzt gesehen? Mir gefiel der ja sehr gut.
Ich fand ihn amüsant, allerdings mit zunehmender Laufzeit schwächer werdend und angesichts Allens Vorwerk unverkennbar mit bereits sehr ähnlich behandelten Themen bestückt. Unterm Strich ein netter 7-Punkte-Film, aber dann auch ein gutes Beispiel dafür, was mir gegenüber Allens Klassikern fehlt.
GoldenProjectile hat geschrieben:Ich finde schon etwas schade, dass du mit Allen so gesehen nicht mehr viel anzufangen weisst.
Das habe ich so aber nicht zum Ausdruck bringen wollen. Es ist immer noch gehobenes Kino und ich schau mir die meisten seiner Filme ja auch an, aber wie gesagt fehlt mir da etwas. Eigentlich recht ähnlich wie bei Bond, nur dass Allen glücklicherweise seltener daneben haut.
GoldenProjectile hat geschrieben:Ich habe volles Verständnis dafür wenn ein Allen oder auch ein Eastwood mit über 70, geschweige denn über 80, keine regelmässigen Rollen mehr spielen und erfreue mich umgekehrt umso mehr daran, dass sie auch in diesem sehr hohen Alter noch Filme drehen. Der Blickwinkel eines langjährigen Allen-Kenners mag da natürlich etwas anders sein.
Allens Verkörperung des „Stadtneurotikers“ trug wie ich finde stark zu Identität seiner Filme bei wie auch der Handlungsort New York. Allein diese beiden Aspekte bzw. ihr Fehlen tragen in seinem jüngeren Werk schon zu einem etwas anderen Stil bei. Auf Allen als Darsteller zu verzichten ist wie ich finde auch noch härter als auf Eastwood, da er seine Paraderolle auch im höheren Altern immer noch überzeugend spielen könnte im Gegensatz zu Dirty Clint. Ich sehe ein, dass die romantische Komponente bei Allen zu bedeutsam ist, als dass er noch wirklich als Protagonist in Frage käme, aber zumindest als Nebendarsteller in der Größenordnung wie in Hannah und ihre Schwestern wäre das immer noch problemlos möglich. Es ist hart auf Allen als Schauspieler zu verzichten, sein Werk als Darsteller ist für mich genau so wichtig und bedeutend wie als Regisseur, auch wenn das gerne etwas als Beiwerk abgetan wird. Aber eigentlich alle seiner Klassiker hätten mit einem anderen Hauptdarsteller nicht so gut funktioniert wie sie es mit ihm tun, der sich die Rolle auf den Leib geschrieben hat und der sie oftmals auch wirklich verkörpert.
Maibaum hat geschrieben:Ich finde dagegen, Anatol weiß das, daß Allen auch in den letzten 15 Jahren immer wieder großartiges gemacht hat, einige seiner Besten überhaupt stammen aus der Zeit.
Ich weiss, aber z.B. der viel gelobte Match Point ist für mich nur eine zu lange Variation eines zuvor bereits deutlich besser bearbeiteten Themas.
Maibaum hat geschrieben:Anatol, wo du einen stilistisch moderneren Ansatz siehst ist mir ein Rätsel?
Na allein schon dadurch, dass Allen kaum mehr selber mitspielt und viele Filme außerhalb New Yorks spielen ergibt sich ein deutlicher Bruch zum „klassischen“ Vorwerk Allens. Es ist aber mehr, Allens Einsatz von digitaler Fotografie und gewöhnungsbedürftiger „modernere“ Farbgebung weichen sehr deutlich von vielen seiner früheren Filme ab, die eine eher warme Farbgebung hatten und einen sehr klassischen, „analogen“ Look. Midnight in Paris sieht z.B. durch den irritierenden Gelbstich und die „matschige“ Auflösung sehr künstlich aus, was bedauerlich ist da gerade dieser ansonsten so gelungene und inhaltlich so klassische Allen-Film wie ich finde gerade durch Allens „klassischen Look“ erkennbar profitieren würde. Natürlich ist es bei einem so umfangreichen und dadurch zwangsläufig auch recht heterogenen Werk wie dem von Allen schwierig verallgemeinernde Aussagen zu treffen, aber viele seiner jüngeren Filme sind nach meinem Ermessen doch erkennbar kühler und eben „moderner“ fotografiert.