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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Ich habe die zweite Düne mittlerweile gesehen und bin relativ fassungslos ob der enorm positiven Kritiken. Der derzeit überschätzteste Filmemacher der Welt strikes again ... oder so.
Jedenfalls ist "Mehr Sand" - wie erwartet - ein extrem aufgeblasener und pompöser Film, in dem drei Stunden lang eine absolute Minimalsthandlung verzweifelt versucht, die vielen Explosionen und Schlachten zwischen den immer gleichen zwei Parteien irgendwie zu rechtfertigen. Inmitten dieses absurd gewaltigen Bombasts, der andere Hollywood-Blockbuster wie Tele5-Produktionen ausschauen lässt, spulen Timothée Chalamet und Zendaya die Geschichte ihrer Figuren ab, die im größtmöglichen Kontrast zum Spektakel enorm klein und reduziert ausfällt. Die erste unsäglich langweilige Stunde ist eigentlich ein Wechselspiel aus Krawall und introspektiver Sinnsuche, die - logisch - noch nirgendwo ankommt, weil ja a) noch zwei Stunden folgen und b) auch noch ein dritter Film angehangen werden soll, in dem die Bene Gesserit oder die Harkonnen dann gewiss noch mehr über die tragische Natur des Kwisatz Haderach bedächtig murmeln dürfen.
Nun will ich nicht unfair sein: "Lawrence von Arrakis" war schon im ersten Teil kein "Dutzendblockbuster" der Hollywood-Fließbandschmiede, und dieser Vorwurf lässt sich trotz viel mehr wüstem Wüsten-Geballer auch der Fortsetzung nicht machen. Es sind Auteur-Filme, stark getrieben von der klaren Vision eines Denis Villenneuve. Wobei: Abseits eines extrem schwerfällig, bleiern-schweren Märtyrer-Pathos ist die Vision vielleicht gar nicht so klar. Irgendwie soll hier ja die Geschichte eines widerwilligen Messias erzählt werden, einer Erlöserfigur, die geplagt ist durch die katastrophale Prophezeiung, welche ihr Siegen und Scheitern vorhersagt. Eine ödipale Tragödie also, ein Actionfilm voller Pyrrhussiege, über einen jungen Mann, der mit aller Gewalt ein gewaltsames Handeln vermeiden will, und es dabei erst heraufbeschwört.
Man könnte sagen, es liegt etwas Urgewaltiges im Kampf gegen das eigene Schicksal, etwas im Kern Essentielles, doch als Geschichtenerzähler kannte Villeneuve noch nie das Wahrhaftige, nur das Offensichtliche. Pauls Hadern mit seiner Bestimmung ist nicht durch Ambiguität geprägt, sondern durch die banale Frage, ob dieser "gute Junge" schon bald ein "böser Mann" sein könnte. Sein Widersacher, der im Vorgänger noch ausgespart wurde, wird von Villeneuve in diesem zweiten Teil nun endlich eingeführt, in einer Art Gladiatorenkampf (... in SPACE!), gefilmt in Schwarz-Weiß, und damit farblich ähnlich binär wie die moralische Achse, auf der alle Charaktere hier verteilt sind. Entwickeln darf Paul sich nicht, nur dem unausweichlichen Willen seines Erzählers annähern. Die größte Charakterwandlung, die Chalamet zu spielen bekommt, ist die Lautstärke seiner Dialoge, die er zu Beginn noch meist flüstert und gegen Ende vermehrt schreit. Ein Film, der nicht das beste, sondern stets das größte Bild sucht, verwechselt eben Lautstärke mit Bedeutung.
Natürlich, man kennt ja seine Pappenheimer, liegt der Fokus vor allem auf der Gestaltung einer Kino-Erfahrung. Wie im Vorgänger sorgt Hans Zimmer dafür, dass sich das Publikum drei Stunden lang angebrüllt fühlen darf, dass die schiere Wucht des Sounds (sofern die Lautsprecher nicht übersteuern) einen körperlichen Druck in den Kinosessel erzwingt. Die Figuren sind Schachfiguren, Teil der Bildgestaltung, und - passend zur kargen Wüstenlandschaft - meist eher Silhouetten als Akteure. Selbst wenn Paul auf einem gigantischen Sandwurm gegen eine Wolkenkratzer-hafte Discokugel in den Kampf zieht, soll das im Kern eher pulpige Design unbedingt als zwingende Notwendigkeit der Experience erscheinen.
Diese Kino-Erfahrung wird in Teil 2 ebenso radikal durchgezogen wie zuvor und selbst in den ruhigsten Charaktermomenten konsequent nach dem epischsten, größtmöglichen Bild gesucht. Wie verzweifelt und lausig hier Wucht und Gravitas erzwungen werden sollen, zeigen insbesondere die Frauenfiguren. Neben Zendaya haben es jetzt noch Lea Seydoux und Florence Pugh in tragende Rollen geschafft, doch interessantes sagen oder tun dürfen sie alle nicht. Stattdessen ist vor allem Pugh gänzlich darauf beschränkt, zu posieren, wie ein Ausstellungsstück zum Teil der Kulisse zu werden. Sie ist da, um angeschaut zu werden. Dabei liegt im Kern der Geschichte gerade in diesen Frauenfiguren drin, was Frank Herbert (Autor der Romanvorlage) eigentlich kommunizieren wollte: Die Machtstrukturen, die eine gewalttätige Instrumentalisierung von Religion und Aberglauben ermöglichen, will dieser Film aber weder demaskieren noch aufzeigen, er inszeniert gekonnt an ihnen vorbei.
Selbst wenn man in der ersten Reihe dieses Films Platz nimmt und die womöglich gewaltige Leinwand direkt vor sich hat: Letztlich bleibt die Haltung zu den Figuren sehr distanziert. Ich fühlte mich wie Ryan Goslings Charakter im 2049er Klingenläufer, der dort gerne mal mehrere Minuten durch einfarbige Bild-Impressionen wanderte, und dabei ohne Regung nach irgendetwas suchte, was die Handlung um ihn herum voranbringen könnte. Wenn man bei einer Tennis-Partie so weit entfernt steht, dass man den Ball nicht mehr erkennen kann, ist es schwer, mit den Spielern mitzufiebern und den Verlauf ihres Matches nachzuvollziehen. Es blieb der Eindruck, einen visuell auf technische und handwerkliche Disziplinen reduziert herausragenden Film gesehen zu haben, der auf seinen künstlerischen Höhepunkten mir aber dennoch nur ein Achselzucken entlocken konnte. Nun kann man sicher anfügen: "Na, immerhin ..."
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Let the sheep out, kid.