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von Victor 'Renard' Zokas
Agent
Als ich mich gerade in den Anfängen meiner Bond-Leidenschaft befand, wurde Daniel Craig als neuer James Bond vorgestellt. Ich kann mich noch erinnern, dass ich mir den blonden Typen aus "München" so überhaupt nicht als James Bond vorstellen konnte. Zumal mir DAD beim ersten Sehen hervorragend gefallen hatte, und Pierce Brosnan schon noch den ein oder anderen Film hätte drehen können. Doch mit jedem weiteren Film, den ich gesehen habe und vor allem durch die Lektüre von Ian Fleming's Casino Royale war sogar mir irgendwie klar, dass man für CR einen anderen Ansatz brauchen würde als zuletzt für DAD. Die ersten Schlagzeilen (Craig kann nicht Auto fahren, braucht Schwimmweste etc.) liessen eigentlich noch nichts gutes verlauten doch meine Skepsis war zumindest schon teilweise mit dem Erscheinen des Teaser Trailers verflogen. Im September habe ich mich dann hier im Forum angemeldet, sodass ich zumindest das Ende der Produktion noch ein bisschen mitverfolgt habe. Eigentlich will ich aber darauf raus, dass CR der erste Bond war, den ich im Kino gesehen habe (und das sogar mehrmals) und im November 2006 war ich völlig umgehauen.
Ich war begeistert, wie die Produzenten das spannende Buch von Fleming genial ins 21. Jahrhundert übertragen haben. So hat man kurzerhand die komplette erste Hälfte dazuerfunden, da eine reine Pokerpartie viel zu wenig für das action-verwöhnte Publikum gewesen wäre. Anders als im Buch verschuldet auf eine gewisse Weise Bond selber, dass Le Chiffre sehr viel Geld verliert und das Pokerturnier stattfindet. Ebenso begeistert war ich von dem Mut der Produzenten, Bonds ersten Roman auch auf irgendeine Weise zu einem Art ersten Film werden zu lassen (auch wenn CR für mich Bond21 ist) und damit die Möglichkeit zu haben, die Charakterzeichnung- und Entwicklung für Bond-Verhältnisse in eine komplett andere Dimension zu bringen.
Wie jeder Darsteller vor ihm hat auch Daniel Craig eine kurze und einprägsame PTS und genau durch diese 2 Morde wird James Bond zu 007. Auf der einen Seite ist er zwar eiskalt, doch besonders in der Toilette sieht man in Daniel Craigs Gesicht eine Abscheu vor der eigenen Tat und Zweifel an der Richtigkeit seiner Handlungen. In den Credits wird das Thema Poker sehr schön verarbeitet und zu Ende wie gesagt der "00" Status bestätigt. Ganz in der Tradition alter Filme bekommen wir direkt danach den Bösewicht präsentiert, auch wenn wir noch nichts über seine Motive und seine Pläne wissen. Die Location und Stimmung in Uganda, sowie die Hinweise auf Le Chiffres Beruf (Terroristen-Bänker) lassen eine deutlich realistischere und bodenständigere Story vermuten.
Und so kommt es dann auch. Nachdem Bond mehr oder weniger unfreiwllig Le Chiffres Pläne am Aktienmarkt durchkreuzt wird er von M zum Pokerturnier nach Montenegro geschickt. Dieses Pokerspiel hätte leicht langweilig werden können, doch durch das wirklich tolle Drehbuch wird es immer wieder unterbrochen von spannenden Actionszenen, tollen Dialogen oder auch mal mit Bonds Vergiftung. Die anschließende Autoverfolgungsjagd hätte durchaus noch ein paar Sekunden länger gehen dürfen, mit dem spektakulären siebenfachen Überschlag von Bonds Aston Martin kommt es zu der wohl schmerzhaftesten, düstersten und spannedsten Folterszene der gesamten Bond-Geschichte. Was Craig und Mikkelsen hier abziehen ist schon sensationell.
Gegen Ende trägt Martin Campbell dann nochmal richtig dick auf, im Gegensatz zum Buch hat CR noch einmal eine richtig bombastische Actionszene als Showdown, wenn dann in Venedig mal so eben ein ganzer Pallazo untergeht, und Vesper wird mehr oder weniger zum Selbstmord gezwungen, nachdem Bond sich ernsthaft verliebt hatte und seinen Job aufgeben wollte. Und wenn Bond sich zum Ende hin Mr. White vorstellt und dabei das Bond-Thema erklingt, bekomme ich noch heute eine Gänsehaut.
CR ist in meinen Augen der Bond-Film, welcher am meisten Wert auf Charakterentwicklung und zwischenmenschliche Beziehungen legt und hat hierfür einen hervorragenden Cast. Und dennoch wartet der Film mit spektakulären und vor allem handgemachten Actionszenen auf. Wie Daniel Craig sein schauspielerisches Talent mit in die Rolle trägt ist einfach Wahnsinn. Er vereint die Coolness Pierce Brosnans, die Ironie Roger Moores, den Charme Sean Connerys und die charakterliche Tiefe und Härte eines Timothy Dalton zu einem James Bond, welcher in jeder Sekunde zu überzeugen weiss..in Actionszenen genauso wie in emotionalen Augenblicken. Natürlich profitiert er von einem hervorragenden Drehbuch it den vermutlich besten Dialogen der gesamten Reihe und von sehr starken Schauspielern wie Mads Mikkelsen, Judi Dench, Eva Green, Giancarlo Gianini oder Jeffrey Wright.
Besonders interessant finde ich, wie viele Momente genauso aus einem der ersten Sean Connery Filme hätte stammen können: Der Crash mit dem Range Rover auf den Bahamas, die Fahrt im Taxi mit Vesper, der Kuss als Tarnung im Casino, die Sprüche gegen Le Chiffre. In meinen Augen steckt in CR sehr viel James Bond, nicht nur aus den Romanen, sondern auch aus den Filmen. Nur ist dies nicht so offensichtlich wie gegen Ende der Brosnan-Ära sondern klug verpackt in einem neuen Outfit.
Mir jedenfalls gefällt Casino Royale als Wegweiser in die neue Richtung sehr gut und Daniel Craig ist, nachdem Pierce Brosnan James Bond erfolgreich ins neue Jahrtausend gebracht hat, der erste James Bond der 2000er und ich freue mich auf jeden weiteren Film mit ihm.
Wenn man CR etwas vorwerfen kann sind es Kleinigkeiten wie ein fehlender Handlanger Le Chiffres, der bubihafte "Mr. Moneypenny", der Ms Telefonate entgegennehmen und ihre Aktentasche spazierentragen darf und eventuell die Gesamtaufteilung des Filmes. Alles was vor Montenegro passiert, hätte ein paar Minuten kürzer gehen dürfen, vor allem die Actionsszene in Miami ist doch arg lang.
Dennoch ein großes Kompliment an Regisseur, Produzenten und Drehbuchschreiber und die gesamte Crew und Darstellerriege für einen grandiosen James Bond Film. Casino Royale erhält von mir 9,5 Punkte.
"The name's Bond. James Bond."