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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Fluch der Karibik - The Curse of the Black Pearl
Kaum eine schauspielerische Leistung wurde in den 2000er Jahren so sehr gewürdigt und angepriesen wie Johnny Depps Darbietung des kauzigen und liebenswerten Piratenkapitäns Jack Sparrow im 2003 erschienenen "Fluch der Karibik", mit dem Produzent Jerry Bruckheimer den totgeglaubten Piratenfilm wiederbeleben wollte. Doch ohne Depp wäre ihm dies wohl nicht gelungen: Seine eigenwillige Pirateninterpretation, die irgendwo zwischen tollpatschig, lächerlich, arrogant, selbstverliebt, brillant, intrigant und bekifft angelegt ist, spielt Depp mit solcher Hingabe, dass man sich noch in Jahrzehnten an diese Type erinnern wird. Wenn er (immer zwischen sämtlichen Extremen wandelnd) die Arme hochreißt, einen leicht "tuntigen" Gang an den Tag legt, beim Sprechen die Worte vor sich hin nuschelt und dazu herrlich köstlich einprägsame Sprüche vom Stapel lässt, hat man sich längst in diesen eigenwilligen Protagonisten verguckt und möchte Depp noch stundenlang beim Spielen zusehen.
Doch auch sonst macht "Fluch der Karibik" viel richtig, eben dadurch, dass der Film sich nicht als simple Komödie verkauft, sondern immer zwischen dem klassischen Abenteuerfilm à la "Jäger des verlorenen Schatzes" und vielen gelungenen Slapstick-Elementen wandelt. Dieser Mix hält den Film am leben, wäre er zu ernst, würden Piraten-Klischees wie der "Arrr"-Ausruf wohl unfreiwillig peinlich werden, wäre er zu komisch, hätte man es mit einer ermüdenden Parodie zu tun. Viel raffinierter also, Depp mit dem äußerst charismatischen Orlando Bloom einen zweiten Protagonisten an die Seite zu stellen, der eine deutlich "normalere" Rolle einnimmt und den klassischen Heldentypus darstellt, der die schöne Maid in Not retten will. Bloom und Depp funktionieren als Duo eben aufgrund ihrer Gegensätzlichkeit hervorragend und bilden ein filmisches Oxymoron, dass beide zusammen als Charaktere noch interessanter macht. Mit der zuckersüßen Keira Knightley als besagte Damsel In Distress und den sichtlich genussvoll schaurig agierenden Geoffrey Rush als verfluchten Fiesling sind die übrigen zwei benötigten Parts ebenfalls höchst passend besetzt und beide tragen durch ihre (bewusst formelhaft angelegte) Darstellung viel zum Abenteuerflair des Filmes bei. Zusätzlich anerkennend (und der Glaubwürdigkeit der Darsteller stets fördernd) zu nennen ist die tolle Ausstattung, Kostüme, Frisuren, Gebäude, alles ist bis ins Detail akribisch genau umgesetzt und überraschend gut recherchiert, wenngleich natürlich nicht alles historisch genau umgesetzt wurde.
Wenn "Fluch der Karibik" allerdings für eines neben Depp wirklich volle Anerkennung verdient, dann für den traumhaften Soundtrack. Klaus Badelt, der gemeinsam mit Hans Zimmer an der Musik arbeitete, entwarf träumerische und atmosphärische Melodien, wie sie nur zu einem Film passen können, der in der Karibik spielt. Besonders das legendäre Hauptthema hat alles, was auch der Film widerspiegelt: Hohes Tempo, viel Spektakel und dabei doch viel charakteristisches, eine gewisse Individualität. Dass die Karibik selbst als Location eine wunderschöne Kulisse darstellt, ergibt sich von selbst, doch weiß der Film durchaus auch viel mit ihr anzufangen. Gerade die eigenwillige Atmosphäre wird durch zahlreiche Landschaftsaufnahmen geschickt eingefangen und der mystische Anstrich der Inselkulissen bei Nacht durch nicht minder mystische Inhalte widergespiegelt, die clever klassischen Seemannsgarn weben und so trotz (oder wegen?) ihrer Übernatürlichkeit eine gewisse Authenzität in die Ereignisse bringen. Authentisch ist auch die Inszenierung der Actionszenen. Die Schwertkämpfe sind mit sichtbarem körperlichen Einsatz verbunden und die Choreographien treffen genau den richtigen Grad zwischen einer gesunden Härte, entsprechender Übersichtlichkeit, aber gleichzeitig auch ordnetlicher Schnelle und Gefährlichkeit, sodass man nicht grade wenig Bewunderung für die Akteure aufbringt und sich beinahe selbst wünscht, die Degen zu ziehen und zu kämpfen. Nicht nur in der Action, auch in der Opulenz der Bilder, den riesigen Schiffen, die durchs Meer peitschen und den faszinierend gelungenen Spezialeffekten sieht man, wieviel mit 140 Millionen machbar ist. Und wenn das alles dann immer schön brav durch Depp aufgelockert wird, fühlt man sich einfach nur glänzend unterhalten.
Aber auch wenn das hohe Tempo und die enorme Lebendigkeit und Frische von "Fluch der Karibik" Spaß bringt, so gibt es dennoch einiges, was man leider bemängeln muss. Die untoten Gegnerhorden mögen auf dem Papier eine spektakuläre Idee gewesen sein und sind eindrucksvoll getrickst, doch irgendwann ermüden die zahlreichen Kämpfe gegen sie ziemlich, auch, weil ihre Unbesiegbarkeit sich letztlich abnutzen tut. Dies liegt vor allem im größten Problem des Filmes begründet: Seine Länge. Mit 143 Minuten ist "Fluch der Karibik" mindestens eine halbe Stunde zu lang und pendelt grade im letzten Drittel etwas unmotiviert vor sich hin, scheint den Abschluss zu sehr aufschieben zu wollen. Mit einer etwas auf den Punkt gebrachteren Erzählung wäre hier wohl ein Meisterwerk des Unterhaltungsfilmes drin gewesen.
Fazit: Die Renaissance des Piratenfilmes hat "Fluch der Karibik" vielleicht nicht ausgelöst, doch allein mit einer Freizeitattraktion des Disneylands als Vorlage schuf Regisseur Gore Verbinski einen zeitlosen Abenteuerklassiker, der sich nie zu ernst nimmt und besonders durch einen kaum in Worte zu fassenden Hauptdarsteller selbst eine vergnügliche und aufregende Attraktion geworden ist. Dabei wird das Rad zwar nie neu erfunden und zum Ende hin mag das stabile Konstrukt etwas ins Wanken geraten, die Zutaten alleine sind dafür jedoch derart stimmig angeordnet, dass man seinen Spaß mit "Fluch der Karibik" haben kann und fortan jedem Film einen Charakter wie Jack Sparrow wünscht, der in seiner Einzigartigkeit zu dem Erkennungsmerkmal des Filmes geworden ist und mit seiner ganzen Art seinem Vorbild, der "Rolling Stones"-Legende Keith Richards, alle Ehre erweisen dürfte und Lust auf mehr macht.
8/10
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Let the sheep out, kid.