StellaPolaris hat geschrieben: 12. Januar 2022 10:30
danielcc hat geschrieben: 7. Januar 2022 13:20
Ich habe aber noch gar kein Argument gehört dafür, dass es eine Anbiederung an gesellschatliche Korrektheit gebe. Zumindest keinen Unterschied zu früheren Filmen.
Dann hast Du einige Beiträge hier entweder nur selektiv gelesen oder gelesen und direkt wieder ausgeblendet. Denn die gab es ...mehrfach.
Die gab es auch außerhalb dieses Forums vielerorts. Man muss das aktiv übersehen wollen im Film, um sich die Frage zu stellen, wie manche (nicht alle!) Zuschauer so empfinden können. Nomi ist ja nicht "zufällig" mit einer jungen, schwarzen Frau besetzt worden, das ist Kalkül. Die Rolle war von Vornherein darauf ausgelegt, die aktuellen identitäts- und genderpolitischen Diskussionen (auch rund um eine Neudefinierung der Bondfigur) aufzugreifen. Nomi ist das größtmögliche Gegenstück zur oft als veraltet kolportierten weißen Männlichkeit. Sie ist eine Rolle, bei der Geschlecht und Hautfarbe schon im Drehbuch mitgedacht sind. Und damit ist sie vielleicht nicht zwingend eine "Anbiederung an gesellschaftliche Korrektheit", aber sie ist natürlich ein Kommentar zu diesen PC-Diskussionen seitens der Macher. Man kann die Figur mögen und Lashana Lynch in der Rolle cool finden, und trotzdem sehen, was das Ziel dieses Charakters gewesen ist. Nomi ist quasi eine Geste, ein "Meta"-Witz zu den Debatten um das Franchise herum.
Eine richtige PC-Figur ist sie nicht, alleine schon, weil das Script gar kein Interesse daran hat, diese Themen ernsthaft zu verhandeln. Der Film nimmt nie ihre Position ein oder gibt sich viel Mühe, ihre Perspektive zu zeigen. Eine schwarze 007 hätte, wenn man wirklich eine PC-Veranstaltung aus dem Film hätte machen können, dann wäre Nomi die perfekte Symbolfigur gewesen, um eine postkoloniale Einstellung aufzuzeigen, während unser James die alte Kolonialordnung des Commonwealth ja die letzten 60 Jahre gerne aufrechterhalten hat. Sowas macht NTTD nicht, es bleibt ein Film, der die hegemoniale Sichtweise nie verlässt. DAS wäre wirklich neu und eine Kursänderung für die Reihe gewesen, es ist aber nicht das Interesse von Barbara Broccoli, Michael G. Wilson, Daniel Craig und Cary Joji Fukunaga. Sie begnügen sich mit ihrem performativen Ansatz, der so ist, wie Daniel es beschreibt: Eine schwarze, weibliche Agentin kann auch kompetent sein. Aber am Ende muss es ausschließlich um James Bond gehen.
Man kann das dann andersrum auch deshalb wieder als Anbiederung sehen, wenn man denn möchte, weil dieser Ansatz eben nur so halbherzig verfolgt wird. Weil man sich in PC-Gefilde begibt, aber eigentlich gar keine Lust hat, sich ernsthaft mit den Strukturen der Bondreihe auseinander zu setzen. Weil man solche Figuren jetzt schon irgendwie inkludieren will, aber es für das große Finale nur um Daniel Craig und seinen James Bond gehen darf. Oder man sieht es umgekehrt und sagt: Ist doch toll, dass sie überhaupt darauf eingehen, sich dieser Debatten bewusst sind, auf Trends eingehen – ohne 007 (den Mann, nicht die Frau) zu verwässern und aufzugeben.
Ich denke, eine definitive Antwort darauf werden wir hier im Forum nicht formulieren können, nur unterschiedliche Wahrnehmungen. Interessant wäre, mal von einer jungen, schwarzen Frau in Nomis Alter zu hören, wie ihr die Figur gefallen hat: War es für sie angemessene Repräsentation? Empfand sie das Statement als verschenkt? Aber auch das wäre nur eine Einzelmeinung, die uns keine Wahrheit darüber liefern kann, wie wir Nomi jetzt zu betrachten haben.
Einen einzigen Moment gibt es, in dem Nomis Hautfarbe, ihre Perspektive auf die Dinge tatsächlich Thema wird – im Showdown droht der Wissenschaftler, man könne die Nanobots nutzen, um gezielt afrikanische Völker zu vernichten und auszulöschen. Da wird dann aus dem angepeilten globalen Genozid auf einmal ein rassistisches Hassverbrechen, ein gezielt gegen ethnische Gruppen gerichteter Anschlag. Für Nomi ist das sichtlich der ausschlaggebende Faktor, den rassistischen Verbrecher in Säure zu baden. Sie handelt für einen kurzen Moment nicht professionell, sondern wird emotional, persönlich. Sie geht auf seine Provokation nicht ein, sondern beendet das Gespräch umgehend – und das sehr final für ihr Gegenüber.
Auch hier gilt: Man kann diesen Moment als Pointe feiern, als gelungener kleiner Seitenhieb gegen rassistische Schwachmaten überall auf der Welt. Man kann es als Statement der Produktion sehen oder als den zaghaften Versuch, Nomi zu einer interessanteren, dreidimensionaleren Figur zu machen. Man kann sich auch stark an der Szene stören – denn das gerade ein so cleverer Wissenschaftler, der immerhin genetisch codierbare Nanobots entwickelt hat, hier faktisch seit Ewigkeiten widerlegte, vollkommen dumme und menschenfeindliche Theorien nachfaselt, nach denen afrikanische Völker genetisch von anderen Menschengruppen distinkt wären, ist schon ein schwerer Brocken zu schlucken. Da scheiden sich dann die Geister: Ist das alles einfach harmlos und gut gemeint, in seiner Offensichtlichkeit zu viel des Guten oder in seiner Konsequenzlosigkeit insgesamt zu wenig?