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von craigistheman
Agent
War gestern Abend in MI:6 und wollte ebenfalls meinen Senf zu dem so heiß diskutierten Streifen abgeben.
Vorweg, ich bin kein Fan der Reihe. Bis dato konnten mich auch nur zwei Filme wirklich überzeugen, es handelt sich um MI und MI:3. Ich bin also relativ entspannt und ohne all zu großen Erwartungen ins Kino gegangen - im Wissen, dass ich auf diese Weise auch nicht enttäuscht werden kann. Eigentlich hat mich der neue MI gar nicht interessiert, bis ich auf Youtube zufällig auf ein Featurette gestoßen bin, das Tom Cruise bei der Ausführung der Motorrad-Stunts zeigte.
Auf keinen Fall bereue ich das Eintrittsgeld. Es wird genau das geboten, was für einen Film dieses Genres und dieser Budget-Klasse zu erwarten ist. Da wäre für mich als erstes die ausgezeichnete Regie-/Kameraarbeit zu loben. Selten wurde ich in den letzten Jahren so immersiv in ein völlig fantastisches, den physikalischen Gesetzen widersprechendes Geschehen involviert - Wahnsinn. Die Action an sich ist rundum gelungen, wenn auch nicht bahnbrechend innovativ oder Maßstäbe setzend, wie ich es schon vermehrt lesen konnte. Viel wichtiger ist meines Erachtens ohnehin der Rhythmus, den so ein Film braucht, und der sitzt auf alle Fälle. In dieser Hinsicht gibt es nichts zu meckern. Hinzu kommt eine Prise Leichtigkeit, Humor und Selbstironie - gerade genug, dass es angenehm ist und nicht so gezwungen rüber kommt wie in den beiden Vorgängern.
Der Plot selbst konnte mich nicht wirklich vom Hocker hauen, es werden wieder einmal die typischen Genreklischees abgegrast, die Twists sind vorhersehbar, man kennt sie alle bereits aus den Vorgängerfilmen. Auch das war aber irgendwo zu erwarten und stört mich nicht weiter. Teilweise wurden recht offensichtliche Anleihen an die letzten Bondfilme gemacht (z.B. heutige Relevanz von MI6, ehm sorry IMF), was meiner Empfindung nach auch stilistisch auffällt. Allerdings schafft es McQuarrie die Stadt London um ein vielfaches interessanter und moderner in Szene zu setzen als Mendes. Überhaupt sind alle Locations schlüssig und gekonnt in den Plot integriert und sehen fabelhaft aus. Ihr Potential wird voll ausgeschöpft. Mein einziger Kritikpunkt betrifft das doch sehr Ideen-arme Location/Sights-Hopping in Paris. Ich frage mich, wann es Amerikanern gelingen wird, in dieser Hinsicht über ihren eigenen Schatten zu springen und jenseits der Quais de Seine, des Arc de Triomphe, Passy oder dem Jardin du Palais royal zu drehen. Aber gut, dafür wird man mit einer der furiosesten Verfolgungsjagden der letzten Jahrzehnte entschädigt.
Was mich an der Handlung stört, ist die starke Bezugnahme auf den Vorgänger, dessen Plot ich ehrlich gesagt aufgrund mangelnden Interesses schon halb vergessen habe. Eingentlich ist es mir völlig egal ob Hunt nun das Syndikat oder die Apostel jagt, sind doch beide Organisationen und ihre Drahtzieher völlig austauschbar. Das Cavills Charakter Dreck am Stecken haben würde, dürfte eigentlich ab seinem ersten Auftritt klar sein. Ich hätte mir z.B. mal zur Abwechslung einen etwas ambivalenteren und dreckiger operierenden Ethan Hunt gewünscht, was der Film zwar teilweise andeutet, mit Cruise in der Rolle aber wohl eher Wunschdenken bleiben wird. Ebenfalls gestört hat mich die Einbindung Julias - Hunts Ex-Frau - die nur dazu dient dem Finale eine etwas "emotionalere" Note zu geben und zum Schluss ein paar tröstende und zuversichtige Worte aus dem Baukasten zu verlieren. Irgendwie lasch, aber harmlos. Wären das tatsächlich Charaktere zu denen man eine Bindung aufbaut (bei Luther oder Benji kann ich das ja nachvollziehen), dann könnten solche Plot-Devices funktionieren. Da dies bei mir nicht der Fall ist, ignoriere ich derartige Blockbuster-Plattitüden. Es ist ja alles ganz nett gemeint und gemacht.
Wie wahrscheinlich rauszulesen ist, hat mich an MI:6 in erster Linie die brilliant inszenierte Action und Stuntarbeit gepackt. Im übrigen gefiel mir auch der deutlich imposantere Score, der zwar schamlos bei Zimmers Arbeit für TDKR und Inception klaut hehe, dem Geschehen auf der Leinwand aber die erforderliche "Größe" verleihen kann.
Spielerisch war so gut wie alles auf gehobenem Niveau, nur Cavill hat ich mich mit seinem hölzernen Spiel enttäuscht. War in der OV, falls jemand behaupten sollte, es hätte an der Synchro gelegen. Angenehm aufgefallen ist mir Tom Cruises Herangehensweise an seine Parade- Rolle. Die Zeiten des peinlichen Selbstdarstellungsdranges aus MI:II und der daraus resultierenden unfreiwilligen Komik sind glücklicherweise längst vergraben und vergessen. Besonders zu loben ist Cruises körperlicher Einsatz in den Stunts. Ich finde schon, dass es einfach eine gewisse Haptik mitbringt und somit den Glaubwürdigkeitsgehalt steigert. Das ist in meinen Augen elementar, um ein an sich völlig unwahrscheinliches Actionkonstrukt zum Leben zu erwecken. Alles in allem wurde ich bestens unterhalten.
Mission Impossible 6 - Fallout: 8/10