danielcc hat geschrieben: 24. Januar 2019 10:34Ich bin nur kein Freund davon, wenn man Regisseure nach 2-3 guten Filmen direkt in den Himmel lobt und auf eine Stufe mit Hitchcock stellt
Sehe ich prinzipiell ähnlich, aber genau das wurde mit Shyamalan nach Sixth Sense und Unbreakable ja gemacht. Und so hoch wie er gehoben wurde, so tief ist er dann in den Folgejahren auch gefallen, als erst Signs und The Village diese Erwartungen nicht mehr erfüllen konnten und er mit Lady in the Water, The Happening und seinem Airbender in qualitativ unterirdische Gefilde (klar, nicht JEDER sieht das so) abgerutscht ist. Bei Shyamalan war für mich immer der Eindruck groß, dass er jemand ist, der ein fabelhaftes Gespür für visuelles Erzählen und gewagte, künstlerische Filme hat, aber nach seinem großen Durchbruch zu sehr in seinen eigenen Mechanismen verharrt blieb. Bereits bei The Village war dieser alberne Wille spürbar, erneut einen extrem spektakulären Plottwist der Marke Twilight Zone zu präsentieren, letztlich war aber gerade dieser bei mir dafür verantwortlich, dass mir der Film deutlich schlechter in Erinnerung blieb als er objektiv vielleicht ist - während ich dann an seiner Filmografie zwischen 2006 und 2013 gar keinen Gefallen finde. Dennoch gestehe ich ihm ein großes filmisches Talent durchaus zu - Filme wie Unbreakable oder The Visit (stark unterschätzt!) entstehen nicht zufällig. Bei Glass war aber wieder in jeder Hinsicht der Shyamalan am Werk, der sich selbst vermutlich für den Allergrößten hält und mehr daran interessiert ist, im letzten Akt mehrfach die ganze Story auf den Kopf zu stellen, als eine befriedigende Geschichte über seine in Vorfilmen aufgebauten Charaktere zu erzählen.
danielcc hat geschrieben: 24. Januar 2019 10:34
Glass soll nur 20 Mio gekostet haben - das ist eigentlich kaum vorstellbar. In den 90ern hat allein Willis so viel pro Film bekommen.
Wer heute noch mehrere Millionen an Bruce Willis bezahlt, der ist aber auch selber Schuld.
Ohne seine früheren schauspielerischen Großleistungen (Die Hard, Pulp Fiction, 12 Monkeys, Sixth Sense etc.) schmälern zu wollen, aber "Brusli" verdingt sich seit einer gefühlten Ewigkeit nahezu ausschließlich in billigen Direct to Video Streifen, in denen er sich bei lustlosen Kurzauftritten abfilmen lässt, damit man seinen Namen und sein Gesicht als Kaufargument aufs Cover drucken kann, um dann zur nächsten Billigproduktion weiterzuziehen. Wenig Aufwand für (daran gemessen) viel Geld. Und wenn die Kasse klingelt, ist er sich auf für eine Demontage seines größten Kinoerfolgs (Die Hard 5) nicht zu schade, genauso wie er bei einer Million zu wenig dann auch mal einem Herzensprojekt eines Kollegen den Rücken zuwendet (The Expendables 3). Große Summen ist Willis einfach schon lange nicht mehr wert - was er für Glass bekommen hat, da kann man nur mutmaßen. Ich hoffe es ist nicht allzu viel gewesen, denn noch viel gelangweilter, lustloser und apathischer als in Glass kann ein "Top-Star" eigentlich gar nicht mehr auftreten.
danielcc hat geschrieben: 24. Januar 2019 10:34
Ein deftiger Showdown hätte dem Ganzen zu mehr Comic-Glaubwürdigkeit verholfen.
Einerseits würde ein solcher Showdown zu dem "Unbreakable/Split"-Universum nicht wirklich passen, da diese Filme schon sehr in unserer nüchternen Realität verankert sind und die übermenschlichen Elemente entsprechend behutsam und "naturalistisch" dargestellt werden. Andererseits sollte man dann vielleicht einen dementsprechenden Comic-Showdown nicht 90 Minuten lang versprechen, wenn man dann gar nicht die Absicht hat, so einen zu präsentieren, schlimmer noch: Wenn das, was man stattdessen als Konklusion wählt, dermaßen billig und gehetzt von Statten geht. Aber das Drehbuch zu Glass ist imo eine heillose Katastrophe, die schon lange vor dem desaströsen dritten Akt nicht mehr zu verhindern gewesen ist. Einige unsägliche Dialogzeilen ("First Name Mr., Last Name Glass") haben bei mir ganz ehrlich Fremdscham ausgelöst.
Schade ist das imo deshalb, weil das Konzept hinter dieser Trilogie ziemlich erfrischend ist (in den ersten 15 Minuten von Glass sogar grandios aufgeht) und man mit Glass eine kluge Antithese zu den derzeitigen Cinematic Universe Verstrickungen des US-Blockbusterkinos hätte schreiben können. Herausgekommen ist leider ein lahmer Psychothriller mit dem vermutlich hanebüchsten Plot seit Langem.
Daniel, da du den Film ja auch gesehen hast, wie stehst du zu folgenden Punkten:
- Wie kam Shyamalan nur auf den absurden Einfall, fast die gesamten 130 Minuten der Laufzeit dafür aufzuwenden, die psychologischen Gespräche in den Vordergrund zu stellen, in denen die Charaktere glauben sollen, sie hätten gar keine übersinnlichen Fähigkeiten? Das ergibt als Konzept wenig Sinn, denn wir als Zuschauer WISSEN sehr gut, dass McAvoy und Willis jene Superkräfte haben, mehr noch, wir warten den ganzen Film darauf, dass sie diese endlich wieder einsetzen. Aber auch innerfilmisch ist das ganze extrem konstruiert. Warum versucht Dunn kein einziges Mal, seine übermenschliche Stärke einfach zu beweisen? Warum beginnt er nach 19 (!) aktiven Jahren als The Overseer irgendwann selbst, an seiner Kraft zu zweifeln (obwohl er ja u.a. auch sehr klare Visionen bei Berührung mit anderen Menschen bekommt)? Das hätte direkt nach Unbreakable vielleicht noch gepasst, mit diesem großen Zeitsprung ist es aber nur bekloppt.
- Wie kann McAvoy nicht wissen, dass Mr. Glass für den Tod seines Vaters verantwortlich ist? Schon klar, für uns Zuschauer soll diese Tatsache ein großer Plottwist sein, aber McAvoy wird ja wohl wissen, dass sein Vater beim Eastrail 177 Zugunglück ums Leben kam - und wie sowohl das Ende von Unbreakable als auch der Cameo von Willis in Split unmissverständlich klar machen, ist der Öffentlichkeit sehr wohl bekannt, wer hinter dem Anschlag auf diesen Zug steckt. Dass es nun erst den Sohn von Dunn braucht, um McAvoy darüber zu unterrichten, ist extrem konstruiert - hier stehen bei Shyamalan mal wieder "überraschende Wendungen" vor Charakterarbeit, innerer Kohärenz und nachvollziehbarer Charakterarbeit.
- Warum tötet die geheime Untergrundgesellschaft die drei "Metahumans" nicht gleich zu Beginn des Films? Ja, der Film versucht eine Art Antwort dafür zu artikulieren, doch da der Film letztlich reichlich antiklimaktisch auf den Tod aller Protagonisten hinausläuft, stellt sich die Frage, ob die "Ziele" der Psychologin, die drei von ihrer Normalität zu überzeugen, wirklich so wichtig waren, dass die viel leichtere direkte Exekution aller Inhaftierten erst als Plan B eingestuft wurde. Zugegeben: Man kann das machen, aber bei Glass drängt sich nach der Sichtung schon extrem der Eindruck auf, dass der gesamte sehr lange und geschwätzige Mittelteil des Films eigentlich nur Füllmaterial gewesen ist.
- Zum Ende: Abgesehen von den imo extrem unbefriedigenden Toden aller drei Akteure (gemeint ist nicht ihr Tod selbst, sondern die Ausführung, besonders Dunn scheidet fast schon nebensächlich aus dem Film und das etwa 25 Minuten vor dem Abspann!) stellt sich die Frage, ob der geniale Masterplan von Mr. Glass wirklich irgendeinen Erfolg verzeichnen wird. Die Veröffentlichung der Aufnahmen der Überwachungskameras im Internet sind wohl kaum spektakulär genug, um erstens verborgene Superhelden zu einem Outing zu inspirieren und um zweitens die Existenz von Metahumans zu beweisen. Ganz ehrlich: Heutzutage hat jeder Amateur die Möglichkeit, so ein Video zu faken, zumal die Taten von Willis und McAvoy zumindest mich nicht direkt auf die Existenz von Superhelden schließen lassen würden - seien wir ehrlich: 99 Prozent aller Internetuser würden das Video für einen gutgemachten Fake halten. Als Happy End hat das imo gar nicht funktioniert.
- Eine letzte Sache: Bin ich der Einzige, der mit dem zentralen Trio insofern unglücklich war, als das der Film überdeutlich genau wie Split die James McAvoy Show darstellt und Sam L. Jackson (immerhin die Titelrolle) und Bruce Willis zu Randfiguren degradiert? Jackson ist den halben Film quasi gar nicht dabei und darf dann nur noch mehrere Textbrocken an Exposition losleiern, Willis lässt sich im dritten Akt nur noch durch sein Stuntdouble verkörpern. Witzig ist das deshalb, weil der Film inhaltlich eindeutig mehr Unbreakable 2 sein will, aber bei der Gewichtung der Screentime eigentlich ein lupenreines Split-Sequel darstellt. So oder so: Sehr schwach fand ich in jedem Falle die erneuten Bezüge zur Comic-Mythologie. Während da in Unbreakable mehrfach sehr intelligente Sachen gesagt werden, die dann auch harmonisch mit den Entwicklungen der Charaktere zusammenhängen, hat Glass banale Statements parat, à la: "Wenn Held und Schurke aufeinander treffen, kommt es im Comic zum Showdown." - Ach was! Das Problem ist natürlich auch, dass als Unbreakable 2000 erschien Comichelden im Mainstream noch längst nicht so ein Phänomen waren wie nun zwei Jahrzehnte später, womit Jacksons Geschwätz größtenteils für niemanden einen echen Mehrwert hat.