Octopussy
(Octopussy)
1983
Regie: John Glen
Im Jahr 1983 stand das große Duell Bond vs Bond an. "Octopussy" gegen "Sag niemals nie". Es gelang den Produzenten, erneut Roger Moore zu verpflichten, der eigentlich schon gesagt hatte, er wolle Bond nicht mehr spielen. Mit ihm als Zugpferd erhoffte man sich einen Vorteil im Kampf gegen den Konkurrenz-Film mit Sean Connery. Ich persönlich konnte mit "Octopussy" lange Zeit gar nichts anfangen. Der Film war mir zu ulkig, kompliziert und nichtssagend. Nach dieser Sichtung muss ich zugeben, dass ich die Story an sich immer noch nicht ganz verstanden habe, aber der Film ist in meiner Gunst deutlich gestiegen.
Das Land Indien ist ein ganz neuer Handlungsort für einen James Bond-Film. Die Locations haben mir gut gefallen und insgesamt sind sie auch deutlich schöner und farbenprächtiger eingefangen als noch im Vorgänger FYEO, der ja an sich auch schöne, sonnige Locations zu bieten hatte. Die meisten Szenen in Indien gefallen mir, auch, wie die indische Kultur gezeigt wird. Weniger gut kommen die zahlreichen Klischees daher. Bei Bonds Flucht durch den Dschungel bekommt man das Gefühl, dass auf jedem Quadratmeter Indien mindestens 3 wilde, gefährliche Tiere leben und auch die Verfolgungsjagd durch die Menschenmenge erweckt einen sehr eindimensionalen Eindruck von Indien. Zwar können einige dieser Klischees für einen kurzen Schmunzler sorgen, ("Was machen fremder Mann in meinem Bett?") meist sind sie aber irgendwie zu viel des guten und können leicht dem Klamauk zugeordnet werden. Generell ist "Octopussy" wohl der klamaukigste aller Bonds und das verursacht einen gewissen Konflikt mit der an sich doch recht ernsten Handlung. Bond, der an einer Liane schwingend den Tarzan-Schrei ausstößt will nicht ganz zur Bedrohung durch eine Atombombe passen. (Wobei man fairerweise sagen muss, dass von dieser Bedrohung zu dem Zeitpunkt noch nichts zu spüren ist.)
Die Handlung bereitet mir jedes mal Kopfzerbrechen... Ich verstehe nicht wirklich, wer da eigentlich was macht. Kunstschätze werden gestohlen, um dann kopiert zu werden, die Fälschungen werden zurückgebracht und dann wieder gekauft und die Originale geschmuggelt, nur um den Plan mit der Atombombe zu verschleiern? Und wieso zerstört Kamal Khan eigentlich das Ei, in dem der Sender versteckt ist und sagt, es wäre eine Kopie, obwohl er doch denken müsste, es wäre das Original, weil er ja nicht weiß, dass Bond es gegen die Fälschung ausgetauscht hatte? Naja, sei´s drum. So schwergewichtig war diese Unverständnis für mich nun auch wieder nicht.
Was die Bondgirls angeht, ist "Octopussy" nicht ganz so gut besetzt. Kristina Wayborn ist zwar schön anzusehen und spielt recht solide, hat mich aber nicht großartig begeistert. Sie ist ja auch nicht das Haupt-Bondgirl. Diesen Part hat hier (mal wieder) Maud Adams inne, die, sichtlich gealtert, zwar zum ebenfalls viel zu alt wirkenden Moore passt, mich aber kaum überzeugen konnte. Was das Alter angeht muss ich auch noch einmal kurz auf Moneypenny zu sprechen kommen. Diese ist mittlerweile ebenfalls viel zu alt (passt ebenfalls zu Moore) und ihre Flirtereien mit Bond sind, wie schon in FYEO sehr merkwürdig anzusehen. Anscheinend hatte man dies aber auch selber eingesehen und Moneypenny mit Penelope Smallbone zum ersten (und einzigen) mal eine Assistentin zur Seite gestellt. Moneypenny spricht selber aus, was alle denken: "Sie ist hinreißend, wie ich es einmal war."
Der Film hat einige sehr schöne Szenen zu bieten, so zum Beispiel Bonds Ankunft in Indien, als Vijay das Bond-Thema beim Schlangenbeschwören spielt, die Versteigerung bei Sotheby´s, Bonds Spiel gegen Kamal Khan im Casino oder meist dann, wenn Action ins Spiel kommt:
Die Verfolgungsjagd auf den Dreirädern ist nach der PTS und der Flucht von 009 die erste richtige Actionszene im Film und sie wirkt inmitten der Menschenmengen wirklich super. Als wohl größter Actionhöhepunkt gilt allerdings wohl die Fahrt Bonds mit dem Auto auf Schienen dem Zug hinterher und anschließend alles, was auf, in oder an dem Zug passiert. In diesen Momenten reißt einen "Octopussy" wirklich vom Hocker. Leider kann der Film das Niveau aber nicht durchgehend halten, denn gerade zum Ende hin flacht das Tempo doch wieder merklich ab. Bond als Anhalter ist wohl nicht gerade das, was man von ihm sehen will und auch die Fahrt mit den Bayern (im Osten...) ist mir wieder zu viel Klamauk.
Die generelle Zirkus-Szenerie gefällt mir sehr. Schon in "Diamantenfieber" hatte man teilweise versucht, Bond im Zirkus zu zeigen und dieser Versuch war eher misslungen. In "Octopussy" jedoch machen diese Szenen Spaß, was unter anderem auch an den beiden messerwerfenden Zwillingen Mischka und Grischka liegt.
Der Showdown ist diesmal wieder deutlich opulenter geraten als im Vorgänger "In tödlicher Mission" und zieht sich auch deutlich länger hin, was aber keinesfalls kein Nachteil ist. Erst die schon erwähnte Zugaction und Orlovs gelungener Tod, dann die Fahrt zum Militärstützpunkt und schließlich die Dramatik um die Atombombe im Zirkus. Der Film könnte nun vorbei sein, aber Kamal Khan ist schließlich noch auf freiem Fuß. Es ist wohl einzigartig in der Geschichte der Bondfilme, dass es noch einmal zurück zur Hauptlocation geht. Das 2. Finale kommt zwar ohne Längen aus und bietet noch einmal tolle Szenen wie Bonds und Qs Ankunft mit dem Bond-Thema im Heißluftballon und schließlich das endgültige Finale auf dem Flugzeug, erscheint im großen und ganzen allerdings doch unnötig. Negativ fällt auch auf, dass man sich anscheinend nicht entscheiden konnte, welche Tageszeit es ist, denn der Showdown beginnt bei Nacht und endet am helligten Tag. Sowas mindert den Filmgenuss.
Ebenfalls ungewöhnlich für die Bond-Reihe ist die Rolle des Bösewichts bzw. der Bösewichte, denn die Rolle ist, wie schon in FYEO nicht ganz festgelegt und auf 2 Personen verteilt. Mir persönlich sagt das ganze an sich zwar zu, es ist abwechslungsreich, mal nicht nur einen Villain zu sehen, allerdings mindert dies auch die Bedrohlichkeit der einzelnen Charaktere. Steven Berkoff alias General Orlov spielt zwar sehr gut, wirkt aber manchmal zu verrückt, um wirklich bedrohlich zu erscheinen. Louis Jordan ist ganz der Gentleman, sieht mit seiner Lesebrille allerdings mehr aus wie Helmut Schmidt als wie ein gefährlicher Bombenleger. Zu den beiden gesellt sich als Henchman noch Gobinda, der mit seinen zerdrückten Würfeln ein wenig an Oddjob erinnert und ansonsten eine gute Figur macht.
Fazit: "Octopussy" ist eine seltsame Mischung aus schönen Schauplätzen, bis zum letzten ausgereizten Klischees und Klamauk ohne Ende auf der einen Seite und einer komplizierten Story und einem Atombomben-Bedrohungsszenario auf der anderen Seite. Lässt man sich allerdings auf diese Zwiespältigkeit ein, dann wird man 2 Stunden lang gut unterhalten und hat einiges zum Schmunzeln.
8/10 Punkte
Re: Bondfilm-Rezensionen - user: Nico
16"Hiermit kündige ich meine Mitgliedschaft!" - "Wir sind kein Countryclub, 007!"