satre70 hat geschrieben: 24. April 2019 23:05
Also in Cortina lenkt er ihn schon auf Columbo...warum? Im Casino fordert er ihn sogar detailliert zum Mord auf, um ihn dann am nächsten Morgen killen zu wollen?
Wozu das alles?
Hallo satre70,
wie schon gesagt sehe ich da keinen inhaltlichen Widerspruch. Ich versuche das mal noch etwas zu vertiefen: Bond ist in Cortina, um über die Spur Locque an die Hintermänner an dem Mord an den Havelocks heranzukommen, die gleichzeitig auch das ATAC in ihren Besitz bringen wollen. Kristatos wird als englischer Mittelsmann eingeführt, der ihm dafür die notwendigen Informationen gibt. Da Kristatos a) selbst der gesuchte Hintermann ist und b) seit Jahrzehnten als Doppelagent den Briten falsche oder zumindest stark selektive Informationen liefert liegt es auf der Hand, dass er Bond auf eine falsche Fährte schicken muss, die weg von ihm selbst führt. Daher ist es ebenfalls naheliegend, dass er seinen alten Rivalen Columbo (der wie er über die notwendigen Verbindungen und Organisation für eine Bergung des ATAC verfügt) als den unbekannten Hintermann und Auftraggeber Locques ins Spiel bringt.
Nicht unwichtig in diesem Zusammenhang ist zudem, dass er beim ersten Treffen mit Bond in Cortina keinerlei Andeutungen hinsichtlich einer wünschenswerten Liquidierung Columbos macht, er liefert zunächst nur einmal falsche Infos, um von sich selbst abzulenken. Dies ist deswegen nicht ganz unwichtig, da hätte das Drehbuch tatsächlich den Plotpunkt intergrieren wollen, dass Kristatos Columbo durch Bond liquidieren lassen will, dann wäre man hier vermutlich von Anfang an eindeutiger mit diesem Thema umgegangen - wie beispielsweise im inhaltlich nicht unähnlichen TLD, in welchem Koskov bereits beim ersten Treffen (streng genommen beim zweiten, aber beim ersten Treffen am „Schwein“ blieb ja keine Zeit für einen großen Plausch) Bond auf Pushkin ansetzt und ihm quasi dessen Liquidierung nahelegt. Bei FYEO wird dieser Gedankengang hingegen erst wesentlich später von Kristatos geäussert und das zu einem Zeitpunkt, zu welchem bereits aufgrund der zahlreichen Mordanschläge klar ist, dass er kein Interesse daran hat, dass Bond weiterlebt (da er ansonsten befürchten muss, dass sein ATAC-Unterfangen wie auch seine Doppelagenten-Tätigkeit auffliegt) – jedenfalls mit dem Wissen einer mehrmaligen Sichtung, dass Kristatos der eigentliche Hintermann ist.
Besagte Äusserung auf Korfu (dass Bond Columbo endgültig beseitigen soll) legt nun zwei Schlussfolgerungen nahe:
1. Dass Kristatos hier tatsächlich ausnahmsweise die Wahrheit spricht und er Columbo durch Bond liquidieren lassen will.
2. Dass er auch hier Bond wieder nur Mumpitz erzählt (wie bis dahin immer) und ihn auch weiterhin von sich selbst weglocken will (wie ebenfalls bis dahin immer).
Wäre tatsächlich 1. die Intention des Drehbuchs, dann ist deine Kritik berechtigt, da es keinen Sinn ergibt, dass Kristatos kurz darauf (und damit bevor Bond überhaupt Gelegenheit hatte sich um Columbo zu kümmern) Bond abermals liquidieren lassen will. Sollte aber 2. die zu vermittelnde Absicht der Herren Maibaum und Wilson sein, dann ergibt alles Sinn, da erstens stimmig zu den vormaligen Handlungen von Kristatos und zweitens stimmig hinischtlich dessen originärer Interessen (ATAC sichern und Bond aus dem Weg haben). Und selbst hier wäre es zumindest denkbar, dass Kristatos als gewiefter Taktiker (der er sein muss, da er ansonsten sicher nicht mehrere Jahrzehnte als Doppelagent hätte überleben können) von Anfang an aufgrund der Reputation von Bond mit einbezieht, dass seine Mordanschläge nicht sofort Erfolg haben werden und daher durchaus auch die Möglichkeit besteht, dass Bond quasi als Bonus Columbo auch noch beseitigt, bevor er selbst einem der fortgesetzten Mordanschläge zum Opfer fällt.
satre70 hat geschrieben: 24. April 2019 23:05
Und was ist das für ein Idiot, sich für eine Bibi zu erniedrigen?
(Wie schon gesagt, bei Domino in TB verstehe ich das durchaus
)) )
Auch hier finde ich das Drehbuch absolut stimmig. Bereits in Kristatos erster Szene wird unterschwellig, aber dennoch sehr effektiv, angedeutet, dass sein Interesse an seinem Protege nicht ausschliesslich sportlicher Natur ist (wodurch gleichzeitig die ersten subtilen Vedachtsmomente gegen seine Figur gestreut werden). Verstärkt wird dieser „Verdacht“ noch durch die Szene mit Bibi und Bond im Hotelzimmer, in welcher beide recht deutlich auf „Onkel Aris“ Absichten anspielen. Wenn dann der Film im Finale, also zu einem Zeitpunkt zu welchem die Figur Kristatos die wohl dynamischste charakterliche Wandlung alles Bondschurken hingelegt hat, diesen Aspekt aufgreift dann ist dies nicht nur inhaltlich von langer Hand vorbereitet, sondern auch dadurch legitimiert, da man so Bond und seinen Mitstreiter Hilfe „von innen“ zukommen lassen kann (was den letztlichen Erfolg ihrer Mission ein kleines Stück glaubhafter wirken lässt). Das geht aber nur, indem man zuvor sich eindeutig auf der Seite bzw. zumindest im Dunstkreis von Kristatos aufhaltenden Figuren die Möglichkeit gibt „überzulaufen“. Und da sind Onkel Aris „unnatürliche“ Absichten doch ein perfekt glaubhafter Grund. Dass er Bibis Desinteresse an ihm nach allem was er für sie bzw. ihre Karriere getan hat nicht ohne Groll und angedrohte Konsequenzen hinnimmt (und damit das Überlaufen in Gang setzt) ist nachvollziehbar - gerade für einen als gemeinhin heissblütig geltenden Griechen.
Übrigens empfinde ich die von dir angeführte Beziehung Largo-Domino in TB als praktisch identisch zu der von Kristatos und Bibi. In beiden Fällen wird die Beziehung eines älteren Mannes zu einer wesentlich jüngeren, äusserst attraktiven Frau für die Öffentlichkeit anders deklariert als das, was es eigentlich ist, um gesellschaftlichen Konventionen zu entsprechen. In beiden Fällen ist zudem das Interesse des Mannes offensichtlich deutlich stärker als das der Frau, wodurch es fast schon zwangsläufig auf einen Bruch der Beziehung hinausläuft. Der einzige wirkliche Unterschied ist die Rolle, die Bond innerhalb dieses Figurengeflechts einnimmt. In TB ist er sowohl der Auslöser des Bruchs als auch der Ausweg für Domino aus der einengenden Beziehung, während er in FYEO lediglich als letzteres in Erscheinung tritt und selbst hier nur indirekt.